[209] Gesinde, ein altes deutsches Wort, welches man nicht ohne Wahrscheinlichkeit von senden ableitet, nennt man alle diejenigen Personen, welche Andern für Lohn und Kost häusliche Geschäfte und wirthschaftliche Dienste verrichten (Kostgeld). – Unter Gesindeordnungen versteht man die landesherrlichen Gesetze, durch welche in einzelnen deutschen Staaten das Verhältniß des Gesindes zu seiner Dienstherrschaft, also die gegenseitigen Befugnisse und Verbindlichkeiten festgestellt, überhaupt das ganze Gesindewesen in policeilicher Rücksicht geordnet wird. Die Eingehung und Abschließung des Dienstvertrags ist in der Regel an keine besondern Formalitäten gebunden, vielmehr ist ein solcher Vertrag sofort gültig und für beide Theile (für die Herrschaft wie für das Gesinde) verbindlich, sobald sie sich über die Art der zu übernehmenden Dienstleistungen im Allgemeinen [209] und über die Größe des Dienstlohnes vereinigt haben. Indessen findet in den meisten Gegenden Deutschlands der Gebrauch statt, daß zum Zeichen des geschlossenen Vertrags das Gesinde von seiner zukünftigen Dienstherrschaft ein Stück Geld (Miethgeld, Handgeld, Draufgeld, Miethgroschen) erhält, welches aber in der Regel keineswegs als ein Theil des Dienstlohnes selbst zu betrachten ist. Die Herrschaft verliert übrigens das Miethgeld, wenn sie sich ohne gesetzliche Gründe weigert, das von ihr gemiethete Gesinde zur gehörigen Anziehezeit anzunehmen, und ist diesfalls noch außerdem zur Schadloshaltung des Gesindes verpflichtet. Wird ein Dienstbote krank und zwar ohne seine eigne grobe Verschuldung, so muß ihm seine Dienstherrschaft auch bei gänzlicher Dienstunfähigkeit Lohn und Nahrung während der Krankheit innerhalb der Dienstzeit verabreichen und für seine Verpflegung sorgen. Der Grund dieser Vorschrift ist, daß das Gesinde, da es seine ganze Zeit und alle seine Kräfte dem Dienste der Herrschaft widmet, gewissermaßen als Mitglied des Hauses zu betrachten ist und in diesem Sinne mit zur Familie des Dienstherrn gehört. Erkrankt das Gesinde im Dienste, d.h. hier durch Verschuldung der Herrschaft, so muß diese die Curkosten allein tragen und kann in einzelnen Fällen noch überdies zu einer besondern Vergütung und Schadloshaltung verpflichtet sein. Eine mäßige körperliche Züchtigung des ungehorsamen Gesindes steht zwar der Herrschaft zu, artet aber die Strafe in gesetzwidrige und der Gesundheit nachtheilige Mishandlungen aus, so macht sich die Herrschaft dadurch selbst straffällig. Anderntheils ist das Gesinde verbunden, jeden durch seine Verschuldung der Herrschaft verursachten Schaden dieser zu ersetzen und wird, wenn es sich eines Diebstahls gegen seine Herrschaft schuldig macht, in einigen Staaten härter bestraft als der gewöhnliche Dieb. Die Dauer der Dienstzeit richtet sich, wenn bei Eingehung des Dienstvertrags darüber nichts festgesetzt worden ist, nach den Vorschriften der Gesindeordnungen oder nach den durch die Gewohnheit an einzelnen Orten eingeführten An- und Abziehczeiten. Verlängerung der Dienstzeit setzt stets die vorgängige (stillschweigende oder ausdrückliche) Genehmigung von Seiten des Gesindes sowol als der Herrschaft voraus. Macht die Dienstherrschaft bankrott, so genießt das Gesinde wegen seines rückständigen Lohnes in der Regel ein bedeutendes Vorzugsrecht vor allen übrigen Gläubigern. Nach Ablauf der Dienstzeit muß die Dienstherrschaft dem Gesinde auf dessen Verlangen ein Zeugniß über sein sittliches und sonstiges Verhalten ausstellen. Das Gesinde muß dieses Zeugniß bei seiner anderweiten Vermiethung zu seiner Legitimation vorzeigen, wenn es sich aber zum ersten Male vermiethet, ein obrigkeitliches Attestat über sein bisheriges Wohlverhalten beibringen. – Gesindemäkler sind Personen, welche sich unter landesherrlicher, besonders dazu einzuholender Genehmigung damit beschäftigen, dem Gesinde ein dienstliches Unterkommen gegen eine Vergütung zu verschaffen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Gesindemäkelei nicht den vortheilhaftesten Einfluß auf die Sittlichkeit des Gesindes hat. Eben deshalb ist sie in mehren deutschen Staaten in neuerer Zeit gänzlich verboten worden. Da dienstloses Gesinde eine höchst gefährliche Bürde der Gemeinden ist und besonders in großen Städten wesentlich zur allgemeinen Sittenverschlechterung beiträgt, so ist es eine wichtige Pflicht der policeilichen Behörden, über alles dienstlose Gesinde eine strenge ununterbrochene Aufsicht zu führen und nöthigenfalls für die Fortschaffung desselben zu sorgen. In mehren Städten Deutschlands sind besondere Behörden zu Beaufsichtigung der Versorgung des Gesindes niedergesetzt, die man Gesinde- oder auch Dienstboten-Ämter nennt. – Gesindezwang ist die rechtliche Befugniß des Gutsherrn, die Kinder seiner Unterthanen zu zwingen, daß sie gegen einen bestimmten, gewöhnlich kärglichen Lohn bei ihm in Dienste treten. Das zufolge dieses Zwanges bei dem Gutsherrn dienende Gesinde nennt man ebendeshalb Zwanggesinde. Wo der Gesindezwang noch vorkommt, ist er ein Überrest der mittelalterlichen Hörigkeit oder Leibeigenschaft.