Gesundheit

[211] Gesundheit ist derjenige Zustand des Menschen, in welchem alle seine Organe naturgemäß ausgebildet sind und die ihnen eigenthümlichen Functionen, sowol die unwillkürlichen als die willkürlichen, regelmäßig und ohne Anstrengung verrichten. Jedes Abweichen von diesem Zustande ist Krankheit. Hiernach gäbe es nur sehr wenige durchaus gesunde Menschen; denn die Gliederung des Menschen ist so unendlich mannichfaltig und die Functionen der Organe sind zum Theil so leicht störbar, daß der Mensch nur selten in dem Zustande vollkommener Gesundheit sich befindet. Doch pflegen wir kleine Misbildungen (z.B. hohle Zähne), sowie geringe und schnell vorübergehende Störungen (z.B. der Verdauung) nicht für Krankheit zu rechnen und halten uns so lange für gesund, als durch die erwähnten Misbildungen oder Störungen das Gemeingefühl nicht unangenehm erregt wird. Der Werth der Gesundheit ist um so größer, da von dem körperlichen Wohlbefinden, dessen wir nur im gefunden Zustande theilhaft sind, das geistige in engster Abhängigkeit steht. Daher sind wir ängstlich bemüht, aus je dem kranken Zustande wieder in den der Gesundheit zurückzukehren und werden auch dafür zu sorgen suchen, daß die Gesundheit, der wir uns erfreuen, nicht in Krankheit übergehe. Der gar nicht um die Erhaltung seiner Gesundheit besorgte Mensch muthet sich leicht zu viel zu und wird durch Überbietung seiner Kräfte, besonders wenn er sich von lebhaften Neigungen und Leidenschaften beherrschen läßt, leicht seinen Körper krank oder doch zur Erkrankung geneigt machen, und oft muß er den Leichtsinn seiner Jugend in spätern Jahren schmerzlich büßen. Ebenso nachtheilig kann aber auch eine falsch angebrachte und allzu ängstliche Sorgfalt für die Gesundheit werden, abgesehen davon, daß sich der Mensch durch dieselbe um die Luft am Leben und um den Genuß desselben bringt. So ist es unter allen Bedingungen thöricht und schädlich, im gefunden Zustande Medicamente (z.B. Purgirmittel) zu nehmen oder Operationen (wie Aderlassen, Schröpfen u. dgl.) mit sich vorzunehmen, um möglichen Krankheitsfällen vorzubeugen. Durch ein derartiges Verfahren macht man sich geflissentlich krank oder macht doch den Körper, indem man ihn schwächt, für Krankheit empfänglicher, als ohnedies der Fall sein würde. Ebenfalls Schwächung des Körpers wird durch zu ängstliche Sorgfalt herbeigeführt. Wer sich allzu warm hält, kann sich am leichtesten erkälten, wer allzu peinlich in der Wahl der Speisen ist, wird am leichtesten sich den Magen verderben. Um seine Gesundheit zu bewahren, muß man, so viel als möglich, naturgemäß leben, in jedem Genusse mäßig sein, Ordnung halten im Essen und Trinken, Wachen und Schlafen, und vor Allem auf Reinlichkeit bedacht sein. Ein hinlänglicher, aber nicht zu langer Schlaf in den Stunden, in welchen die Natur selbst zu demselben einladet, einfache, nicht allzu reizende Speisen und Getränke, frische Luft, Beherrschung der Leidenschaften und Bewahrung eines schuldlosen und heitern Gemüths sind die besten Sicherungsmittel der Gesundheit.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 211.
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