Hebel [1]

Hebel [1]
Hebel [1]
Hebel [1]
Hebel [1]
Hebel [1]
Hebel [1]

[348] Hebel (der) ist die wichtigste der sogenannten einfachen Maschinen in der Mechanik, weil auf ihm die wichtigsten Theile aller Maschinen beruhen; er dient theils zur Fortpflanzung der Bewegung auf eine bequeme und zweckdienliche Weise, theils um Zeit und Kraft auf eine eigenthümliche, sogleich näher zu erörternde Weise gegeneinander auszugleichen.

Alle Räderwerke, Zangen, Scheeren, Meisel, Schlüssel, Rollen, Flaschenzüge, Wagen u.s.w. beruhen auf einer mehr oder weniger complicirten Anwendung des Hebels. Um die Lehre vom Hebel auf das Einfachste zu erörtern, stelle man sich vor, man hätte z.B. einen Draht, welcher durchgängig dieselbe Dichtigkeit und dabei eine solche Steifigkeit besäße, daß ihn keine Kraft zu krümmen im Stande wäre. Allerdings gibt es keinen derartigen Körper, allein es kann auch ein Körper nur insoweit nach Art eines Hebels wirken, als er jene Bedingungen erfüllt, d.h. es gibt keinen vollkommenen Hebel; je mehr sich aber ein Stab, Balken u. dgl. dem angenommenen Drahte nähert, desto mehr wird er sich auch einem vollkommenen Hebel nähern. Stellen wir uns nun ferner vor, der angenommene Draht liege mit seiner Mitte auf einer Kante auf, oder sei in seiner Mitte mit einer Schnur umwunden und mittels derselben an einem Nagel oder dgl. aufgehängt, so übersieht man bald, daß der Balken, auf beiden Seiten gleichviel wiegend, mit keinem Ende tiefer herabsinken könne, als mit dem andern. Dieselbe horizontale oder wagerechte Lage wird er auch noch behalten, wenn man an beiden Enden in gleichen Entfernungen vom Punkte in der Mitte gleiche Gewichte anhängt. In der gegebenen Vorstellung hat man einen einfachen Hebel, an welchem der unterstützte Punkt der Unterstützungspunkt oder Drehpunkt, auch (griech.) Hypomochlion heißt; die Punkte, an welchen die Gewichte hängen, welche letztere durch jede andere in derselben Weise wie sie wirkende Kraft ersetzt werden können, die Angriffspunkte, und endlich die Entfernungen der Angriffspunkte von dem Unterstützungspunkte die Arme des Hebels genannt werden. Es ist ferner klar, daß, wenn man das eine Ende des Hebels stärker belastet als das andere, das stärker belastete herabsinken und dadurch das andere emporgehoben werden muß. Eine ähnliche Wirkung muß sich ergeben, wenn man den Unterstützungspunkt des auf beiden Seiten gleich belasteten Hebels verrückt, es wird dann nämlich diejenige Seite, welcher der längere Arm entspricht, schwerer als die andere, und jene muß sinken, diese steigen. Vermehrt man nun das gegen den kürzern Arm wirkende Gewicht um so viel, daß das Misverhältniß, welches durch die Veränderung der Hebelarme hervorgebracht wurde, wieder aufgehoben wird, so geht der Hebel in die horizontale Stellung zurück. Man kann sowol mathematisch beweisen, als auch durch Versuche darthun, daß der Hebel stets eine horizontale Stellung annimmt, oder, wie man sich ausdrückt, im Gleichgewicht ist, wenn das gegen den einen Arm wirkende Gewicht multiplicirt mit der Länge dieses Arms gleich ist dem gegen den andern Arm wirkenden Gewicht multiplicirt mit der Länge des andern Arms, oder, was Dasselbe, wenn die Kräfte im umgekehrten Verhältnisse gegen die Entfernungen der Angriffspunkte von dem Unterstützungspunkte stehen. Hat man also z.B. einen Hebel, dessen eines Gewicht A ist während das andere B nur den dritten Theil von jenem wiegt, so wird Gleichgewicht stattfinden, wenn der Arm, an welchem B hängt, dreimal so lang ist als der Arm, gegen welchen A wirkt, denn dann ist die angegebene Gleichgewichtsbedingung erfüllt. Wird das gegen den einen Arm wirkende Gewicht durch eine irgendwie angebrachte Kraft ersetzt, so muß diese Kraft, um das Gleichgewicht zu erhalten, offenbar ebenso viel leisten, wie das von ihr zu ersetzende Gewicht. Ist daher F der Unterstützungspunkt, der so angebracht ist, daß der eine Hebelarm dreimal so lang als der andere ist, so muß eine am langen Hebelarm ziehende Hand, damit der Hebel in horizontaler Lage bleibt, eine Kraft anwenden, welche im Stande ist, ein Gewicht zu ersetzen, welches dem dritten Theile von R gleichkommt. Wirkt die Hand nur etwas stärker, so wird sie R in die Höhe heben. Man sieht, wie man mit jeder Kraft eine beliebige vielmal stärkere Last zu bewältigen im Stande ist, wenn man sich eines Hebels bedient, dessen einer Arm ebenso viel mal länger als der andere ist. Hat man einen Überschuß an Kraft, so tritt Bewegung ein und da diese um das Hypomochlion als um einen Drehpunkt geschieht, so beschreiben die beiden Angriffspunkte des Hebels Kreisbogen. Sinkt z.B. B nach D, so steigt A nach E, oder steigt B nach F, so sinkt A nach C. Hierbei beschreibt jedesmal B eine längere Linie als A und im Allgemeinen muß sich bei der Drehung eines Hebels der Angriffspunkt des längern Arms schneller bewegen, als der Angriffspunkt des kürzern Arms. Ein schnell bewegter Punkt braucht zur Zurücklegung eines gewissen Wegs kürzere Zeit als ein langsamer bewegter Punkt. Bei genauerer Untersuchung findet man, daß man beim Hebel durch Verlängerung desjenigen Hebelarms, gegen welchen die Kraft wirkt, ebenso viel an Kraft gewinnt, als man an Zeit verliert, d.h. daß, um die auf dem kürzern Hebelarme ruhende Last um eine gewisse Höhe zu heben, der Angriffspunkt des längern Hebelarms einen so viel mal größern Weg zurückzulegen hat, wie vielmal der längere Hebelarm den kürzern an Länge übertrifft. Außer dem erwähnten Hebel, welcher der zweiarmige genannt wird, gibt es noch einen andern, den einarmigen. Bei diesem ist der Unterstützungspunkt an einem Ende, z.B. bei F, angebracht, und die Angriffspunkte liegen in verschiedenen Abständen von F. Um den Hebel in horizontaler Lage zu erhalten, dürfen hier die beiden Kräfte nicht demselben Sinne wirken, wie dieses beim zweiarmigen Hebel [348] der Fall war, sondern wenn die eine nach unten zieht, muß die andere nach oben ziehen, wie die vorstehenden Figuren dieses erläutern. Auch bei dieser Art von Hebeln wird aber das Gleichgewicht hergestellt, wenn die Kräfte im umgekehrten Verhältnisse gegen die Entfernungen der Angriffspunkte von dem Unterstützungspunkte stehen. Eine bloße Abart des zweiarmigen Hebels ist der sogenannte Minkelhebel, für welchen die oben schon angegebenen Gesetze gelten. Die Arme desselben treffen am Unterstützungspunkte in einem Winkel zusammen. Minder wirksam sind die Kräfte, wenn sie nicht, wie bisher immer angenommen wurde, senkrecht, sondern schief gegen die Hebel gerichtet sind.

Eine der einfachsten und häufigsten Anwendungen des Hebels ist der gewöhnliche Hebebaum und das Brecheisen, eine einfache Stange von Holz oder Eisen. Man bedient sich desselben zum Heben großer Lasten. Wird der Hebebaum mit der Spitze unter die Last gelegt, dann ein Stein oder irgend ein anderer fester Körper untergelegt und das andere Ende herabgedrückt, so hat man einen zweiarmigen Hebel, dagegen einen einarmigen, wenn der Hebebaum unter die Last geschoben und das entgegengesetzte Ende emporgehoben wird. Zusammengesetzter ist schon die sogenannte Heblade, bei welcher eine Vorrichtung angebracht ist, um den Unterstützungspunkt des einen zweiarmigen Hebelarm bildenden Hebebaums allmälig immer höher zu legen. Man kann mittels derselben Lasten auf eine größere Höhe bringen und bedient sich derselben z.B., um Bäume auf die Wagen zu bringen, auf denen sie transportirt werden sollen. Die Scheere, wie die Zange, besteht aus zwei Hebeln, deren gemeinschaftlicher Unterstützungspunkt die Niete bildet. Bei einem Schlüssel ist der Bart der eine Hebelarm, der Griff der andere längere Arm, und beide Arme sind durch die Stange fest verbunden und in diese Stange fällt der Unterstützungspunkt des Hebels. Es würde viel zu weitläufig sein, alle Instrumente, welche auf den Hebel sich zurückführen lassen, anzugeben, es sind dieses die meisten, bei deren Anwendung mit einer verhältnißmäßig geringen Kraft eine große Last bewältigt wird.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 348-349.
Lizenz:
Faksimiles:
348 | 349
Kategorien:

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.

112 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon