Joseph [1]

[509] Joseph war der Sohn Jakob's und seines geliebten Weibes Rahel, und wurde von dem Vater seinen ältern Brüdern vorgezogen, weil er ihm erst im Alter und nach langer Unfruchtbarkeit der Rahel geboren worden war. Die Auszeichnung und der Übermuth des Knaben empörte seine Brüder wider ihn, und als er daher einmal, von seinem Vater ausgeschickt, vor ihnen, welche mit den Heerden ausgezogen waren, erschien, wollten sie ihn ermorden. Aber Ruben wollte ihn erretten und bewog die Brüder, ihn in eine Cisterne zu werfen, aus welcher ihn Ruben nachher hervorzuziehen dachte. Indeß kamen ismaelitische Kaufleute, welche mit Gütern nach Ägypten zogen, und auf den Rath Juda's wurde I. an diese verkauft und von ihnen mit nach Ägypten genommen. Die Brüder aber hatten dem I. den schönen Rock ausgezogen, mit dem ihn sein Vater geschmückt hatte, tauchten denselben in das Blut eines Bocks und schickten ihn an den Vater, welcher glauben mußte, sein Sohn sei von einem wilden Thiere zerrissen worden. I. wurde von den Kaufleuten an Potiphar, den Kämmerer des ägypt. Königs, verkauft, der ihn bald vor seiner ganzen Dienerschaft, auszeichnete, und ihn über sein Hauswesen setzte. Aber die buhlerische Frau des Potiphar wollte den I. zur Untreue an seinen Herrn verführen, und als er ihre Liebe zurückwies und ihren Umarmungen entfloh, hielt sie ihn am Mantel, welchen er in ihren Händen zurückließ. Sie dachte den ihr angethanen Schimpf zu rächen, schrie also nach Hülfe und sagte, I. habe ihr Gewalt anthun wollen, sei auf ihr Geschrei aber entwichen und habe den Mantel bei ihr zurückgelassen, an dem sie ihn festzuhalten gesucht habe, damit er der Strafe nicht entgehe. I. wurde nun von seinem Herrn in das Gefängniß geworfen. Auch hier erwarb sich I. das Wohlwollen des Aufsehers über das Gefängniß und es machte Aufsehen, als die Auslegungen, welche er den Träumen zweier Gefangenen gab, eintrafen. Zwei Jahre nachher hatte der König Pharao den bekannten Traum von den sieben fetten und den sieben magern Kühen, welchen die Weisen und Wahrsager Ägyptens nicht auszulegen vermochten. Da erinnerte sich einer jener Gefangenen, an denen die Traumdeutung des I. in Erfüllung gegangen war, an diesen und erzählte von ihm dem Pharao. Dieser ließ den I. kommen und erhielt von ihm die Deutung, daß nach sieben fetten und fruchtbaren Jahren sieben magere und unfruchtbare Jahre über Ägypten kommen würden, und er möge daher in den fetten Jahren sammeln, damit in den magern das Land nicht Mangel leide. Der König übertrug nun dem I. diese Sorge und ehrte ihn hoch, gab ihm die Tochter eines ägypt. Großen zum Weibe und nannte ihn einen Vater des Landes; der Traum aber traf ein, wie ihn I. gedeutet hatte. Als nun die sieben Hungerjahre kamen, erhielten die Ägypter aus I.'s Magazinen Getreide, und auch in Kanaan mußte Mangel sein, denn Jakob schickte seine Söhne, mit Ausnahme des jüngsten, des Benjamin, nach Ägypten, um Getreide zu kaufen. Diese kamen vor I., den sie nicht kannten, während er sie gar wohl erkannte, sich aber verstellte und sie als Spione behandelte. Er erkundigte sich nach ihrem Vater Jakob und Bruder Benjamin und entließ sie endlich mit Getreide, behielt aber den Simeon gefangen zurück und sagte, derselbe solle nicht eher loskommen, bis die Brüder zurückgekehrt wären und den Benjamin mitbrächten, zum Beweise, daß sie nicht Spione waren. Nach langem Weigern und als die Noth drang, neues Getreide zu kaufen, ließ endlich Jakob seine Söhne mit Benjamin wieder nach Ägypten ziehen. I. nahm die Brüder freundlich auf und nachdem er sie geprüft, gab er sich ihnen zu erkennen, vergab ihnen und foderte sie auf, mit ihrem Vater und allen ihren Kindern, Gesinde und Gütern nach Ägypten zu kommen, wo sie mit des Königs Bewilligung in dem fruchtbaren Lande Gosen wohnen sollten. So kam Jakob mit seinen Nachkommen nach Ägypten, von wo diese später, nachdem ein bedeutendes Volk aus ihnen geworden, durch Moses (s.d.) wieder ausgeführt wurden. Durch I.'s Einrichtung kam aber alles Geld und Land in Ägypten an den Pharao, denn die Ägypter mußten Alles hingeben, um nur Getreide zur Fristung des Lebens zu erhalten. Nur die Priesterkaste wurde geschont. Nachdem Jakob gestorben war und vor seinem Tode den Söhnen I.'s, Ephraim und Manasse, gleiche Rechte mit seinen eignen Söhnen zuerkannt hatte, begrub ihn sein Sohn I., wie er ihm gelobt hatte, im Lande Kanaan, da, wo auch Abraham und Isaak begraben lagen. I. aber lebte 110 Jahre und als er starb, weissagte er seinen Brüdern den Auszug aus Ägypten nach Kanaan und trug ihnen auf, alsdann seine Gebeine mit nach dem gelobten Lande zu nehmen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 509.
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