Moses

Moses
Moses

[197] Moses, Heerführer und Gesetzgeber der Israeliten, Sohn Amram's und der Jochebeth aus dem Stamme Levi, ward 1600 v. Chr. in Ägypten geboren und von seiner Mutter, um den Befehl des Pharao, nach welchem alle männliche Geburt der Hebräer in den Nil geworfen werden sollte, zu umgehen, in einem Rohrkästchen in das Uferschilf des Nils ausgesetzt.

Hier ward das Kind von einer lustwandelnden ägypt. Prinzessin gefunden – Thermuthis nennt sie die Sage, – die es ans Ufer bringen, durch eine herbeigerufene hebräische Säugamme, die zufällig des Kindes Mutter war, auferziehen ließ und es später selbst an Kindesstatt zu sich an den Hof nahm. Von ihr erhielt auch M. seinen Namen, der »aus dem Wasser gezogen« bedeutet. Der Aufenthalt am Hofe bildete M.'s fähigen Geist und bereicherte ihn mit den mannichfaltigsten Kenntnissen, da vielleicht selbst ägypt. Priester, die allein im Besitz der Wissenschaft jener Zeit waren und aus deren Mitte die kön. Familie genommen war, für seinen Unterricht sorgten, doch wird hiervon im A. T. nichts erwähnt. Dagegen berichtet die Sage, daß er in aller Weisheit der Ägypter nicht nur durch ägypt., sondern auch durch ausländische Lehrer unterrichtet worden sein, als Knabe durch bezaubernde Schönheit sich ausgezeichnet und als Jüngling mit einem ägypt. Heere einen Kriegszug nach Äthiopien unternommen haben, bis Meroe vorgedrungen sein und sich daselbst mit der äthiop. Prinzessin Tharbis vermählt haben soll, die, von Liebe zu dem männlich schönen Jünglinge ergriffen, ihm die Thore dieser festen Stadt geöffnet hatte. Erst nachdem M. zum Manne herangereift ist, erscheint er wieder in der Mitte seiner hartbedrängten Landsleute, um sie gegen den Druck der ägypt. Frohnvögte zu schützen. Als er aber einstmals einen derselben wegen der harten Behandlung eines Israeliten in aufwallender Hitze erschlug und die bald ruchbar gewordene That sein Leben bei dem König in Gefahr brachte, sah er sich zur schleunigen Flucht in die angrenzende arab. Wüste genöthigt, wo er bei einem midianitischen Nomadenhaupte einen sichern Aufenthalt fand und dessen Tochter Zippora zum Weibe erhielt. Die Lebensweise der Wüste theilend, weidete jetzt M. die Heerden seines Schwiegervaters am Horeb; in der Einsamkeit und Freiheit des Hirtenlebens mit Nachdenken über sein und seiner Brüder Schicksal beschäftigt, erwachte aber in ihm der Gedanke, der Befreier seines schmählich unterdrückten Volkes zu werden. Lange schwankte er indessen, ob er sich auch, vorzüglich bei seinem Mangel an Rednergabe, einem solchen Vorhaben unterziehen sollte, bis ihn endlich unweit des Gottesberges Horeb eine wunderbare Erscheinung, ein brennender Busch, nach dem Glauben seiner Zeit ein Zeichen der gegenwärtigen Gottheit, aus welchem Jehovah ihm ermuthigend seine Befehle mittheilte, zur Gewißheit über seinen hohen Beruf brachte.

Weib und Kind verlassend, kehrte er, 80 Jahre alt, nach Ägypten zurück, wo er, unterstützt von seinem jüngern und beredtern Bruder Aaron, den Stammhäuptern seines Volkes sein Vorhaben eröffnete und bald darauf vom Könige [197] für die Kinder Israel die Erlaubniß zu einem dreitägigen Zuge in die Wüste, um daselbst ihrem Gotte zu opfern, auszuwirken suchte. Den Trotz und die Hartnäckigkeit, womit ihm dies der König verweigerte, besiegte M. endlich dadurch, daß er die sogenannten Plagen, die sämmtlich natürliche Erscheinungen und Zustände Ägyptens anzugehen scheinen, nur daß sie ins Unermeßliche vergrößert, den Anstrich des Wunderbaren haben, für Strafgerichte Jehovah's erklärte, was den König bewog, den Israeliten den Auszug zu verwilligen. Eine Volksmenge, die 600,000 [198] streitbare Männer zählte, machte sich unter Anführung M.'s zur Abreise fertig, denn zu solcher Zahl war binnen 300 Jahren die Familie Jakobs angewachsen. Den Abend vorher hatte M. zum ewigen Andenken das Passahfest (s.d.) angeordnet und den Israeliten so viel von den Ägyptern zu borgen befohlen, als sie nur immer bekommen könnten. Die Ägypter drängten zur Abreise, bereuten es aber nachher dergestalt, daß der König mit aller Heeresmacht den Ausgewanderten bis an den arab. Meerbusen nachsetzte, durch den M. die Seinen an einer schmalen Stelle während der Ebbe hindurchführte und wo durch die eintretende Flut die nachsetzenden Ägypter ihren Untergang fanden. Nach vielen Kämpfen mit dem störrischen, der Beschwerden der Wüste noch ungewohnten Volke, gelangte M. im dritten Monate an den Berg Sinai, wo er das Volk lagern ließ, den von Alters her heilig gehaltenen Gipfel desselben bestieg und ihm Gesetze gab, die nach M. mit Gottes eignem Finger auf zwei steinerne Tafeln geschrieben, mithin als die unmittelbaren Gebote Gottes anzusehen waren. Es sollte dadurch ein verwildertes, an Knechtschaft, später an Herumstreifen gewöhntes Volk von der niedern Stufe des Nomadenlebens zu der höhern eines ackerbautreibenden erhoben und die Verehrung des einzigen, wahren Gottes unter ihm wirksam gemacht und erhalten werden. Beides erreichte er durch die innige Verbindung des Bürgerlichen mit dem Religiösen in der Verfassung, indem er Gott selbst zum König des neu zu gründenden Staats, die Israeliten aber zu seinem heiligen Eigenthume, zu einem Volke Gottes machte. So wurde jede gesetzwidrige Handlung zugleich eine bürgerlich strafbare Versündigung an Jehovah und der Götzendiener Majestätsverbrecher; so flößte er dem verzagten Volke Muth ein und schützte seine Freiheit gegen die gewaltsame innere Herrschaft. Von dem zu erobernden Lande vermachte er jeder israelitischen Familie einen für alle Zeiten unveräußerlichen Antheil, wodurch zugleich die Bildung eines Adel- und Bürgerstandes ausgeschlossen und das Übermaß des Reichthums wie der Armuth verhindert werden sollte. Die Regierung der aus 12 Stämmen bestehenden Republik übertrug er den Stamm-und Familienhäuptern, welche dem obersten Ansehen des Richters untergeordnet waren, die Sorge für das religiös-sittliche Leben aber, die Rechtspflege und die innere Ruhe des Staats einem Stande der Priester, wozu er den ganzen Stamm Levi bestimmte, dem er den zehnten Theil des ganzen Landesertrags zum Unterhalte anwies und deren Oberhaupt als Hoherpriester das heilige Werkzeug war, durch das Gott seine Befehle dem Volke offenbarte, welches der gemeinschaftliche Gottesdienst in der Stiftshütte und drei jährliche hohe Feste innerlich fest vereinigen sollten. Der Glaube an ein gerechtes und heiliges Wesen, das ewig in sich selbst, allmächtig über dem Leben der Menschen waltet und den Guten in dem Maße mit irdischen Glücksgütern segnet, wie es den Bösen den Fluch des Elends und der Armuth treffen läßt, ist der Grundgedanke der Mosaischen Religion. Die Tugend erscheint als die höchste Bestimmung des Menschen; aber sie ist nicht das Bild des Lebens, in welchem sich überall die Liebe zum Guten spiegelt, sondern sie ist die Frucht strenger Vollziehung der Gesetze. Diese und die Beobachtung einer Menge äußerlicher Handlungen, wie Opferungen, Waschungen, Reinigungen, waren die Haupterfodernisse, wodurch der Israelit als Verehrer Gottes und als treuer Unterthan dem Schöpfer der Welt und dem König seiner Nation seine ehrfurchtsvolle Unterwürfigkeit, seine Dankbarkeit und die fleckenlose Reinheit seines Lebens bezeigen sollte.

In der Feststellung und Sicherung des Mein und Dein, der Rechte, die der Mensch an Eigenthum, Ehre, Freiheit und Leben hat, muß man in M. ebensowol den weisen und umsichtigen als den milden Gesetzgeber seiner Zeit anerkennen, die fast nur den Besitz irdischer Güter kannte. Ebenso vollständig erschöpft er alle Verhältnisse des israelitischen Volkslebens und von dem kleinsten Diebstahl bis zum Mord und zur Gotteslästerung ist ihm nichts entgangen, worüber er nicht scharfe Bestimmungen der Gesetze gegeben hätte. So beschränkte er z.B. den Wucher, indem er gebot, Kleider, Mühlsteine u.s.w., die als Pfand gegeben waren, vor Sonnenuntergang zurückzugeben; so verordnete er durch die Einführung des Erlaßjahres, daß aller sieben Jahre jedem Schuldner aus der Nation die Schuld erlassen, und durch die des Jubeljahres, daß alle siebenmal sieben Jahre alles verkaufte Eigenthum an das Geschlecht zurückgegeben würde, dem es gehört hatte. Mild und menschlich, hat er die Menschenwürde auch in Sklaven und Frauen geehrt, keine marternden Todesstrafen, keine Folter als Beweismittel, keine die Lebenden entehrenden Strafen festgestellt und dem unvorsätzlichen Mörder am Altar eine Freistätte gelassen. Die Ehe schätzte er höher als irgend ein alter Gesetzgeber, weil auf der häuslichen Ordnung zugleich die öffentliche beruht; Achtung des Alters und Mildthätigkeit gegen Arme und Nothleidende, selbst Wartung und Pflege der Thiere macht er zu heiliger Pflicht, sodaß überall die sittliche Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Alle diese religiös-bürgerlichen Gesetze und Verordnungen hatte M. theils auf die Naturgesetze gegründet, wie das Gebot der Waschungen und Reinigungen; theils auf uraltes Herkommen der Hebräer, wie die Verehrung eines einzigen Gottes und das Recht der Erstgeburt; theils auf ägypt. Verfassung, wie die Ländervertheilung und den Stand der Priester; theils auf die neuen Bedürfnisse und die Denkungsart des zu bildenden Volkes. In Allem aber zeigt sich der selbständige Geist M.'s, der, seinen Zweck verfolgend, dem Vorhandenen seine eigenthümliche Gestalt gab. Daß jedoch die Mosaische Gesetzgebung manche Unvollkommenheiten an sich trage, daß sie insbesondere das Volk von andern Völkern engherzig abgesondert, daß sie den Werth der Tugend nach irdischen Glücksgütern gemessen, die Religion und innere Frömmigkeit in einen Hofdienst der Gottheit und eine äußere Werkthätigkeit verwandelt habe, läßt sich ebenso wenig in Abrede stellen, als sich leugnen läßt, daß der Mensch nur stufenweise zur höhern Bildung fortschreite, M. aber eben darum für seine noch im Aberglauben und sittlicher Verwilderung begriffene Zeit Außerordentliches geleistet habe, weil er sie diesem Ziele näher führte und durch seine religiös-sittlichen Grundsätze die Keime zu einer allgemeinen Bildung der Menschheit legte.

Den neuen israelitischen Staat selbst sah M. nicht emporblühen, denn die der Eroberung des gelobten Landes nicht gewachsene Generation mußte erst durch ein 38 Jahre langes Herumziehen in der Wüste untergehen, bevor es ihm gelang, mit einem herangewachsenen kräftigern Geschlechte durch die Umgehung des Edomiterlandes und mehre Siege über die dort wohnenden Völkerschaften sich Palästina zu [199] nahern. Aber hier im Angesichte des ersehnten Landes traf ihn, 120 Jahre alt, der Tod, nachdem er zuvor noch von einem Berge am todten Meere seinen Blick an den anmuthigen Bergen und Thälern desselben geweidet und das Heerführeramt in die Hände des kräftigen Josua (s.d.) niedergelegt hatte. Seine Grabstätte blieb Geheimniß, um der abergläubischen Verehrung seiner Gebeine vorzubeugen. Durch Das, was M. für das israelitische Volk that und vollbrachte, ist er einer der größten Männer des Alterthums und selbst ein Wohlthäter der Menschheit geworden; besonderes Erdenglück war ihm jedoch nicht vergönnt, da ihn die h. Schrift einen über alle Menschen geplagten Mann nennt. In den uns von M. hinterlassenen Schriften, welche als die fünf Bücher Mosis, daher griech. Pentateuchos genannt, den Eingang des A. T. bilden, hat M. selbst die Uranfänge der Menschengeschichte, insbesondere aber die Geschichte seines Volkes beschrieben. Sie werden allgemein für die ältesten schriftlichen Denkmale gehalten und zeichnen sich durch Einfachheit der Schreibart und einen kindlich-frommen Glauben aus, obwol auch Späteres in sie aufgenommen worden ist, wie denn z.B. sein eigner Tod darin erzählt wird. M. war auch mehrfach Gegenstand künstlerischer Darstellungen, unter denen die vorn abgebildete Bildsäule von Michel Angelo (s.d.) die gelungenste und berühmteste ist. – Der hier abgebildete Granitfelsen in der von den aus Ägypten kommenden Juden durchzogenen Wüste wird von den Bewohnern derselben noch immer als sogenannter Mosesstein oder derjenige bezeichnet, welchen M. nach der h. Schrift, als einst großer Mangel an Trinkwasser war, auf des Herrn Geheiß mit seinem Stabe berührte und aus dem alsbald Wasser floß.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 197-200.
Lizenz:
Faksimiles:
197 | 198 | 199 | 200
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon