Karlstadt

[566] Karlstadt wurde nach seinem Geburtsorte in Franken Andreas Bodenstein genannt, welcher sich zur Zeit der Kirchenreformation bekannt gemacht hat. Derselbe war ein gelehrter Mann, Archidiakonus, Kanonikus und Professor der Theologie zu Wittenberg, und unterstützte kräftig das von Luther begonnene Reformationswerk. Zu Leipzig hielt K. mit Dr. Eck 1519 eine berühmt gewordene Disputation über die Lehre von der göttlichen Gnade, indem K. die streng Augustinische Lehre vertheidigte. Als Luther 1520 vom Papste in den Bann gethan wurde, so traf dieser auch K. als einen Anhänger Luther's. K. appellirte nun öffentlich vom Papst an ein allgemeines Concilium. Mit großem Eifer trat K. auf, sprach sich namentlich für die Ehe der Geistlichen aus und ging endlich, während Luther auf der Wartburg verborgen war, so weit, daß es zu tumultuarischen Auftritten kam. Bei Gelegenheit des Weihnachtsfestes 1521 begann K. in der Schloßkirche zu Wittenberg die Messe in deutscher Sprache abzuhalten, das Abendmahl in beiderlei Gestalt auszutheilen, die Beichte wegzulassen und das Volk [566] zur Zerstörung der Beichtstühle, Altäre und Heiligenbilder anzuleiten. Als Luther von diesen Unordnungen Kunde erhielt, verließ er, ohne erst die Erlaubniß des Kurfürsten eingeholt zu haben, die Wartburg und kehrte nach Wittenberg zurück, wo es ihm auch bald gelang, die Ordnung wiederherzustellen. K. hielt zwei Jahre lang Ruhe, im J. 1524 aber begab er sich nach Orlamünde, vertrieb den Pfarrer und wiederholte mit dem von ihm aufgeregten Volke die frühern Auftritte, sodaß sich Luther genöthigt sah, in Jena gegen dieselben zu predigen. Nun trat auch K. gegen Luther in Wort und Schrift auf, und weil er schon vorher mit den Bilderstürmern in Zwickau und den Ruhestörern in Mühlhausen in Verbindung getreten war, so verbannte ihn der Kurfürst von Sachsen aus seinem Lande. K. trat besonders in der Lehre vom Abendmahl Luther entgegen, indem er die leibliche Gegenwart Christi im Abendmahl bestritt. Da Zwingli auf K.'s Seite trat, so entstand hieraus die Trennung der reformirten und protestantischen Kirche. Unstät und flüchtig, in das tiefste Elend versunken, irrte K. in Deutschland umher und mußte endlich Luther selbst um Hülfe bitten. Dieser verschaffte ihm auch, nachdem K. versprochen hatte, seine abweichenden Ansichten ferner bei sich zurück zu behalten, eine Zufluchtsstätte in Kemberg, wo er fast drei Jahre, mit Feldbau und einem kleinen Handel sich nährend, lebte. Bald aber fing er neue Unordnungen an und entwich endlich 1528 nach der Schweiz, wo er erst Pfarrer zu Altstädt am Rhein, 1530 Diakonus zu Zürich und endlich 1531 Prediger und theologischer Professor zu Basel wurde, fortan ein ruhiges Leben führte und 1541 oder 1543 starb. Wie unbesonnen auch die Art war, in welcher K. auftrat, so ist doch anzuerkennen, daß er nur von redlicher Begeisterung für die Wahrheit, welche er erkannt zu haben glaubte, sich hinreißen ließ.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 566-567.
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