[5] Abendmahl (heiliges), auch Sacrament des Altars, Communion oder Tisch des Herrn, ist ein von Christus zu seinem Gedächtniß angeordneter und in der christlichen Kirche zu den Sacramenten gerechneter heiliger Gebrauch.
Als Jesus Christus drei Jahre lang durch Wort und That zum Heile der Welt gewirkt, und dadurch die eigennützigen israelit. Priester, Schriftgelehrten und Pharisäer aufs Äußerste gegen sich erbittert hatte, ging er mit seinen vertrauten Jüngern nach Jerusalem, um dort mit ihnen, nach jüdischem Gesetze, das Passahmahl zu halten. Seiner ausdrücklichen Erklärung nach fest überzeugt, daß die Zeit gekommen, wo seine Feinde ihn zu verderben beabsichtigten, war er fest entschlossen, sein Leben zum Heile der Menschheit zu opfern. Mit Vorbedacht hatte er Zeit, Ort und Umstände dazu ausersehen, noch zuletzt durch eine recht überzeugende Handlung seinen Zeitgenossen zu zeigen, daß er gekommen sei, den Opferdienst des mosaischen Bundes ganz aufzuheben, und den von ihm durch Lehre und Leben begründeten neuen Bund oder das Neue Testament, mittels seines Blutes oder Todes zu befestigen. Von diesen Vorstellungen tief ergriffen, als er des Abends beim letzten gemeinschaftlichen Mahle mit seinen Jüngern zu Tische saß, sprach er daher zu diesen: »Mich hat herzlich verlangt, dies Osterlamm mit euch zu essen, ehe denn ich leide;« und unter den rührendsten Ermahnungen, nach seinem Tode Treue und Beständigkeit im Glauben zu beweisen, gebot er ihnen aufs Eindringlichste, einander immer von ganzem Herzen zu lieben, gleichwie er sie liebe. Als nun die Jünger, durchdrungen von inniger Liebe, Wehmuth und Bangigkeit, noch um ihn saßen, weihete er durch ein Gebet das in dünnen Scheiben vor ihm liegende ungesäuerte Brot und den Wein, brach dann das Brot und sprach in tiefergreifender Beziehung auf seinen nahen Tod die feierlichen Worte: »Nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches thut zu meinem Gedächtniß.« Desgleichen nahm er den Kelch und sprach: »Trinket Alle daraus. Das ist das Neue Testament [5] in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Solches thut, so oft ihrs trinket, zu meinem Gedächtniß.« Wie dieses Gebot an sich schon bei den Jüngern dem Bedürfnisse ihrer Herzen entsprach, so blieb ihnen auch die gebotene Handlung ein bedeutungsvoller Brauch, durch welchen sie ihren nicht mehr unter ihnen weilenden Herrn ganz, wie er war, in allen Beziehungen sich aufs Lebhafteste vergegenwärtigen, und einander zu gleicher Liebe und Treue erwecken und im Glauben stärken konnten. In ihren Versammlungen hatten sie nur ihn vor Augen; sie waren seiner und der Anordnung, sein Gedächtniß im Genusse gesegneten Brotes und Weines zu feiern, bei ihrer täglichen Hauptmahlzeit, dem Nachtmahle, ebenso lebendig eingedenk, wie seines Gebotes, einander zu lieben, gleichwie er sie geliebt hatte. Dies thätig zu beweisen, hielten die ersten Christen, besonders am Sonntage Abends, in ihren Häusern Versammlungen, und endeten diese mit einem Bruder-oder Liebesmahle, zu dem ein Jeder mitbrachte, was er konnte und wollte; am Schlusse des gemeinschaftlichen Mahles trat dann ein geachtetes Glied der Gemeinde oder ein Lehrer auf, und weihete durch ein Gebet den noch vorhandenen Rest vom mitgebrachten Brot und Weine. Mit Wiederholung der Worte, welche Christus bei der Anordnung dieser heiligen Handlung gebraucht hatte, ließ er dann das geweihte Brot und den Wein den Anwesenden im Namen Jesu darreichen. Diese aber genossen Beides mit andächtigem Sinne, als Stärkungs- und Belebungsmittel ihres Glaubens. Als später die Zahl der Gemeinden, und in denselben die der Mitglieder bedeutend sich vermehrte, mußten zwar die Liebesmahle abgestellt werden; allein die Feier des heiligen Abendmahls am Schlusse christlicher Versammlungen ward in der früher gewohnten Weise überall beibehalten. Jedoch nur völlig unterrichtete, durch die Taufe in die Geheimnisse des Glaubens schon eingeweihte Christen durften am Genusse desselben Theil nehmen oder communiciren. Den noch nicht getauften Christenlehrlingen oder Katechumenen und den Kindern ward vorher zugerufen: Gehet hinweg! Die Versammlung ist entlassen! Dies geschah in lateinischer Sprache mit der Formel: »ite, missa est«, woraus die spätere Benennung der Abendmahlsfeier: Missa oder Messe entstanden ist.
Bei dem Genusse dieses heiligen Mahles fühlte und dachte anfangs wohl Jeder der Theilnehmenden nach dem Bedürfnisse und der jedesmaligen Stimmung seines frommen Herzens eine, oder mehre der vielen segensvollen Beziehungen, welche sich anknüpfen ließen; denn bei den vielerlei mehr oder weniger fruchtbaren Ansichten und Gesichtspunkten, aus denen das heilige Abendmahl zu betrachten ist, konnte sich anfangs noch kein vorherrschender Begriff besonders geltend machen. Allein die bei Juden und Heiden gebräuchlichen Opfer waren ihrem. Sinne nach dem Abendmahle zu ähnlich, als daß nicht sehr bald die Proselyten, d.h. die zum Christenglauben Übergegangenen diese Opferideen auf die Feier des heiligen Abendmahles hätten anwenden und vor allen übrigen hervorheben sollen. Es ward daher gewöhnlich, sich bei dem Abendmahle Jesum Christum und seine der Welt erwiesenen Wohlthaten nicht nur zu vergegenwärtigen, sondern hauptsächlich und insbesondere ihn, als das allerheiligste Versöhnungsopfer, nach seinem geopferten Leibe und Blute, in dem gesegneten Brote und Weine gegenwärtig und mittheilbar zu denken. Zugleich fing man an, die Feier des heiligen Mahles als ein tief verborgenes Geheimniß des Christenglaubens zu betrachten. Aus diesen, von frühern Kirchenlehrern vielfach ausgeschmückten Vorstellungen bildete sich im Laufe der Jahrhunderte, unter unaufhörlichen Widersprüchen streitender Parteien, die römisch-katholische Lehre vom heiligen Abendmahle, welche, nebst den dabei zu beobachtenden Gebräuchen oder Meßopfern, wie man es nannte, nach und nach durch päpstliche Verordnungen und durch Beschlüsse allgemeiner Kirchenversammlungen festgesetzt und zuletzt auf dem Concilium zu Trident zu glauben und zu beobachten streng geboten ward. Nach dieser allmäligen Ausbildung lehrt die römisch-katholische Kirche: Bei jeder Abendmahlsfeier findet das Wunder der Allmacht Statt. Durch die Weihung oder Consecration des Brotes und Weines, welche der Priester während des Absingens der vorgeschriebenen Meßgebete unter bedeutungsvollen Ceremonien verrichtet, bewirkt derselbe eine völlige Umschaffung und bleibende Verwandlung der Substanz des Brotes und Weines (Transsubstantiation) in die wirkliche Substanz oder das Wesen des Leibes und Blutes Christi, ob solches gleich mit den Sinnen nicht wahrzunehmen ist, sondern allein geglaubt werden muß. Den im Abendmahle wesentlich gegenwärtig gewordenen Christus bringt der Priester beim eigentlichen Meßopfer jedesmal aufs Neue als ein Versöhnungsopfer Gott dar für die Sünden, und zum Heile sowol der Lebenden, als auch, wie dies bei den Seelenmessen der Fall ist, der schon Verstorbenen, und genießt hierauf dieses Opfer bei der Communion, mit der daran theilnehmenden Gemeinde. Die ungesäuerte, aus seinem Weizenmehl gebackene Hostie in der Form dünner runder Scheiben mit dem Bilde des gekreuzigten Erlösers, auch Oblate genannt, ist und bleibt nach der Consecration der geopferte Leib Christi, und muß, wenn sie vorgezeigt oder am Feste des Frohnleichnams herumgetragen wird, als unblutiges Opfer, mit Gebet und fußfällig verehrt werden. Um aber von dem heiligen, in das Blut Christi verwandelten Weine nichts zu verschütten, hat der Priester den Kelch allein zu nehmen, und solchen für die Laien in der Gemeinde zu trinken. Diese dürfen daher das Abendmahl nur unter einerlei Gestalt, nämlich der des Brotes, genießen. Da viele Christen sich das Abendmahl unter beiderlei Gestalt nicht nehmen lassen wollten, so gab es heftigen Streit darüber, und in Böhmen entstand deshalb der greuelvolle Hussitenkrieg (1417–37.)
Die Christen der griechischen Kirche, welche von frühester Zeit an mit der römischen in Zwiespalt war, nehmen beim Abendmahle auch ein Meßopfer mit einer Umwandelung des Brotes und Weines an, doch diese blos als eine innerliche, im Glauben. Sie genießen Beides, das Brot und den Wein, allein jenes nur gesäuert, wie es früher allgemein geschah, in kleinen Stücken, diesen mit Wasser gemischt; auch reichen sie das heilige Abendmahl den Kindern, sobald diese nur getauft sind.
Die evangelischen Christen sind seit der Reformation in Deutschland und der Schweiz, durch Luther, Zwingli und Calvin, bei der Feier des heiligen Abendmahles so viel als möglich zu den frühesten Ansichten und einfachen Gebräuchen der Apostel und ersten Christen, nach der Anordnung Christi, zurückgekehrt; doch konnten sie sich über den Sinn der Einsetzungsworte nicht ganz einigen und trennten sich deshalb in die protestantische und in die reformirte Partei. Diese[6] betrachtete nämlich das Abendmahl als ein von Christo angeordnetes Erinnerungs- und Gedächtnißmahl, zu Erweckung und Stärkung des Glaubens, der Liebe und der Kraft zum Guten, das Brot und den Wein aber als bedeutungsvolle Zeichen oder Symbole des geistig zu genießenden Leibes und Blutes Christi. Dagegen glaubte die protestantische Kirche die Worte Christi: »Das ist mein Leib und Blut,« so verstehen zu müssen, daß man, beim Genusse des Brotes und Weines im Abendmahle Jesu Leib und Blut, und die durch ihn uns zu Theil werdenden Wohlthaten oder die Gnade Gottes im Glauben empfangen könne, doch ohne erklären zu wollen, wie Solches zugehe. Damit aber der unchristliche Streit über das heilige Abendmahl aufhöre, haben in neuern Zeiten beide Parteien in mehren deutschen Staaten sich, als evangelische Christen, kirchlich vereinigt, und genießen dasselbe gemeinschaftlich auf einerlei Weise. Mit Ausnahme der Quäker wird das heilige Abendmahl von der gesammten Christenheit als ein Förderungsmittel eines christlichen Lebens hochgeachtet. Jene hauptsächlich in Nordamerika verbreitete Secte aber hält dasselbe für überflüssig, und jede unter ihren Freunden genossene Mahlzeit für ebenso belebend zur Frömmigkeit.
Unter den vielfachen Darstellungen der Einsetzung des heiligen Abendmahles ist das vom florentinischen Maler Leonardo da Vinci, vor ohngefähr 350 Jahren, auf einer Wand des Refectoriums im Kloster der Dominikaner zu Mailand gemalte, jetzt aber sehr beschädigte Freskogemälde durch Schönheit und Kraft des Ausdrucks die ausgezeichnetste, weshalb wir oben eine Abbildung desselben gegeben haben.
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