[579] Kătarrh bezeichnet im weitern Sinne des Wortes einen meistens nur auf einen Theil der Schleimhäute des Körpers beschränkten Zustand von Gefäßreizung, wobei die grade befallene Schleimhaut sich auflockert, röthet und im Anfange einen dünnen und scharfen, später einen dicklichen, milden Schleim in größerer Menge als gewöhnlich absondert, bis nach und nach der natürliche Zustand zurückkehrt. Im engern Sinne versteht man unter Katarrh nur den durch Erkältung entstandenen der Schleimhäute, der Athmungs- und Schlingwerkzeuge, der Nase, des hintern Theiles der Mundhöhle, des Rachens, des Kehlkopfes, der Luftröhre und der Lungen – Schnupfen und Husten. Der Katarrh verläuft bald rascher, bald langsamer. In ersterm Falle wird er nicht selten von einem mit abwechselndem Frösteln und Hitze und großem Mattigkeitsgefühle beginnenden, und mit Kopfschmerz, Appetitmangel und schlechtem, unruhigem Schlafe verbundenen Fieber, Katarrhalfieber, begleitet, das sich nach 3–7 oder höchstens 14 Tagen durch vermehrte Hautausdünstung, sowie kritische Schleim- und Urinabsonderung meist glücklich zu entscheiden pflegt. Der einfachste und leichteste Katarrh der Luftwege äußert sich durch Heiserkeit oder doch mehr oder weniger unreine Stimme und durch Husten, wozu sich gewöhnlich noch einige Veränderung des Geruchs und Geschmacks, Trockenheit oder dünne, scharfe Absonderung der verstopften Nase, Abnahme der Eßlust, allgemeines Misbehagen, Wüstigkeit des besonders in der mittlern Stirngegend eingenommenen Kopfes und Mattigkeit gesellen. Der Nasen-Katarrh oder Schnupfen insbesondere beginnt mit einem Gefühle von Trockenheit, Hitze und Kitzeln in der Nase, die zugleich für den Durchgang der Luft unwegsam wird, was sich schon durch den eignen dumpfen Ton der Sprache verräth, mit öfterm Niesen, Drängen zum Schneuzen, dumpfem Kopfschmerze, Druck in den Augengruben, Röthung und unwillkürlichem Thränen der Augen, worauf sich ein dünner, scharfer Ausfluß aus der Nase einstellt, der nur bei einem höhern Grade von Entzündung der die Nase auskleidenden Schleimhaut ausbleibt, übrigens im weitern Verlaufe eine dickliche und mildere Beschaffenheit annimmt, womit sich die Krankheit entscheidet. Beruht der Schnupfen hauptsächlich auf einer Reizung der Schleimhaut im vordern und obern Theile der Nase, so gibt sich dies meist durch ungewöhnlich heftigen Kopfschmerz zu erkennen; hat er aber seinen Sitz vorzüglich gegen die hintern Nasenöffnungen hin, so belästigen den Kranken außer den schon genannten Beschwerden noch ein Gefühl von Völle im Rachen, häufiges Räuspern, Schwerhörigkeit, Sausen in den Ohren. Einen Katarrh des Kehlkopfes bezeichnen hauptsächlich Rauheit und Heiserkeit der Stimme, erschwertes Sprechen, öfteres Husten nach einem im Kehlkopfe empfundenen Kitzel, Gefühl von Vollsein in diesem u.s.w. Gewöhnlich sind beim Katarrh mehre der oben genannten Organe zugleich angegriffen. Im Allgemeinen ist der Katarrh ein unbedeutendes Übel, das nur durch Vernachlässigung und öftere Wiederkehr bedenklich werden kann. Viel kommt indeß für seine Bedeutung auf den Sitz desselben an; so hat z.B. ein Katarrh der Nase viel weniger zu sagen als ein Katarrh der Lungen. Wiederholen sich Katarrhe zu oft, so hinterlassen sie in der Regel eine große Schwäche, des von ihnen heimgesuchten Theiles. Eine besondere Anlage, von Katarrhen befallen zu werden, wird durch eine widernatürlich gesteigerte Empfindlichkeit und Empfänglichkeit theils der Schleimhäute selbst, theils der äußern Haut für äußere Einflüsse begründet und entwickelt sich entweder in Folge bereits früher überstandener Katarrhe und Hautkrankheiten oder auch ohne dies in Folge von Verzärtelung der Haut durch allzu warme Bekleidung, allzu sorgsames Hüten vor dem Witterungs-und Temperaturwechsel, Misbrauch warmer und schweißtreibender Mittel. Die nächste Veranlassung zur Entstehung von Katarrhen geben am gewöhnlichsten Erkältungen, besonders des Halses und der Füße, durch unvorsichtiges, vorzeitiges Ablegen gewohnter warmer, namentlich wollener Kleidungsstücke, oder plötzliches Entkleiden bei erhitztem Körper, unzeitiges kaltes Waschen und Baden, plötzliche Veränderung des Temperaturgrades der Atmosphäre, wechselnde, feuchte und kalte Witterung (daher Katarrhe am häufigsten im Frühjahre und Herbste vorkommen), durch den Aufenthalt in feuchten oder eben gescheuerten Wohnungen und Stuben. Außerdem werden Katarrhe noch erzeugt durch das Einathmen scharfer Dünste, [579] z.B. in frischgeweißten Wohnungen, Laufen und Reiten gegen den Wind, zu starke Anstrengung im Sprechen, Singen u.s.w. Was die Behandlung des Katarrhs im Allgemeinen anlangt, so ist, um alle Veranlassungen zu neuen Erkältungen zu vermeiden, ein gehöriges, jedoch nicht übermäßiges Warmhalten, namentlich des Halses und der Füße, sehr zweckmäßig, und zu diesem Behufe bei nur einiger Heftigkeit des Katarrhs und rauher Witterung die Stube, wenn auch nicht grade das Bette zu hüten. Von selbst versteht sich übrigens, daß, da jeder Katarrh auf einer Gefäßreizung der betreffenden Schleimhaut beruht, von Speisen und Getränken alle diejenigen gemieden werden müssen, welche aufregen oder erhitzen können, wie Wein, Bier u.s.w. Dagegen sind eine einfache, wenig nährende, reizlose Kost und in reichlicher Menge genossene verdünnende oder schleimige Getränke zulässig. Ost bedarf es gar keiner eigentlichen Arzneien, oft reichen schon die Hautausdünstung befördernde Theeaufgüsse von Fliederblumen, Kamillen, ableitende Hautreize, ein Senfteig, ein Meerrettigpflaster, eine spanische Fliege auf die Brust hin, den ganzen Krankheitszustand zu beseitigen; zuweilen müssen indeß auch eingreifendere Mittel in Gebrauch gezogen werden. Die Wahl dieser überlasse man jedoch stets dem Arzte. Zur Tilgung der Anlage zu Katarrhen dient hauptsächlich eine mit Vorsicht versuchte Abhärtung des Körpers, namentlich aber die Haut gegen äußere Eindrücke durch allmäliges Gewöhnen an eine leichtere Bekleidung, an den Wechsel der Witterung, kaltes Waschen und Baden, den Gebrauch von Sool- und Seebädern u.s.w.