[120] Schnupfen oder Katarrh, jene bekannte Krankheit, welche ihren Sitz in der Schleimhaut der Nase und den Stirnhöhlen hat, sich wegen der Verbindung mit der Schleimhaut des Mundes, Schlundes, Magens und Darmcanales oder der Luftröhre und den Lungen zu diesen verbreitet, in einer Entzündung dieser Häute besteht, welche die gewohnte Absonderung derselben hemmt und ein mehr oder weniger starkes Fieber erregt. Der Zustand von Trockenheit und Spannung, welcher entsteht, weil die Schleimhaut verdickt und aufgetrieben erscheint, ist der sogenannte Stockschnupfen, die eigentliche Krankheit, welcher der fließende folgt, der die von der Natur zur Heilung eingeleitete Absonderung bewirkt. Weil die in der Schleimhaut verbreiteten Geruchs- und Geschmacksnerven nur durch die in der Feuchtigkeit derselben aufgelösten seinen Theilchen im Stande sind, Eindrücke aufzunehmen, müssen beide Sinne geschwächt oder ganz unempfindlich sein; durch Druck der aufgeschwollenen Weichtheile in den Stirnhöhlen entsteht der Kopfschmerz.[120] Die Stimme wird rauh, der Mund trocken, das Schlucken empfindlich, Sprechen und Räuspern oder der trockne Husten erregen eine brennende Empfindung im Schlunde; die mit der Nasenhöhle durch die Thränencanäle verbundenen Augen thränen und entzünden sich, weil diese scharfe Flüssigkeit oft nicht in die Nase gelangen kann, oder weil die Entzündung durch den Canal ins Auge verpflanzt wird. Der Appetit und die Verdauung werden schlecht, weil die Nerven des Magens wie die oben genannten verstimmt sind und Frösteln, Hitze, Mattigkeit und andere Zeichen allgemeiner Fieberbewegung treten ein. Alle diese Symptome werden schwächer, wenn die gewohnte Absonderung wieder eintritt und die Nerven aus ihren Banden zur neuen Thätigkeit ruft. Diese Krankheit in der hitzigen Form dauert höchstens sieben bis neun Tage; aber es gibt auch einen lang anhaltenden S., dem aber gewöhnlich kein Stockschnupfen orausgeht, sondern der mehr als eine vermehrte Absonderung zu betrachten ist, die stellvertretend für andere vernachlässigte oder nach und nach unterdrückte Absonderungen sich einstellt. Der dauernde S. ist eine Folge langsam untergrabener Hautausdünstung durch Unreinlichkeit, Wasserscheu, Mangel an Bädern und kalten Waschungen, schlechter Luft, geringer Bewegung, fest anliegender Kleidung, fortdauernder Einwirkung schädlicher Magenreize etc. Begreiflich ist es, warum bei solchen Individuen das Zurücktreten oder Ausbleiben dieser höchst nöthigen Absonderung von so gefährlichen Folgen sein muß, denn da die Haut unthätig ist, wird die Absonderung auf andere thätige Organe, Lunge und Darmcanal, übergetragen, und bildet dort Entzündungen oder dauernde Schleimbereitung, als Lungenkatarrh und Verschleimung, welche oft schwer zu heben sind. Der hitzige S. kann zwar bei Personen mit thätiger Haut durch neue Erkältung zu eben den Organen wandern, aber die leicht beförderte Hautausdünstung befreit sie leichter davon, als wo die Haut träge ist. Frühjahr und Herbst, wo die Thätigkeit der Haut erwacht oder wieder abnimmt, begünstigen die Erkältung und den S., besonders[121] wegen der wechselnden Temperatur. Der dauernde S. ist im Winter schlimmer, weil die Hautausdünstung fast ganz schweigt, und sein Zurücktreten gefährlicher als im Sommer, wo jene Absonderung selbst bei verwöhnten Menschen doch etwas thätig ist. Im Sommer ist der Stockschnupfen selten, aber der dauernde verläßt einige Personen auch in dieser schönen Jahreszeit nicht. Von Personen mit träger Haut wird der S. gewöhnlich als heilsam betrachtet und mit Recht, da ohne diese Krankheit die Stoffe nicht aus dem Körper kämen. Für Kräftigere ist er es nicht minder, weil die Erkältung edlere Organe krankhaft ergreifen könnte. Am besten aber ist es, wenn der Körper solche Ableitungsübel nicht nöthig hat, und zur Verhütung dient besonders die Abhärtung und Kultur der Haut (s. Abhärtung u. Bäder), jene, weil sie die Erkältung fast unmöglich macht, diese, weil sie die Haut thätig erhält. Menschen, die hart gewöhnt sind, kalt sich waschen und baden, viel in der Luft sich bewegen und nicht in Wolle und Pelz sich kleiden, werden sehr selten, Stubenmenschen, verweichlichte, an sitzende Lebensweise und warme Kleidung gewöhnte Personen, werden immer damit behaftet sein. Frauen sind zwar oft gegen die Temperatur sehr abgehärtet, und bekommen nicht häufig den Stockschnupfen von Erkältung, desto mehr aber leiden sie an dem dauernden Schnupfen, weil Mangel an Bewegung und hautbelebenden Bädern die Ausdünstung mindert. Wer nicht abgehärtet ist oder es nicht werden will, muß jeden schnellen Temperaturwechsel, Zugwind, feuchte Wäsche, Wechsel der Wäsche in kühlen Zimmern, das Gehen ohne Strümpfe, Unmäßigkeit im Essen und Trinken, Genuß von fetten, schwer verdaulichen Dingen meiden. Nicht blos durch den Wechsel von Wärme und Kalte, auch wenn man aus der Kälte in sehr heiße Zimmer tritt, wird der S. erregt. Wer den S. hat, muß in den ersten Tagen diät leben und kühlendes Getränk zu sich nehmen, erhitzende Genüsse und anstrengende Kopfarbeit, besonders Lesen und Schreiben, meiden, Kopf, Gesicht, Hals und Brust kühl[122] oder kalt waschen, warmen Dunst einathmen; eine Gabe Weinsteinrahm in Zuckerwasser, besonders vor dem Schlafengehen, wird durch Abkühlung des Blutes und vermehrte Thätigkeit im Unterleibe wohlthätig wirken. Man bewege sich fleißig in freier Luft, trete aber dann nicht gleich in heiße, sondern erst in das kühlere Vorzimmer. Die unterbrochene Hautausdünstung suche man durch einige Tassen Fliederthee wieder zu beleben und mische dann den Weinsteinrahm zum Thee. Bei leidender Brust, Husten oder starkem Fieber ist eine ernstere Behandlung der Kunst nöthig Der dauernde S. ist mit wenig Beschwerde verknüpft und seine Cur bedingt Abhärtung und Wiederbelebung der gesunkenen Hautthätigkeit.
D.
Adelung-1793: Schnupfen, der · Schnupfen (2) · Schnupfen (1)
Brockhaus-1911: Katárrh · Bostockscher Katarrh · Schnupfen
DamenConvLex-1834: Katarrh
Herder-1854: Katarrh · Schnupfen
Meyers-1905: Katarrh · Bostockscher Katarrh · Schnupfen [2] · Schnupfen [1]