Krystalle

Krystalle

[675] Krystalle nennt man die regelmäßigen, von ebenen Flächen, Kanten und Punkten begrenzten Körperformen, in welchen gewisse Mineralien, welche durch Kunst oder Natur hergestellt sind, erscheinen.

Wie die organischen Wesen aus Individuen von eigenthümlicher Gestalt bestehen, so ist dieses wahrscheinlich auch bei allen anorganischen Substanzen der Fall. Indeß sind die anorganischen Stoffe gewöhnlich so untereinander gemengt und äußerlich wol auch durch Reiben, Stoßen u. s. s. so verstümmelt, daß man jene Ausbildung zu besonders gestalteten Individuen nicht wohl wahrnimmt. Diese tritt vorzugsweise da hervor, wo in der Natur oder durch Kunst ein Stoff aus einer Auflösung allmälig in ungestörter Ruhe sich hat ausscheiden können, in diesem Falle erhält man Krystallbildung. So z.B. krystallisirt das gemeine Küchensalz aus reinem Wasser in Würfeln oder Hexaedern, wie umstehend Abbild. 1 zeigt, Alaun (Abbild. 2) in oktaedrischen Krystallen, Bittersalz (Abbild. 3), Glaubersalz (Abbild. 4), Salpeter (Abbild. 5), Zucker- und Kupfervitriol in säulenförmigen Gestalten. Bei den meisten mineralischen Stoffen ist indeß das Vorhandensein von Krystallen noch an dem krystallinischen Gefüge, d.h. an der regelmäßigen Structur ihres Innern zu erkennen. Die Individuen der organischen Welt zeigen überall rundliche Formen [675] und ihre Ausbildung geschieht so, daß sie von innen sich entwickeln. Dagegen zeigen die Individuen der anorganischen Welt, die Krystalle, nur ebene und eckige Formen und ihre Ausbildung geschieht durch Anhäufung von außen. Daß sich bei ihnen aber die regelmäßige Bildung auch ins Innere fortsetze, erkennt man schon daran, daß sie sich nach gewissen Richtungen leichter spalten lassen, als nach andern und daß sie in jenen Richtungen gespalten immer wieder regelmäßige Gestalten geben. Die Krystalle und ihre Bildung, die Krystallisation, bieten eine Menge für den Naturforscher höchst merkwürdiger Erscheinungen dar, und um die Krystalle leichter zu übersehen, auch um den Zusammenhang der übrigen Eigenschaften der Stoffe mit ihren eigenthümlichen Krystallformen kennen zu lernen, hat man dieselben nach ihrer mathematischen Gestalt in sogenannte Krystallsysteme geordnet, über welche dann eine eigne Wissenschaft, die Krystallographie, Rechenschaft gibt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 675-676.
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