Linde

[747] Linde ist eine Baumgattung, welche zu den Laubhölzern gehört, und zur Zierde freier Plätze, zu schattigen Alleen, in Parks u.s.w. angepflanzt wird, sich aber auch in einigen Gegenden des nördl. Europas und Nordamerikas als große Waldung findet. Die Sommerlinde ist die bekannteste und verbreitetste Art davon, die in ganz Nord-Europa, besonders in Rußland, wo sie ganze Wälder bildet, einheimisch ist. Sie hat, erwachsen, einen starken Stamm, starke, sich weit ausbreitende Äste, und bildet eine dickbelaubte Krone. Ihre Wurzeln sind stark, die Pfahlwurzel geht tief ein und die Seitenwurzeln erstrecken sich weit rund umher. Die Rinde ist bei jungen Linden bräunlichgrau und ziemlich glatt, in späterem Alter schwarzgrau, dick und rissig; das Holz sehr weiß, weich, leicht, sein- und dichtfaserig und dem Wurmfraß nicht leicht unterworfen. Die herzförmigen, zugespitzten, sägenartig gezähnten Blätter sind auf der Oberfläche dunkelgrün glänzend, auf der untern mattgrün rauh; die schwefelgelben Blüthen, welche im Juni und Juli zu je sechs auf einem Stiel erscheinen, werden zu einer bräunlichen Kapsel mit 4–5 Fächern, worin der Same enthalten ist. Die Linde wächst fast in jedem Boden, weniger in feuchtem oder kalkartigem, am besten in lehmigem, trocknem und etwas fettem. Man zieht sie lieber aus Ablegern als aus Samen, obschon die letztern höhere Stämme geben. Bis 12 Fuß hoch läßt sie sich noch verpflanzen, bedarf 40–50 Jahre zum Auswachsen und wird mehre hundert Jahre alt, unter günstigen Verhältnissen vielleicht tausend. So befindet sich z.B. bei Neustadt am Flusse Kocher in Würtemberg eine Linde, deren Stamm über 27 Fuß im Umfange hat, und deren Äste mehr als 100 Stützen zum Aufrechterhalten bedürfen. Eine andere uralte Linde gibt es in Baiern, welche 45 Fuß Umfang und 60 Fuß Höhe hat. Das Lindenholz hat für die Feuerung nur wenig Werth; dagegen ist es ein gutes Nutzholz, da es sich nicht leicht wirst und zu feinern Sachen, z.B. zu Reißbretern, Linealen und dergl., wegen seiner Leichtigkeit zu Holzschuhen u.s.w. und wegen seiner Weichheit zu Schnitzarbeiten, besonders zu den nürnberger Spielwaaren vor andern Hölzern den Vorzug verdient. Die Lindenkohlen werden ihrer Feinheit wegen zum Zeichnen, zu Zahn- und Schießpulver und zur Bereitung von Räucherkerzen verbraucht. Aus der obern harten Rinde werden in Rußland Schachteln und Wagenkörbe, aus dem Baste ebendaselbst und in Frankreich Decken, Matten und Seile bereitet. Das Lindenlaub gibt ein gutes Viehfutter. Die Lindenblüten werden von den Bienen gesucht, und [747] dienen frisch auch als Hitze lindernder Thee. Das Lindenblütwasser wird als Beimischung zu andern Arzneien benutzt, und aus dem Samen läßt sich ein dem Mandelöle ähnliches Öl pressen. Besonders für Rußland ist die Linde von außerordentlicher Wichtigkeit, in dessen mittleren Gegenden, nördl. bis in die Nähe von Petersburg, südl. fast bis ans schwarze Meer, östl. bis Sibirien, sie, bald als Hochwald, bald als Buschholz, wie bei uns Weiden und Erlen, große Landstrecken bedeckt. Das Holz wird zu den meisten Hausgeräthschaften für den gemeinen Mann, als Löffel, Schüsseln u.s.w. verarbeitet. Auf mannichfache Art wird besonders auch der Bast (s.d.) verarbeitet. Nebenarten der Linden sind: die Winter- oder Steinlinde, welche sich durch kleinere Blätter und Frucht und durch die spätere Entwickelung derselben von jener unterscheidet. Sie wird von Vielen für die eigentliche, ursprüngliche Linde gehalten. Die weiße Linde in Ungarn und Nordamerika hat Blätter, deren Unterfläche mit einem weißen Filze überzogen sind. Die schwarze Linde in Virginien und Canada hat fast schwarze Rinde und sehr große Blätter und Blüten. Die Bastardlinde endlich, eine Bastardart von der Sommer- und Winterlinde, macht einen hohen, schönen, mit dichter Krone besetzten Schaft, hat sehr große, seine Blätter und Blüten, und wird ihres gleichen Wuchses wegen besonders vom Schreiner und Holzschneider geschätzt.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 747-748.
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