Milzbrand

[143] Milzbrand, Milzseuche, Milzsucht, Blut-, Sommer- und Hitzseuche, bösartiger Karfunkel, Brandblasensucht, das Jäck, fliegender Brand, sind alles Benennungen einer und derselben höchst gefährlichen, meist als Seuche vorkommenden Krankheit, die besonders das Rindvieh, aber auch alle andern Hausthiere, das Geflügel nicht ausgenommen, namentlich in sumpfigen Gegenden und während des Sommers befällt und die theils von der Jahreszeit, theils von einzelnen vorzugsweise auffallenden Krankheitserscheinungen hergenommen sind. Wohlgenährte, kräftige Thiere werden vorzugsweise davon befallen und oft ohne vorhergegangene Zeichen von Übelbefinden binnen wenig Minuten dadurch getödtet; sie fangen plötzlich an zu zittern und zu taumeln, stürzen zu Boden und sterben unter Zuckungen, worauf aus Mund, Nase und andern Öffnungen des Körpers schwarzes Blut sich ergießt. An den langsamer verlaufenden Formen des Milzbrands erliegen die Thiere in Zeit von 1–8 Tagen, verfallen zuerst in einen fieberhaften, abgespannten Zustand, verlieren die Freßlust, stieren mit gesenktem Kopfe vor sich hin, fangen besonders an den Hinterbacken heftig an zu zittern und das Haar verliert seinen Glanz und sträubt [143] sich etwas, sodaß sie ein rauhes Ansehen bekommen. Das Athmen ist beschleunigt, Füße, Ohren, Nase sind abwechselnd heiß und kalt und endlich kommen an verschiedenen Theilen des Körpers, besonders aber an Hals, Brust, den Weichen und Schenkeln Brandpusteln oder auch Geschwülste von der Größe eines Hühnereies bis zu der eines Kinderkopfs zum Vorschein, die eine gelbliche Materie enthalten und denen bald der Tod folgt. Erscheinen sie, wie oft bei den Rindern, als anfangs röthliche, weißgelbe und durchsichtige Blasen und Blattern im Munde, die aber bald gelbbraun und schwärzlich werden und so rasch um sich fressen, daß die Zunge stückweise abfällt und in 24 Stunden meist der Tod erfolgt, so wird das Übel milzbrandige Maulseuche und Zungenkrebs genannt. Auch bei andern Thieren gehen dem langsamern Verlaufe der Krankheit allgemeine Abgespanntheit, oft keuchendes Athemholen, Mangel an Freßlust, stierer Blick, Zittern, gelbliche oder blutige Schaum- und Schleimergießungen aus Nase und Mund voran. Bei den Schafen, wo das Übel auch Blutstaupe heißt, erscheint oft an Kopf, Hals und Rücken ein rothlaufartiger Ausschlag, oder man fühlt hörnerartige Erhöhungen unter der Haut; Pferde bekommen ein struppiges Ansehen, einen röthlichen Nasenausfluß, stellen die Füße weit unter den Leib oder verrathen alle Zeichen des rasenden oder des stillen Kollers (s.d.). Auch die Schweine sind dem Milzbrande sehr unterworfen und werden oft plötzlich dadurch getödtet. Dauert die Krankheit bei ihnen mehre Tage, so entsteht zuweilen innerlich im Halse eine erbsengroße, rundliche, weiße Blase, die bald schwarz wird, den Tod beschleunigt und Rankkorn, auch Gerstenkorn genannt wird, oder es bildet sich äußerlich in der Nähe des Luftröhrenkopfs eine Brandbeule, welche Krankheitsform weiße Borste heißt, weil die Borsten an dieser Stelle sich sträuben und ein bleiches Ansehen bekommen. Das am Milzbrand erkrankte Federvieh hört auf zu fressen, sträubt die Federn, Zunge und Schnabel werden brandig, oder es zeigen sich an Kopf und Leib brandige Geschwülste. Am Milzbrand gestorbene Thiere gehen sehr schnell in Fäulniß über, aus Nase, Maul und After fließt stets blutiger Schaum, die Milz ist oft 2–3mal vergrößert, beständig aber schwärzlich, sehr mürbe und strotzt von Blut, das stets theerartig und schwarz erscheint und nicht gerinnt.

Bei der Behandlung milzbrandkranker Thiere und der Öffnung und Beseitigung der gestorbenen muß die größte Vorsicht beobachtet werden, weil Alles, was von ihnen herrührt, sogar der heiße Athem derselben, das Übel andern Thieren und auch den Menschen mittheilt, bei denen die Ansteckung schnell tödtlich werdende Brandbeulen erzeugt. Die Cadaver müssen daher schnell und sehr tief vergraben und auf dieselbe Art alle Ausflüsse derselben, Mist, Harn u.s.w. unschädlich gemacht werden. Will man, was nur bei nicht mit Beulen und Geschwülsten Behafteten statthaft ist, die Häute benutzen, so dürfen sie nur von erkalteten Cadavern. genommen werden. Wer das Enthäuten besorgt, muß es mit eingeölten Händen thun, an denen nicht die kleinste Verletzung sein darf, und jede Benetzung des Gesichts mit den Säften des gefallenen Thieres, sowie das Einathmen der in den Höhlungen des Körpers enthaltenen Luft sorgfältig vermeiden. Verletzt er sich dennoch während des Geschäfts, so muß die Wunde sogleich mit Urin, Salz-oder Seifenwasser gereinigt, am besten ausgebrannt, sowie außerdem jeder etwa verunreinigte Theil des Körpers sorgsam abgewaschen werden. Schon Fleisch und Milch von nur milzbrandverdächtigen Thieren dürfen unter keiner Bedingung von Menschen weder noch von Thieren genossen werden, am Milzbrand erkrankte aber muß man schleunig. von den gesunden absondern und die Ställe, wo sie sich befanden, lüften, sorgfältig reinigen, mit Lauge auswaschen und weißen lassen, bevor man gesundes Vieh darin unterbringt. Für den Milzbrand begünstigende Umstände werden anhaltende Dürre mit raschem Wechsel von schwüler und kalter Witterung, schlechtes Trinkwasser, Genuß von verdorbenem und verunreinigtem Futter gehalten; auch pflegt die Seuche in südl. Ländern weit mörderischer aufzutreten als in nördl. Vorbeugungsmittel sind sorgfältige Abwartung der Heerden, häufiges Schwemmen und Begießen der Thiere mit kaltem Wasser und Füttern mit säuerlichen Dingen, wie unreifes Obst, Sauerteigwasser, sehr mit Wasser verdünnter Salpeter- und Salzsäure u.s.w. Zu den bisher angewandten Heilmitteln ist kürzlich auch ein homöopathisches gekommen und als das sicherste in dem Schriftchen: »Der Milzbrand u.s.w. von G. A. Weber« (Leipz. 1836) empfohlen worden. Übrigens gehört der Milzbrand zu den ältesten bekannten Thierkrankheiten, kam bis auf unsere Zeit in allen Jahrhunderten vor und grassirte unter Andern 1682 in Frankreich und Deutschland, 1691 in der Schweiz, 1712 in Ungarn, dem südl. Deutschland und Italien, 1745–47 fast in ganz Europa, 1774–75 in Frankreich, wohin er durch eine von Seeland eingeführte Haut gekommen sein soll; die Niederlande und Flandern wurden 1790, Schlesien um dieselbe Zeit davon heimgesucht, wie er denn in allen europ. Ländern vorkommt, allein fast in keinem mörderischer aufgetreten ist als in Frankreich.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 143-144.
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