[261] Nepotismus nennt man jede ungebührliche Bevorzugung von Freunden oder Verwandten bei der Besetzung von Ämtern. Dieser Name schreibt sich von den Päpsten her, welche eine solche Bevorzugung gewöhnlich ihren Neffen oder auch andern Verwandten und ihren natürlichen Söhnen, die man alle mit dem Namen Nepoten zu bezeichnen pflegte, angedeihen ließen. Da ihre Würde nicht erblich ist, so suchten sie wenigstens bei ihren Lebzeiten ihre Verwandten zu versorgen und zu bereichern, die von ihrem Nachfolger in der Regel keine Begünstigung erwarten durften. Der Nepotismus ist indeß eine sehr alte und sehr ausgebreitete Krankheit, an welcher schon manches Staats- oder Gemeindewesen darniedergelegen hat und unter schwachen Regenten oder bei mangelhaften Institutionen und schlechter Controle sehen wir nicht selten einzelne Familien sich mehre Generationen hindurch in den einträglichsten und einflußreichsten Staatsstellen oder Gemeindeämtern zum großen Nachtheile des Gemeinwohls erhalten. Bei einer lebenskräftigen Volks- und Gemeinderepräsentation, einer gesetzlichen Verantwortlichkeit und gehöriger Prüfung und Beaufsichtigung der Beamten wird ein schädlicher Nepotismus weniger möglich; doch wird sich eine gewisse Begünstigung von Verwandten und Freunden, welche in der menschlichen Natur zu tief begründet ist, nie ganz vermeiden lassen. Auch ist sie durchaus unschädlich, wenn sie nicht weiter geht, als daß sie unter mehren ganz gleich Befähigten, dem durch Verwandtschafts- oder andere Bande an uns Geknüpften den Vorzug gibt.