Nuntius

[311] Nuntius heißt ein Gesandter des Papstes, wenn er nicht Cardinal ist. Seit dem 4. Jahrh. n. Chr. singen schon die röm. Bischöfe an, Geschäftsträger am kaiserl. Hofe zu ernennen, die sich aber nur einen höchst unbedeutenden Einfluß zu verschaffen wußten. Seit Gregor VII. aber, dem Begründer der päpstl. Oberherrschaft, griffen die Nuntien oder Legaten (s.d.) der Päpste immer weiter um sich. Sie führten nicht nur den Vorsitz auf den Synoden, die sie selbst zusammenberiefen, sondern zogen auch Gesuche um Dispensation (s.d.) und geistliche Streitigkeiten aller Art in erster und letzter Instanz, bald die Anordnung jeder wichtigen kirchlichen Angelegenheit in den Provinzen, wo sie residirten, in ihren Geschäftskreis und erlaubten sich häufig Gelderpressungen. Vergebens sträubten sich sowol die Bischöfe als die Regenten des Landes dagegen. Die Päpste umgaben sie mit der Schutzwehr der Unverletzlichkeit, indem sie dieselben für ihre Stellvertreter erklärten. In Deutschland kam ihnen dabei die Gefahr zu statten, welche der Protestantismus der alleinseligmachenden Kirche drohte, und es gelang dem röm. Stuhle, zum Schutze derselben vier stehende päpstliche Gesandtschaften, Nuntiaturen, zu Wien, Köln, Luzern und für die Niederlande zu Brüssel, zu errichten, wozu 1785 noch eine zu München kam. Der edle Kaiser Joseph II. erklärte zwar in einem Erlaß an die deutschen [311] Bischöfe 1785 die Nuntien für blos politische Gesandte und sprach ihnen alle Jurisdiction in kirchlichen Sachen ab; auch beschlossen in Folge dessen 1786 auf dem Congreß zu Ems die Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln und Salzburg das gänzliche Aufhören der Nuntiaturen in Deutschland. Allein der frühe Tod des Kaisers und andere Zeitumstände machten, daß diese wohlthätigen Beschlüsse und Maßregeln nicht Boden genug gewinnen konnten und die Anmaßungen der Päpste wieder festen Fuß faßten, bis sie durch die franz. Revolution auf längere Zeit verdrängt wurden, ohne deswegen aufgegeben worden zu sein.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 311-312.
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