Prevorst

[574] Prevorst (die Seherin von). Diesen hochklingenden Namen hat man der beklagenswerthen Heldin einer unter demselben Titel zuerst 1830 (2 Bde., 3. Aufl., Stuttg. 1838) von dem würtemb. Oberamtsärzte Dr. Justin Kerner veröffentlichten Krankengeschichte beigelegt, welche die 1809 geb. Tochter eines Revierförsters im Dorfe Prevorst bei Löwenstein in Würtemberg war und Friederike Hauffe hieß. In den Kinderjahren schon soll sich die eigenthümliche Leibes- und Gemüthsverfassung derselben durch vorhersagende Träume, Empfindlichkeit für die Nähe von Metallen und von Leichen und einen Sinn für sogenannte Geistererscheinungen ausgesprochen haben, welche aber jedenfalls auf Täuschungen des äußern oder innern Auffassungsvermögens beruhten. Auf einen so reizbaren Zustand mußten Ereignisse, wie z.B. daß ein von ihr hochverehrter Geistlicher grade an ihrem Hochzeittage begraben wurde, tief erschütternd wirken, wie denn überhaupt ihre äußere Lage sehr mit ihren innern Stimmungen im Widerspruche stand. Ein Fieber machte diese seit 1822 noch reizbarer und 1824 verfiel sie in einen magnetischen Zustand, von dem geregelte magnetische Behandlung sie soweit herstellte, daß sie ihren Geschäften obliegen konnte und endlich blos noch alle sieben Wochen magnetisch wurde. Ihr sehr beschwerliches zweites Wochenbett brachte jedoch einen Rückfall in den fieberhaften, von Krämpfen begleiteten und verstärkten magnetischen Zustand[574] mit sich, und es spricht sich dabei die beschränkte Bildung ihrer Umgebungen entschieden in dem Umstande aus, daß man die Kranke jetzt der Behandlung eines als Teufelsbanner im Rufe stehenden Mannes preisgab. Nachdem dieser ihr Nervensystem vollends zerrüttet hatte, ward sie wieder einem auf Beendigung des magnetischen Zustandes und die daran geknüpfte Anwendung gewöhnlicher Heilmittel berechneten Verfahren auf Kerner's Rath unterworfen. der 1786 geboren und auch als gemüthlicher Dichter und humoristischer Schriftsteller vortheilhaft bekannt ist, als Arzt aber durch zu wenig unbefangene Beobachtung an magnetischen Kranken, den wissenschaftlich begründeten Maßstab der Gegenwart für solche Zustände verloren hat. Die Kranke verschlimmerte sich unter seiner Behandlung und nachdem sie 1826 nach Weinsberg gebracht worden, wendete Kerner von Neuem den Magnetismus an, jedoch ohne die im Aug. 1829 Verschiedene herzustellen. Was er aber als angebliche Thatsachen von den Vorhersagungen und Erscheinungen der Kranken, von unbekannten Sprachen, welche sie geredet, von leblosen Körpern, welche sich gleich belebten fortbewegt haben sollen u. dergl. m. erzählt, würde den volksthümlichen Gespenster- und Aberglauben finsterer Zeiten wieder verjüngen, wenn es Geltung erlangen sollte.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 574-575.
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