Sphinx

Sphinx

[243] Sphinx (die) war bei den alten Ägyptern eine sinnbildliche Gestalt, ein liegender Löwenkörper mit Menschenhaupt, welche ein Sinnbild der Fruchtbarkeit zu sein scheint, die das Land den Überschwemmungen des Nils dankte.

Es haben sich noch bis auf unsere Tage alte Steinbilder der Sphinx in Ägypten erhalten, unter welchen das kolossalste das hier abgebildete ist, welches sich in der Nähe der Pyramidengruppe von Kairo findet. Es ist unmittelbar aus dem Felsen gehauen, auf welchem es zu stehen scheint. Die Länge dieser Sphinx beträgt 148 F., die vordere Höhe [243] 62 F., doch ist sie über die Hälfte verschüttet, sodaß nur noch etwa 27 F. hervorragen. Im Scheitel hat man eine Öffnung gefunden, welche nach den hohlen Augen führte; wahrscheinlich wurde dieselbe zu Priestertrug benutzt. Man hat neuerdings Untersuchungen über den verschütteten Theil angestellt und gefunden, daß sich die vorgestreckten Füße noch 50 F. weit von dem Körper aus erstrecken. Die ganze Sphinx ist mit einer Mauer umgeben, die überall 30 F. von der Gestalt absteht, aus ungebrannten Ziegeln gebaut und inwendig mit behauenen Steinen belegt ist. Man hat auch noch die Überreste zweier Altäre mit griech. Inschriften gefunden. Ein Altar steht auch zwischen den ausgestreckten Vorderfüßen. Auf diesem Altar lag ein Granitblock mit Bildarbeit und einer Hieroglypheninschrift. Die Sphinx von Sais, welche aus einem rosenfarbenen Granitblock von 22 F. besteht, findet sich gegenwärtig in der ägypt. Sammlung des Louvre zu Paris. – Auch in der griech. Sage kommt die Sphinx vor, aber als ein Ungeheuer, welches die Juno den Thebanern, um sie zu züchtigen, sendete. Dieselbe, eine Tochter des Typhon und der Echidna, ließ sich auf einem Felsen vor dem siebenthörigen Theben nieder und sang Räthsel. Wer dieselben nicht zu lösen vermochte, war eine Beute des Todes. Sie hatte, wie erzählt wird, das Angesicht eines Weibes, den Leib eines Hundes, die Flügel eines Adlers, die Klauen eines Löwen, den Schwanz eines Drachen. Ihr Räthsel, von dessen Lösung die Befreiung Thebens von ihr abhängig war, hieß: »Welches Thier geht des Morgens auf Vieren, des Mittags auf Zweien und des Abends auf Dreien?« Niemand vermochte dies Räthsel zu lösen, und sehr viele Thebaner waren schon von dem Ungeheuer umgebracht worden, als Ödipus (s.d.) erschien und es errieth. Dieses Thier ist der Mensch, denn er kriecht am Morgen seines Lebens, in der Jugend, auf Händen und Füßen, geht in der Blüte seines Alters auf zwei Füßen, und im Alter als Greis auf dreien, denn der Stab wird ihm zum dritten Fuße. Die Sphinx stürzte sich nun selbst herab von dem Felsen und Ödipus hatte durch die Lösung des Räthsels die Hand der Jokaste und den Thron von Theben gewonnen. Man hat diese Sage allegorisch dahin gedeutet, daß es die Griechen gewesen, welche das geheimnißvolle Räthsel höhern Alterthums gelöst, indem in Griechenland das Licht des Selbstbewußtseins dem Geiste zuerst aufgegangen und dadurch die dunkle Symbolik der Ägypter zur lichten Kunst der Griechen sich umgestaltete.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 243-244.
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