Terpenthin

[390] Terpenthin, auch Terpentin oder Terbentin (lat. Terebinthina) wird ein honigdickes, grau-, grünlich- oder röthlichgelbes Harz genannt, das theils trübe und undurchsichtig, theils klar und durchsichtig, von mehr oder weniger angenehmem Geruch, erwärmendem, scharfem, bitterlichem Geschmack ist, und aus Einschnitten ausfließt, welche man in die Stämme verschiedener Nadelholzgattungen macht. An der Luft trocknet der Terpenthin allmälig zu einem weißen Harze, Galipot, ein. Bei der Erwärmung wird der Terpenthin dünnflüssig; er brennt mit einer hellen, stark rußenden Flamme und löst sich in starkem Weingeist, Äther und ätherischen Ölen und in concentrirter Schwefelsäure auf. Nach den Bäumen, aus denen er gewonnen wird, gibt es [390] verschiedene Arten, welche man jedoch nach den Gegenden bezeichnet, in denen sie gewonnen werden. Der gemeine französische Terpenthin wird aus den Fichtenarten Pinus sylvestris und Pinus maritima in Frankreich, namentlich in der Gegend von Bordeaux, Bayonne und in der Dauphiné gewonnen. Die Bäume werden erst benutzt, wenn sie wenigstens 30 Jahre alt sind; man gewinnt den Terpenthin in den Monaten Februar bis October. Man haut zuerst über der Wurzel eine etwa drei Zoll breite und einen Zoll hohe Kerbe in den Baum, nach ungefähr acht Tagen darüber eine zweite Kerbe u.s.w.; ist man auf diese Weise 8–9 F. hoch gekommen, so wiederholt man dies Einkerben auf der andern Seite des Baumes und setzt es an den verschiedenen Seiten so lange fort, als man noch unverletzte Rinde findet. Da die alten Wunden wieder vernarben, so kann man später wieder von vorn beginnen und auf diese Weise bleibt der Baum gegen 100 Jahre nutzbar. Am Fuße des Baumes befindet sich eine Grube, in welcher sich das ausfließende Harz ansammelt. Sie wird alle Monate ausgeschöpft. Der so gewonnene rohe Terpenthin wird gereinigt, indem man ihn in großen Kesseln schmilzt und durch Stroh sittriri. Ein anderes Reinigungsverfahren ist, daß man den Terpenthin im Sommer in einem großen hölzernen Kasten, welcher einen sein durchlöcherten Boden hat, der Sonnenhitze aussetzt. Die Unreinigkeit bleibt in dem obern Kasten zurück und der durch die Hitze geschmolzene Terpenthin fließt gereinigt in das untergestellte Gesäß. Der auf die letztere Art gereinigte Terpenthin behält mehr von dem eigenthümlichen ätherischen Öle, welches ihm den Geruch gibt. Der franz. Terpenthin ist weißlich, trübe und dickflüssig, hat einen widerlichen Geruch und einen scharfen, bittern, ekelhaften Geschmack. Der strasburger Terpenthin wird von der gemeinen Fichte oder Rothtanne (Pinus abies) und von der Weiß- oder Erdtanne (Pinus picea) gewonnen. In Savoyen und in der Schweiz sammelt man ihn aus den Beulen und Gallen der Tannen, in den Vogesen und auf der schwäbischen Alp aus Einschnitten in den Stamm. Er ist blaßgelblich, ziemlich durchsichtig und im frischen Zustande nicht allzu dick. Der venetianische Terpenthin wird aus dem Lerchenbaume (Pinus Larix) gewonnen, welcher in den Alpen, Frankreich, Ungarn, Sibirien u.s.w. wächst. In diesen Ländern wird jetzt überall venetianischer Terpenthin gesammelt, den man früher vorzüglich nur aus Venedig bezog. Er fließt von selbst aus der Rinde des Stammes, man erhält aber mehr, wenn man etwa einen Fuß hoch über dem Boden ein Loch in den Stamm bohrt und eine Röhre in dasselbe steckt, deren anderes Ende in ein Faß reicht. Nach der Reinigung erscheint er blaßgelb, ziemlich durchsichtig, klar und hat einen angenehmen, fast citronenartigen Geruch. Der ungarische oder karpatische Terpenthin kommt von Pisus Cembra, ist dünnflüssig, durchsichtig, fast farblos, von wachholderartigem Geschmack und Geruch. Pistacia Terebinthus, ein im südl. Europa, besonders auf den griech. Inseln heimischer, niedriger Baum gibt den cyprischen Terpenthin, welcher dick, durchsichtig, blaßgrüngelblich ist und einen angenehmen Geruch hat. Der canadische Terpenthin, oder canadischer Balsam, auch unechter Balsam von Gilead genannt, kommt von der Balsamtanne (Pinus balsamea) in Nordamerika. Er ist zäh, dickflüssig, durchsichtig, farblos, angenehm gewürzhaft riechend und mild balsamisch, bitter schmeckend. Man bedient sich des Terpenthins zur Bereitung von Terpenthinöl und Colophonium, zur Herstellung von Harzseifen, Siegellack, Kitten und in der Medicin, sowol innerlich als zu Pflastern. – Durch Destillation des Terpenthins mit Wasser erhält man das Terpenthinöl. Der Rückstand bei der Destillation ist das Colophonium oder Geigenharz. Das Terpenthinöl ist eine mehr oder weniger wasserhelle Flüssigkeit, welche durch Luft und Licht gelblich und dickflüssig wird, mit durchdringendem Geruche und erhitzendem terpenthinartigem Geschmack. Es löst sich im Wasser wenig, sehr gut dagegen in Weingeist auf, durch den man es auf einen höhern Grad der Reinheit bringen kann, in welchem es beinahe geruchlos ist. Es nimmt indeß seinen eigenthümlichen Geruch bald wieder an. Das franz. Terpenthinöl ist das beliebteste. Benutzt wird es als Auflösungsmittel für Harze, zu Terpenthinfirnissen, gemischten fetten Harzfirnissen, zum Deckgrund für Kupferstecher, zum Verdünnen des Firnisses bei der Ölmalerei, zum Auftragen der Farben in der Glas- und Porzellanmalerei, zum Aufweichen von Kautschuk, zum Fleckausmachen, in der Feuerwerkerei, in der Medicin u.s.w.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 390-391.
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