[509] Ubiquität ist ein während des Mittelalters aufgekommener Ausdruck, der so viel wie Überallsein bedeutet und von den Scholastikern für die Allgegenwart Gottes gebraucht wurde. Von ihm haben auch die Ubiquisten den Namen, eine theologische Partei, welche bei den zur Zeit der Reformation entstandenen Abendmahlsstreitigkeiten im strengsten Sinne des Worts die körperliche Gegenwart des Leibes und Blutes Christi an allen Orten behauptete, wo das Abendmahl gefeiert werde, was auch anfangs entschieden die Meinung Luther's war, während die Reformirten blos eine geistige Gegenwart zugaben. Allein unter den Lutherischen selbst zeigten sich bald verschiedene Ansichten dieser mit der Lehre von der Transsubstantiation (s. Abendmahl) zusammenhängenden Vorstellungsart, welche jedoch Luther selbst in späterer Zeit nicht mehr als wesentlich angesehen wissen wollte. Die lutherischen Theologen von Tübingen und Helmstedt stritten miteinander, ob Christus blos im Abendmahl und in den Kirchen oder auch außerhalb derselben bei den Menschen sei, und hielten deshalb 1583 ein Colloquium zu Quedlinburg, ohne sich verständigen zu können; ja der berühmte Kepler (s.d.) ward sogar von den würtemberg., seinen vaterländischen, Theologen verfolgt, weil er den Lehrsatz der Concordienformel, daß Christi Leib aller Orten sei, bezweifelte. Die Jesuiten benutzten diese Streitigkeiten zu heftigen Schriften wider Lutheraner und Reformirte, allein da sich die Ubiquität aus der h. Schrift selbst nicht völlig beweisen läßt, so hat allmälig der Streit darüber und damit auch die schroffe Trennung zwischen Lutheranern und Reformirten von selbst aufgehört; denn die unbefangenen evangelischen Theologen Beider sind seit dem vorigen Jahrh. darin einverstanden, daß den würdigen Begehern des h. Abendmahls Christus dabei allerdings gegenwärtig sei, die Art und Weise dieser Gegenwart aber und der Vereinigung seines Leibes mit dem Abendmahlsbrote kein Gegenstand der Lehre, sondern nur des Glaubens der Einzelnen sein könne.