Zarskojé-Selo

[780] Zarskojé-Selo, d.h. Zarendorf, ein kais. russ. Lustschloß, sechs Stunden südl. von Petersburg in einer anmuthigen Gegend, ist aus einer Gartenanlage und einigen Sommerhäusern entstanden, welche zuerst Peter der Große dort anlegen ließ, und hieß der Thiergarten, ehe seit 1716 der jetzige Name aufkam. Katharina I. hatte ein steinernes Gebäude dort aufführen lassen, und die Kaiserin Elisabeth baute 1744 das jetzige, prächtige Schloß, dessen Dächer und äußere Verzierungen sie vergolden ließ. Da jedoch die Vergoldung jeden Winter sehr litt, wurde sie unter Katharina II. durch einen gelben Firniß ersetzt und die Dächer erhielten einen mattgrünen Anstrich. Z. war ein Lieblingsaufenthalt dieser Kaiserin, welche viel für Verschönerung der Gärten that und ihnen namentlich Wasser zuführen ließ. Das Hauptgebäude hat ohne die Seitenflügel 780 Fuß Länge und 79 Fenster Fronte; ein Theil des linken Flügels mit der Schloßkapelle brannte 1821 ab, ist aber prächtiger wieder aufgebaut worden. Die Ausschmückung im Innern ist berühmt und ein Zimmer ist z.B. ganz mit Bernsteinstücken ausgelegt, in denen Insekten verschlossen sind, ein Geschenk Friedrich Wilhelm I. an die Kaiserin Anna, von welcher er dafür siebzig sehr große Russen erhielt. Von der Gartenseite stößt eine ausgezeichnete Galerie in zwei Etagen und von zwei Seiten mit großen Glasfenstern versehen an das Schloß, um deren obere Etage ein marmorner Säulengang geht, in welchem viele Büsten aufgestellt sind. Links von der großen Auffahrt liegt das chinesische Dorf, welches genau nach chinesischem Geschmack erbaut ist und im Sommer von Hofbeamten bewohnt wird. Im Park von Z. ist dem Grafen Orlow als Sieger bei Tschesme (1770) eine Marmorsäule mit einem goldnen Adler, und nahebei ein Obelisk zu Ehren des Türkenbesiegers Rumänzow von Katharina II. errichtet worden, an der nach Pawlowsk führenden Straße aber hat Kaiser Alexander I. einen eisernen Triumphbogen mit der Inschrift »meinen theuren Waffenbrüdern« aufführen lassen. An den Park grenzen die Gärten des für Alexander, als er noch Großfürst war, erbauten und nach ihm benannten Palastes. – Das Städtchen Zarskojé-Selo mit etwa 1000 Einw. liegt links vom Schlosse und hieß bei seiner ersten Anlage unter Katharina II. Sophienstadt, woran noch ein nach dem Muster der Sophienkirche in Konstantinopel erbautes Gotteshaus erinnert. Die erste russ. Eisenbahn wurde 1836 von Z. nach Pawlowsk (vier Werft lang) eröffnet und dazu später eine nach Petersburg angelegt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 780.
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