Kanon

[928] Kānon (grch.), Regel, Maßstab, Richtschnur; in der Rechtssprache: jährl. Abgabe, durch welche eine vorher ungewisse Leistung abgelöst wird; auch der feste, jährl. Erbzins des Pächters an den Grundherrn; in der Musik der Griechen: eine Art Monochord; in der neuern Musik: mehrstimmiges Tonstück, worin die verschiedenen Stimmen nacheinander einsetzen und jede einzelne die Melodie der vorhergehenden (in höhern oder tiefern Intervallen) wiederholt; in den bildenden Künsten: Regel für die Schönheitsverhältnisse des menschlichen Körpers; auch eine Schriftart, zerfallend in grobe K. von 42 und kleine K. von 32. typogr. Punkten. – In der Kirchensprache ist K. die Bibel, sofern sie die Regel christl. Glaubens und Lebens enthält und deshalb der Kirche als göttlich eingegeben (inspiriert) gilt. Den K. des A. T. hat die christl. Kirche von den Juden übernommen; er ist allmählich in der Zeit zwischen Esra und Christus entstanden. Zuerst sind als ThoraGesetz«) die fünf Bücher Mose zusammengestellt aus zwei um 621 und 444 verfaßten Hauptschriften und zahlreichen Bruchstücken älterer Werke. Dann wurde von den palästinensischen Juden aus den weitern histor. Schriften (Josua bis 2. Kön.) und den Lehrschriften der Propheten der Propheten-K., endlich aus der sonstigen hebr. Literatur eine dritte Sammlung der K. der Kethubim oder Hagiographa (s.d.) gebildet. Bei den griech. Juden nahm man in die dritte Sammlung weit mehr Schriften auf, die später als Apokryphen (s.d.) angesehen wurden, bis die röm. Kirche sie auf dem Tridentinischen Konzil als kanonisch anerkannte. Der K. des N. T. war der ältesten Christenheit unbekannt. Ende des 2. Jahrh. hatte man zwei Sammlungen: »Evangelien« und »Apostolos«, d.h. die vier jetzigen Evangelien und die Apostelgeschichte samt den Briefen (13 Paulusbriefe, 1 Petr., 1 Joh.). Die lat. Kirche schloß erst auf den Synoden zu Hippo (393) und Karthago (397) den K. des N. T. in seiner jetzigen Gestalt ab. – K., auch Beschluß eines allgemeinen Konzils; ferner Verzeichnis der Heiliggesprochenen (Kanonisierten); endlich Vorschrift über die Masse (Meß-K.).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 928.
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