Catalina, Dona de Erauso

[298] Catalina, Dona de Erauso, de Erauso, Dona, genannt la Monja-Alfarez, d. h. die Nonne-Fähnrich, einer der merkwürdigsten, abenteuerlichsten weiblichen Charaktere, deren Lebensgeschichte man ohne glaubwürdige historische Verbürgung für einen Roman halten würde, wie ja so oft die kühnste Fantasie des Dichters gegen die Wirklichkeit, gegen die tausendfachen Verkettungen des Schicksals oder Zufalls zurückbleibt. – Dona Catalina wurde zu S. Sebastian, in der Provinz Guipuscoa den 10. Februar 1585 geboren. Sie war für das Kloster bestimmt und wurde bereits im 4. Jahre ihrer Tante, der Priorin des Dominikanerklosters, übergeben. Aber ihrem lebhaften Geiste sagte die fromme Beschränkung nicht zu, ihre Sehnsucht flog hinaus über die Mauern des heiligen Asyls in ein reich bewegtes Leben, daß von ihr ungekannt, sie mit doppeltem[298] Reiz anlockte. In ihrem 15. Jahre entfloh sie aus den Klostermauern,in einem Kastanienwäldchen unfern der Stadt legte sie ihr Nonnengewand ab, und kleidete sich in Männertracht, welche sie auf listige Weise sich zu verschaffen gewußt hatte, und die sie bis an ihren Tod, nur kurze Zeit ausgenommen, nicht wieder ablegte. – So trat sie in die Welt, unbekannt mit ihren Verhältnissen, Gefahren, Leiden und Freuden. Welch ein Muth mußte das 15 jährige, im Kloster von aller Gemeinschaft der Weltleute fern erzogene Mädchen beseelen! – S ie blieb 3 Tage ohne Nahrung im Kastanienwäldchen versteckt, suchte dann einen Weg, der sie richtig nach Vittoria brachte. Hier wurde sie unerkannt bei ihrem Oheim Secretair, unzufrieden aber bald mit dieser einförmigen Beschäftigung und voll Sehnsucht nach dem Geräusche der Welt, nach Thaten und Abenteuern, verließ sie ihren Posten und ging nach Valladolid, wo sich damals der Hof befand. Bei einem Gönner ihrer Familie wurde sie unter dem Namen Franzisco de Layola Page. Eines Tages hört sie im Vorzimmer die Stimme ihres Vaters, der hierher gekommen war, um den Edelmann zu bitten, ihm zur Wiedererlangung seiner Tochter behilflich zu sein. Augenblicklich entfloh sie und ging nach Bilbao. Hier gerieth sie zu einem Maulthiertreiber, kam in die Gesellschaft von Männern der niedern Klasse, und gewöhnte sich eine Lebensart an, die ihrer Herkunft und Erziehung, ebenso wie ihrer Weiblichkeit ganz entgegengesetzt war. Wegen eines Streites mit jungen Leuten wurde sie hier einen Monat lang eingesperrt. Nach wieder erlangter Freiheit ging sie nach Estella de Navarra und wurde Diener eines Ritters de Avellano, blieb bei diesem zwei Jahre, langweilte sich aber in der Einförmigkeit ihres Lebens, kehrte nach S. Sebastian zurück, wohnte unerkannt der Messe in ihrem Kloster bei, sah ihre Mutter beten, und sprach mit den Nonnen, ihren frühern Genossinnen. Aber auch hier ließ sie ihr unruhiger Geist nicht lange weilen. Sie begab sich nach los Passayes und von da nach Sevilla. Der Bruder ihrer Mutter[299] befehligte ein Schiff, das gerade nach Westindien ging. Sie schiffte sich unerkannt mit ein, uud machte bald darauf eine Seeschlacht mit, in welcher eine niederländische Flotte von den Spaniern verbrannt wurde. Hier entzückte sie der Donner der Kanonen, das Getöse der Schlacht, der Ruf der Hörner – ihr Entschluß, sich dem Kriegshandwerk zu widmen, stand fest. – Als die spanische Flotte nach Europa zurückkehren wollte, entwich sie zur Nachtzeit und blieb in Panama bei einem Spanien, verließ diesen und kam zu einem Kaufmann, litt mit demselben Schiffbruch, rettete ihm aber das Leben, wurde hierauf Vorsteher einer Handlung in Sana, bekam Streit mit einem Manne, lauerte ihm am folgenden Morgen an der Kirche auf und hieb ihn über das Gesicht. Sie verwundete noch einen Zweiten, der jenem beispringen wollte, flüchtete in die Kirche, wurde aber arretirt und in's Gefängniß gebracht. Durch die Bemühungen ihres Prinzipals befreit, gerieth sie in Truxillo mit einem Freunde jenes zu Sana Verwundeten gleichfalls in Streit, tödtete ihn, suchte Schutz in der Kathedrale, entfloh und kam nach Lima. Sie hatte Geld und Empfehlungen mit, lebte im Hause des Kaufmanns Don Salerto, machte aus Muthwillen die junge Schwägerin desselben in sich verliebt, verlobte sich mit ihr und floh am Tage der Trauung. Sie trat jetzt unter ein Regiment, das für Chile geworben wurde, und ging mit diesem nach Conception. Hier fand sie zu ihrem größten Schrecken ihren Bruder, der Sekretair des Vicekönigs war. Sie nannte sich jetzt Ramirez de Guzmann, wurde mit ihrem Bruder bekannt, der sich liebevoll zu ihr hingezogen fühlte, und da er zugleich Hauptmann in einem Regimente war, sie nach der Schlacht von Puven, wo sie Wunder der Tapferkeit gethan und eine Fahneerobert hatte, zum Fähnrich avancirte. Sie liebte leidenschaftlich das Spiel. Einmal wagte derjenige, welcher die Bank hielt, ein beleidigendes Wort gegen sie. Heftig gebot sie ihm zu schweigen. Er wiederholte jenes Wort, sie durchbohrte ihn. Der Generalauditeur trat in diesem[300] Augenblick herein, befahl ihr sich zu entfernen und faßte sie, da sie nicht gehorchte, an der Brust. – Sie, einen Augenblick in ihrer Weiblichkeit verletzt, rächte als Krieger diese Beleidigung und stieß dem Auditeur ihren Dolch durch das Gesicht. Auch jetzt flüchtete sie in die Kathedrale und von da in das Franziskanerkloster. Der Gouverneur ließ dasselbe umstellen, und Catalina blieb 6 Monate lang eingeschlossen. Während dieser ihrer Gefangenschaft besuchte sie ein Freund, erzählte ihr, daß er in der Nähe der Stadt einen Zweikampf, aber noch keinen Sekundanten habe. Sie übernahm dieses Amt. Glücklich schlich sie sich in einen großen Mantel gehüllt durch die Wachen, erschien auf dem Kampfplatze, sekundirte, und rief, als ihr Freund einen Stich erhielt: »das ist der Stoß eines Meuchelmörders!« Der Sekundant des Gegners schalt sie dafür einen Lügner – sie kehrte ihre Waffe gegen ihn, Beide fochten – jener fiel tödlich verwundet. Er verlangte einen Priester. – Der Mond beleuchtete sein Antlitz: dieses Gesicht – diese Stimme: eswarihr Bruder! Sie eilte in das Kloster und sandte zwei Mönche zu dem Sterbenden. Er selbst hatte in seinem Gegner den jungen Guzmann erkannt, und nannte ihn dem Gouverneur; dieser verlangte nun an der Spitze einer Compagnie von den Mönchen die Auslieferung des zweifachen Mörders, aber die Geistlichen machten Miene, ihr Asyl mit den Waffen zu vertheidigen. Don Miguel de Crauso, Catalina's Bruder, wurde im Kloster begraben, und sie weinte und betete oft, von Reue zerrissen, von Verzweiflung gefoltert an seinem Sarge. Acht Monate war sie hier eingeschlossen; sie sehnte sich endlich nach Freiheit. Sie konnte nur nach Tucuman gehen und mußte einen Weg wählen, den nur Wenige lebend zurückgelegt. Ein Freund gab ihr Geld, Waffen, Lebensmittel und ein Pferd. Sie entkam und wagte sich in die schreckliche Wildniß. Hier fand sie zwei entlaufene Soldaten, in deren Gemeinschaft sie die gefährliche Reise fortsetzte. Beide erfroren in den Eisgebirgen – nur sie drang glücklich durch, und[301] als sie wieder Bäume sah, jubelte sie laut auf. Bei Tucuman traf sie zwei Männer, die sie zu einer Witwe brachten, welche zwei Töchter hatte. – Auch hierher trug sie ihren Unstern; das Unglück fesselte sich an ihre Sohlen, sie stürzte sich in neue Gefahren, welche nur mit Verbrechen endeten. Aus langer Weile spielte sie mit dem Glücke der einen Tochter, eroberte deren Herz, erhielt das Jawort und den Segen der Mutter. Am Tage der Hochzeit verschwand sie wieder mit ihrem Maulthier. In Potosie wurde sie Haushofmeister eines reichen Edelmanns, mußte auch von hier wegen Schlägereien flüchten, und trat von Neuem mit höherm Range in die Armee. Sie focht gegen die Indianer, machte viele Beute und verlangte nach dem Frieden ihren Abschied; da sie diesen nicht erhielt, desertirte sie nach Rio de la Plata. Hier verspielte sie ihr Geld, verwundete im Auftrag ihrer Gönnerin, der Marquise von Chares, eine andere vornehme Dame, wurde auf die Tortur gebracht, und da sie nichts gestand, aus Chile: und La Plata verbannt. Sie ging nach Charkas – erstach beim Spiel einen Kaufmann aus Sevilla, suchte in der Kirche Schutz und entkam abermals. Nachdem sie in Piscabamba einen portugiesischen Edelmann erstochen, wurde sie zum Tode verurtheilt, aber auf dem Richtplatze begnadigt. – Sie lebte hierauf in Cuzco. Hier faßte sie gegen einen jungen schönen Mann, welcher wegen seiner Tapferkeit den Beinamen »der neue Cid« hatte, unauslöschlichen Groll. Als er beim Spiele unversehens seine Hand auf ihr Geld legte, zog sie ihren Dolch und heftete mit raschem Stoße seine Hand an den Tisch. »Weicht von mir!« schrie sie, ihren Degen ziehend, »er wollte mich berauben.« Sie wehrte 'sich gegen die Uebermacht, erhielt drei Wunden, gelangte fechtend bis auf die Straße; hier sammelten sich die Anhänger beider Parteien, um die Sache auszufechten. Der Cid stieß Catalina seinen Dolch in die Schulter, einer seiner Freunde verwundete sie in der linken Seite; sie stürzte nieder, ihre Freunde fochten. Plötzlich erblickte sie den verhaßten Gegner auf den Stufen einer [302] Kirche stehen. Sie sammelte Kräfte, kroch dahin, und noch ehe er seinen Dolch ziehen konnte, sank er schon von ihrem Schwerte durchbohrt. Ein Mönch nahm sie auf, pflegte sie und heilte ihre Wunden. Ihm gestand sie ihr Geschlecht; fünf Monate mußte sie das Bett hüten; endlich genas sie, aber von allen Seiten drohte ihr der Tod. Später gelang es ihr aus der Stadt zu entkommen. Sie reiste langsam, betete oft, wurde düster und traurig, und schien tiefe Reue zu fühlen. Am Thore von Lima wurde sie von zwei Alguazils und einem Neger verfolgt. Rasch drehte sie sich um, schoß den Neger nieder, lief weiter, begegnete einem andern Neger, der ein Pferd führte, stieß diesen zur Seite, schwang sich auf das Roß, und jagte im Gallop nach Guamanya. Am Flusse Balsas sah sie drei Reiter am gegenseitigen Ufer. Sie waren ihr nachgeschickt worden. Rasch entschlossen drohte sie ihnen mit ihren Pistolen, legte drei Goldstücke auf einen Stein, verbeugte sich und setzte ihre Reise fort. In Guamanya vertheidigte sie sich vor dem Hause des Bischofs mit Löwenmuth gegen die Häscher. Der Bischof schritt als Vermittler ein, und sie ging als Gefangene in sein Haus. – Hier beichtete sie Alles, erhielt Verzeihung ihrer Sünden, zog die Kleider ihres Geschlechts wieder an, und trat im 28. Jahre von Neuem in's Kloster der heiligen Clara. Später lebte sie im Kloster der heiligen Dreieinigkeit zu Lima. Ein Schreiben rief sie nach Europa zurück, aber sie bekam Händel auf dem Schiffe und mußte auf ein anderes gebracht werden. Am 1. November 1624 landete sie in Cadix, das Volk versammelte sich und staunte die Fahnenjunker-Nonne an. Sie wollte nach Rom gehen, wurde aber in Piemont ausgeplündert. Die Regierung gab ihr als Belohnung für ihre Kriegsdienste eine Pension von 1800 Kronen und die Erlaubniß, sich Alfarez Dona Catalina zu nennen. Sie brach zum zweiten Male nach Rom auf. Urban VllI. söhnte sie gänzlich mit der Kirche aus, erlaubte ihr für ihr übriges Leben männliche Kleidung, aber unter der Bedingung, daß sie keine Waffen mehr trage[303] und in ihrem Nächsten Gottes Ebenenild ehre. Sie kehrte nach Spanien zurück, wo sie überall die größte Neugierde erregte. Ihre letzten Lebensjahre sind in Dunkel gehüllt. Man weiß nur so viel, daß sie nicht ruhig bleiben konnte, und 1630 wieder nach Amerika zurückkehrte. Pacheco malte vor ihrer Abreise noch ihr Bild, welches sich gegenwärtig im Besitz des Obersten Scheppler zu Aachen befindet.

n.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 298-304.
Lizenz:
Faksimiles:
298 | 299 | 300 | 301 | 302 | 303 | 304
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon