[198] Havannah, die Hauptstadt von Cuba (s. d.), der letzten bedeutenden spanischen Besitzung in Amerika, der herrlichste und größte Hafen von ganz Westindien, liegt auf der Nordseite der Insel nach Mexiko zu und hat 120,000 Ew. H. zählt nahe an 4000 Häuser, worunter prächtige Kirchen und Palaste. Es ist der Sitz des Vicekönigs, eines Erzbischofs, einer Universität etc. Das[198] Land rings um die Stadt, welches die Havannah wißt, ist furchtbar, das Klima, trotz des glühenden Himmelsstriches, mild und segensreich; die Atmosphäre ewig heiter, die Vegetation üppig, das Leben voll Genuß und Annehmlichkeiten. Hier entfaltet der Mangnoliabaum seine großen, duftenden Blumen, hier gedeiht der Brodfrucht-, der Kanonenkugel-, der Calabaßbaum, die himmelhohe, schlanke Palme, umschlungen von den schönsten Rankgewächsen; die Vanille würzt mit ihrem lieblichen Odem alle Wälder, Cacaobäume bedecken, wie bei uns die Weide, alle feuchten Plätze. Baumwolle, Reis, Zuckerrohr, Kasse, Indigo, Tabak etc. werden in ungeheuren Plantagen gebaut. 600 Zuckermühlen bereiten ½ Million Zentner Zucker, Wachs, Häute, Geweihe, Hörner, Seefische, Schildkrot, süße Früchte, Farbe- und Gewürzhölzer und Mahagoni werden ausgeführt. Die Berge, welche das halbmondförmige Land nach allen Richtungen hin durchziehen, liefern Gold, Silber, Quecksilber, Platina, Kupfer, Blei, Zinn, verschiedene Sorten Edelsteine. Havannah's Frauen, von spanischer Abstammung, sind vor allen Kreolinnen Amerika's die ungezwungensten, geselligsten; sie haben am meisten die spanische Grandezza, den altcastilischen Ernst abgestreift. Von Gestalt sind sie großentheils schlank, weniger gebräunt als Spanier und Portugiesen; man nennt sie »die Blumen der Antillen.« Man legt ihnen Gefallsucht, Genußsucht und Eitelkeit zur Last, aber sie verbreiten über diese Eigenschaften einen Duft von Liebenswürdigkeit, der sie nur reizend erscheinen läßt. Ihr Geist ist lebhaft, ihr Sinn verständig, ihr Körperbau kräftig; sie besitzen Geschmack und Reichthum, lieben Gesang, Tanz und Spiel. Ihre Kleidung ist durchgängig französisch, d. h. nach unserm Ausdrucke modern; sie schmücken die schöne Stirn mit den wundervollen Blumen ihres Landes, die Hüte mit prächtigen Federn, und wissen sehr gut Ternaux vom echten persischen Shawl zu unterscheiden. Alle spielen die Laute und mit großer Fertigkeit. Eine wichtige Beschäftigung ist der Besuch der Messe; hier versammelt man sich [199] im größten Putze, nicht nur, um zu sehen, sondern mehr, um gesehen zu werden. Das Cigarrenrauchen ist bei ihnen allgemein. Die Bildung ist freilich nicht von hohem Belange; aber die geselligen Eigenschaften, ein herzlicher Ton, Unterhaltungsgabe, Schelmerei und Muthwille, die ihnen angeboren sind, läßt dieselbe weniger vermissen. Ihrer Liebenswürdigkeit geschieht durch ihre Unwissenheit kein Abbruch; sie errathen das Fremdartige, was ihnen aufstößt; sie besitzen für schwierige Verhältnisse Scharfblick und Umsicht.
V.