[393] Ida, die Heilige. Eine der anmuthigsten christlichen Legenden ist die der[393] heiligen Ida. Karl der Große hatte das Volk der Sachsen und ihren Herzog Wittekind nach langen und blutigen Kämpfen unterjocht und getauft. Ein Neffe dieses sächsischen Fürsten wurde zum Herzoge des Volksstammes, welcher die Gegend zwischen dem Niederrhein und der Weser bewohnte, erhoben. Der Tod hatte ihm frühzeitig eine schöne und geliebte Gattin geraubt; seine Trauer über diesen Verlust war eben so tief, als gerecht, um so mehr, da kein männlicher Erbe lindernden Trost in der Zukunft versprach. Der Kaiser, gerührt durch die Leiden des ihm befreundeten Herzogs, bestimmte ihn, um ihn zu zerstreuen, zu einer größern Reise, da er nicht ohne Grund voraussetzte, die Entfernung vom Orte der Trauer würde auch die des Gemüthes vermindern. Auf seinem Wege durch Franken überraschte den Herzog aber im Hause eines fränkischen Grafen, welches ihm der Kaiser als Herberge ausersehen, eine tödtliche Krankheit. Hier empfing er die sorgfältigste Pflege, die Tochter des Grafen, die fromme, sanfte Ida wurde sein schützender Engel; Tag und Nacht wich sie nicht von seinem Siechbette und war ihm selbst in den Fieberträumen der Phantasie eine lichtvolle Erscheinung, an welche den Genesenden nicht Dankbarkeit allein, sondern Verehrung und bald auch die innigste Liebe fesselten. Egbert warb um Ida's Hand, gleiche Neigung kam ihm entgegen und die holdeste der Jungfrauen wurde unter dem Segen der Kirche und der freudigen Zustimmung des Kaisers seine Gattin. Bald folgte sie dem Geliebten in seine und jetzt auch ihre Heimath. Nicht fern vom Ziele schlugen sie an einem schönen Abende das Lager auf einem grün umbuschten Wiesenteppich auf, und hier war es, wo in sternenheller Sommernacht Ida's wachendem Auge ein Engel, von Himmelsklarheit und Rosenlicht umflossen, erschien und ihr gebot, auf dieser Stelle ein Gotteshaus zu bauen, worin sie dereinst an ihres Gatten Seite im Tode ruhen sollte. Ida und der Herzog folgten freudig dem höhern Befehle, und bald erhob sich aus dem gelichteten Waldesdunkel[394] der Grund der Kirche. Ein sanfter Hirsch gesellte sich während des Baues zu Ida und trug auf seinem Rücken und Geweihe Steine durch den Lippefluß herbei, bis der Tempel vollendet war. Das treue Thier gab auch der Stadt, welche sich rings um die Kirche bildete, den Namen Hirschfeld (Herzfeld). Noch heute erblickt das gläubige Auge im Flußbette die grüne Furth, welche Ida und ihr Hirsch wandelten, und ein uraltes Gemälde, die Herzogin mit dem treuen Gefährten darstellend, erinnert an diese sinnige Sage. Ida beglückte den Gemahl in einer langen, gesegneten Ehe mit einer blühenden Nachkommenschaft, ihre Unterthanen aber durch zahllose Werke der Wohlthätigkeit und Milde. Nach Egbert's Tode begrub sie den theuern Leichnam in der von ihr gestifteten Kapelle, wohin sie sich von da an, nur dem Gebete und dem Angedenken an den theuern Todten lebend, zurückzog, bis sie im hohen Alter im J. 828 selbst zum ewigen Leben einzog. 980 wurden ihre Gebeine ausgegraben und sie heilig gesprochen. Zahlreiche Wunder haben sich über dem Grabe der frommen Frau begeben, das schönste und größte aber ist der Segen, mit dem ihr Geschlecht sich ein Jahrtausend hindurch auf Deutschlands Thronen heilbringend forterbte. Die jetzige königl. preußische Dynastie, so wie mehrere andere Fürstenhäuser nennen die heil. Ida ihre Stammmutter.
T.
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