Platen-Hallermünde, August, Graf von

[230] Platen-Hallermünde, August, Graf von. Dieser Mann hatte Herz und Seele einer Geliebten geschenkt, die in der[230] Achtung der modernen Welt schon längst gesunken ist. Schwärmerisch dem Alterthume hingegeben, bildete er den phantastisch-poetischen Wahn in sich aus, er sei dazu berufen, Retter und Wiederhersteller der sogenannten altklassischen Poesie in Deutschland zu werden, das er tief versunken glaubte in Formlosigkeit, Unnatur und Ungeschmack. Um das Amt eines Erlösers ist es immer eine mißliche Sache gewesen, unglücklicher aber wird Keiner sein, als wer sich, einer ganzen Zeitrichtung völlig entfremdet, zum Retter des Geschmackes aufwerfen will in einer Art, wie es P. that. Er vergaß, daß zwischen altklassischer Bildung und Leben die Kluft von zwei Jahrtausenden liegt, die sich nicht ohne Gefahr überspringen läßt. Dennoch wagte er das Unternehmen, fand bei gleichgesinnten Enthusiasten für tadellose Rhythmen, gedrechselte Verse und abgeschliffene Gedanken einigen Anklang, entfremdete sich aber dem Ganzen der Nation, deren Leben, Denken und Dichten längst ein innerlicheres geworden war. P's poetische Saitenklänge machen zu wenig das Gemüth erbeben, um national werden zu können; es sind glänzende Muscheln, in denen keine klare Perle liegt. – Abgesehen von diesem Mißgriff, der dem Dichter Lebensmuth, Vaterland und zuletzt das Leben selbst kostete, müssen die Bestrebungen an sich geachtet werden, die von seltenem Talent zeugen, ein an und sich sprödes Sprachidiom zu griechisch-volltönendem Wohllaut zu erheben. Seine deutschen Zeitgenossen wurden diese Bemühungen um so lieber anerkannt haben, hätte er sich nicht an dem vergriffen, was die Zeit modernen Gedankenausdrucks zur Erscheinung brachte, und, ob auch oft zu grell, doch als nothwendig für sie selbst, hinstellte. Seine satyrischen Dramen: »die verhängnißvolle Gabel« und »der romantische Oedipus,« Meisterwerke sprachlicher Kunstfertigkeit, verwickelten ihn in Streitigkeiten mit Immermann und Heine, aus denen er keineswegs als Sieger hervorging. Ueberhaupt war das eigentliche Drama nicht diejenige Form, in der er sich mit Glück bewegte, wovon sein letztes Trauerspiel: »die[231] Ligue von Cambray« einen nur zu schlagenden Beweis gibt. Glücklicher war er im Epos und der Ghasele, einer Dichtungsart, die er wetteifernd mit Rückert (s. d.) zur durchsichtigsten Kunstform ausmeißelte. Auch seine »Venetianischen Sonette« und Gedichte enthalten des Zarten und wahrhaft Poetischen viel, so oft auch die Innigkeit der Tiefe des Gedankens, der Form zu Liebe, geopfert wird. – Muthlos und schwermüthig verließ er in den letzten Jahren seines Lebens Deutschland, und zog sich zurück in die Trümmer von Syrakus. Dort dichtete, träumte und seufzte der an Herz und Freunden verarmte Dichter, in dem Wahne, man verachte ihn, und Deutschland sei nicht werth eines Dichters, wie er. Sein Stolz und einige thörichte und geistig-schwache Lobhudler trugen noch mehr zu dieser gänzlichen geistigen Vereinsamung bei, an der er am 5. December 1835, nachdem er kurz zuvor auf wenige Monate sein Vaterland nochmals besucht und mit argwöhnischem Blicke wieder verlassen hatte, zu Syrakus in Sicilien starb. Sein Tod wäre tragisch erschütternd, wenn sich nicht zu viel lächerliche Eitelkeit beimischte. Auf ihn und sein ganzes Leben läßt sich parodirend der Heine'sche Vers anwenden:

»Das ist eine alte Geschichte,

Doch bleibt sie immer neu;

Um wem sie just passiret,

Dem bricht das Herz entzwei.«

Platen ward am 24. Octob. 1796 zu Ansbach geboren, trat, von seinem Vater zum Kriegsdienst bestimmt, in das Kadettenhaus zu München, nahm 1815 Theil an dem zweiten Feldzug nach Frankreich, studirte später zu Würzburg und Erlangen, und lebte dann abwechselnd in Deutschland und Italien, bis er das Letztere zu seiner Heimath erwählte.

W.....m.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 230-232.
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