[134] Edda ist der Name zweier aus dem altnordischen Altertum erhaltenen Lieder- und Sagensammlungen, gewöhnlich ältere und jüngere Edda geheissen. I. Die ältere Edda. Den Namen Edda = Ältermutter, fem. von Aetti = Vater, erhielt die ältere Sammlung erst durch den Bischof Brynjulf Swendsen zu Skaltholt, welcher im Jahre 1643 die älteste Handschrift, den codex regius, auffand und einer Kopie derselben den Titel Edda Saemundar hinns froda, Edda Sämund des Gelehrten, vorsetzte; dieser Sämund ist Sämund Sigufson, von seiner Gelehrsamkeit zubenannt, 10551133, der Stifter[134] einer der ältesten isländischen Schulen. Beweise dafür, dass Sämund der Sammler der Edda gewesen sei, hat man keine. Jedenfalls sind die Lieder auf dem Festlande gedichtet und von den Isländern mit nach der Insel gebracht und so gerettet worden. Die ältesten Lieder werden dem 6. Jahrh. zugeschrieben. Alle haben den Stabreim. Man unterscheidet, obgleich nicht gleichmässig, mythologische Lieder und Heldenlieder. Zu den mythologischen gehört:
1. Völuspâ oder die Weissagung, das Gesicht der Wala, die Seherin Wala enthüllt die ganze Geschichte des Weltalls in mythischer Fassung.
2. Grimmismâl d.i. Gesang Grimmirs, eines Namens, unter dem sich Odhin verbirgt; dieser, von seinem Pflegesohn als Zauberer gequält, beklagt seine Lage und schildert im Gegensatze die zwölf Wohnungen der Götter und die Herrlichkeit Walhallas.
3. Vafthrudnismâl, d.i. Gesang Wafthrudnirs. Odhin lässt sich mit dem Riesen Wafthrudnir in einen Wettkampf der Weisheit ein über Fragen kosmogonischen und mythologischen Inhaltes; der Riese verliert Wette und Haupt.
4. Hrafnagaldr Odhins, Odhins Rabenzauber, das dunkelste aller Eddalieder. Nach Simrock lässt sich der allgemeinste Sinn des Liedes dahin angeben, dass die Götter in dem Eintritt der Winterzeit ein Sinnbild des nahenden Weltunterganges erblicken, da sie beim Abfall des Laubes von trüben Ahnungen ergriffen werden.
5. Vegtamsquidha, das Lied vom Wanderer: Odhin, der Wanderer, reitet nach Niflhel und befrägt hier eine Wala um das Schicksal Balders, über dessen Tod kündende Träume alle Götter in Angst sind.
6. Thrymsquidha oder Hamars heimt, Hammers Heimholung. Thor, in Freya verkleidet, geht unter Lokis Begleitung als Braut nach Jötunheim; mit dem ihm als Brautgabe übergebenen Hammer tötet er das Riesengeschlecht; u.a. von Chamisso übersetzt.
7. Hârbardhsliódh, das Lied vom Haarbärtigen. Odhin als Fährmann Harbardh soll, dem jenseits, des Flusses stehenden Thor die Überfahrt gewähren; Thor zieht im Gespräche überall den Kürzern und wird nicht übergefahren, sondern heim zu seiner Mutter gewiesen.
8. Alvîsmâl, des Allweisen Lied, eine schwache Nachahmung von Nr. 3. Ein Fragespiel Thors mit dem Zwerg Alvîs, bei dem es um eine Braut gilt, giebt Veranlassung, eine Reihe poetischer Synonyme vorzuführen.
9. Hymisquida, die Sage von Hymir, Thors Fischfang mit dem Riesen Hymir.
10. Oegisdrecka, Ögirs Trinkgelag. Die Götter sind bei Ögir versammelt, Loki aber wird einer Gewaltthat halber weggejagt. Er kommt jedoch zurück und wirft nun allen Göttern und Göttinnen Schandthaten und Verbrechen vor, bis endlich Thor durch sein Erscheinen Loki bewegt, das Feld zu räumen.
11. Skirnis för, Skirnes Fahrt. Skirnir, Freys Diener, wirbt für seinen Herrn um die schöne Gerdur, die Tochter des Riesen Hymir.
12. Hyndluliodh, das Hyndlalied. Freya begiebt sich mit ihrem Schützling Ottar zur Riesin Hyndla und lässt diese seine Abstammung kund thun, bei welchem Anlasse auch die Stammbäume anderer Heldengeschlechter angegeben werden.
13. Hâva mâl, die Rede des Hohen, d.i. Odhin, enthält Lebensregeln und Vorschriften für den Gast und Reisenden, für Haushaltung und häusliches Leben, für die Landwirthschaft, sodann eingeschoben die Erwerbung des Dichter-Mets durch Odhin, dann Lehren des Vaters an seinen Sohn und die Lehre von den Runen.[135]
14. Sôlarliódh, Sonnenlied, ein christliches, aber mit altheidnischen, mythologischen Bildern und Vorstellungen ausgeschmücktes Lied.
15. Gróugaldr, Groas Erweckung, eine Nachahmung von Odhins Runenlied im Havamal.
16. Rigsmâl, mythische Erzählung vom Ursprung der drei Stände: des Adligen, des Freien und des Knechtes.
17. Fiölsvínnsmâl, des Vielwissers Lied, ein durchaus dunkles Rätsellied.
Der Heldensage gehören folgende Lieder an:
1. Helgaquidha Hjörvardhssonar, das Lied von Helgi, dem Sohne Hiörwards. Helgi rächt mit Hilfe der Walküre Swâwa den Vater seiner Mutter an deren erstem abgewiesenen Freier, fällt aber im Kampfe.
2. Helgaquidha Hundingsbana fyrri. Nachdem Helga, Sigmunds Sohn und der Borghild, den Hunding getötet, geht er daran, die Walküre Sigrûn ihrem ersten Versprochenen abzugewinnen, was Helgi gelingt.
3. Helgaquidha Hundingsbana hin önnur, das andere Lied von Helgi, dem Hundingstöter. Nachdem Helgi seinem Vater Sigmund im Kampf gegen Hunding geholfen und Sigrûn von ihrem Verlobten Hödbrodd befreit, vermählt er sich mit Sigrûn; ihr Bruder aber, dessen Vater und Bruder von Helgi getötet worden, durchsticht diesen. Als Geist kehrt der Getötete zu seiner Gattin zurück und unterredet sich mit ihr; da er aber die zweite Nacht vergebens erwartet wird, stirbt jene vor Harm und Leid.
4. Sinfiötlalok, Sinfiötlis Ende, ein prosaischer Zwischenbericht, der das, was in den Helgiliedern von Sinfiötli, dem ältesten Sonn Sigmunds, erzählt war, durch die Erzählung von seinem Tode ergänzt und das Verwandtschaftsverhältnis von Sinfiötli und Helgi zu Sigurd erläutert.
5. Grîpis spâ. Gripirs Weissagung, oder Sigurdharquidha Fafnisbana hin fyrsta, das erste Lied von Sigurd dem Fafnirstöter. Sigurd (Siegfried) reitet vor Beginn seiner Heldenlauf bahn zu Grîpir, dem Bruder seiner Mutter Hiördis, damit dieser ihm alle seine Geschicke bis zu seinem Tode voraussage. Er erhält die gewünschte Auskunft und reitet hinweg.
6. Sigurdharquidha Fâfnisbana hin önnur, das andere Lied von Sigurd dem Fafnirstöter und
7. Fâfnismâl, das Lied von Fafnir. Regin begiebt sich an den Hof Hialprets, wo der junge Sigurd lebt, erzählt ihm von dem Horte, welchen einst die drei Götter Odhin, Hymir und Loki seinem Vater Hreiumâr als Busse für die Tötung Oturs, seines Sohnes, durch Loki gaben, und auf welchem nun der dritte Bruder Fafnir, um des Hortes alleiniger Herr zu bleiben, in Drachengestalt als Hüter liegt. Er reizt ihn zur Bekämpfung Fafnirs und schmiedet ihm zu diesem Zwecke das Schwert Gram. Sigurd zieht nun mit Schiffsvolk aus zur Rache an Hundings Söhnen, die seinen Vater Sigmund erschlugen, besiegt sie und reitet dann auf die Giukaheide, wo er Fafnir tötet. Da offenbart ihm Regin, wen er erschlagen habe, er trinkt von Fafnirs Blut und befiehlt Sigurd, das Herz am Feuer zu braten. Dadurch dass der Saft des Herzens diesem die Zunge netzt, erlangt er Fähigkeit, die Sprache der Vögel zu verstehen, worauf er durch die Unterredung eines Adlerpaars sofort erfährt, dass Regin ihn zu verderben sinne. Er isst Fafnirs Herz, tötet den schlafenden Regin, belastet sein Ross mit dem Golde und reitet zu Giukis Burg.
8. Brynhildarquidha Budla dôttur hin fyrsta oder Sigrdrîfumâl, das erste Lied von Brynhild, Budlis Tochter, oder Sigrdrifas Rede. Auf dem Wege zu Giukis Burg erblickt[136] Sigurd einen Berg, dessen Gipfel Lohen umgeben. Er reitet hinauf, dringt durch die Glut, tritt in einen Saal und findet da einen in voller Rüstung schlafenden Mann. Als er mit dem Schwerte die Brünne zerschnitten und abgezogen, ist es eine Jungfrau, die nun erwacht und erzählt, dass Odhin sie in diesen Schlaf gebracht habe. Sie reicht ihm den Minnetrank und nennt sich Sigrdrîfa. Nachdem sie ihm die näheren Vorgänge erzählt und ihn durch Runen- und Sittensprüche belehrt, bricht das Lied plötzlich ab.
9. Brot af Brynhildharquidha, Bruchstück eines Brynhildenliedes. Der verlorene Anfang hatte ohne Zweifel die Gewinnung der Brynhild durch Sigurd für Gunnar und ihre unglückliche Ehe mit Gunnar zum Gegenstande. Das Bruchstück beginnt nun mit der von Brynhild an Gunnar gerichteten Aufforderung, den treulosen Sigurd zu töten, erzählt die Ausführung des Mordes, Brynhilds Freude und Hohnlachen, als sie die That erfährt, Gudruns Verwünschung des Mörders, Brynhilds Geständnis, dass Sigurd unschuldig gewesen, und ihre Verkündigung des bevorstehenden Unterganges der Nibelunge.
10. Sigurdharquidha Fâfnisbana hin thridja, das dritte Lied von Sigurd. Sigurd ist mit Giukis Söhnen in Verbindung getreten, und hat ihre Schwester Gudrun geehelicht; darauf ziehen sie aus, die Brynhild für Gunnar zu werben. Sigurd erwirbt sie und überantwortet dem Gunnar die unberührte Braut. Aber diese fühlt sich unglücklich vermählt, beklagt ihr Geschick und reizt Gunnarn zu Sigurds Morde auf. Gunnar schwankt und fragt Högnin (Hagen), der den Verrat missbilligt. Da wird dem jüngsten Bruder, den keine Eide binden, dem Gudwurm, die Ausführung übertragen. Dieser stösst dem an Gudruns Seite schlafenden Helden den Stahl ins Herz, wird aber selbst von dem Schwerte, das der Todwunde ihm nachwirft, mitten entzwei gespalten. Der Sterbende nennt der erwachenden Gattin Brynhild als Anstifterin des Mordes. Gunnar schilt sie darum, aber ihn demütigend sagte sie, dass sie wisse, wie sie bei der Vermählung betrogen worden sei, sie gesteht ihre Liebe zu Sigurd und will mit ihm den Tod teilen. Sie sticht sich das Schwert ins Herz, weissagt Gunnar Versöhnung mit Gudrun, welche die Swanhild gebiert und dann mit Atli sich vermählt. Zuletzt bestellt Brynhild noch ihr und Sigurds Begräbnis.
11. Helreidh Brynhildar, Brynhilds Totenfahrt zu Hel, der sie ihr Schicksal erzählt.
12. Gûdhrûnarquidha hin fyrsta, das erste Gudrunlied. Schilderung des Schmerzes der Gudrun beim Anblick ihres toten Gemahls.
13. Drap Niflunga, Mord der Nibelunge, kurzer., prosaischer Zwischenbericht zur Überleitung auf die folgenden Lieder.
14. Gûdhrûnarquidha hin önnur, das andere Gudrunlied. Gudrun, mit Atl vermählt, klagt dem Thiodrek (Dietrich von Bern) ihr Schicksal, dass sie wider ihre Neigung Atli, dem Bruder der Brynhild, ihre Hand habe reichen müssen. Sie schliesst mit Angabe der Unheil verkündenden Träume Atlis und mit der Versicherung, dass sie suchen werde, dieselben in Erfüllung gehen zu lassen.
15. Gûdhrûnarquidha hin thridja, das dritte Gudrunlied. Eine Magd, Herjak (Helche), hat Gudrun Atli gegenüber der Untreue mit Thiodrek; geziehen, durch ein ihr günstiges Gottesurteil befreit sie sich von der Anklage.
16. Oddrûnar grâtr, Klage der Oddrun, ein späteres, unechtes Lied. Oddrun, Atlis Schwester, erzählt einer Freundin, wie sie gegen den Willen ihres Bruders ein Liebesverhältnis mit Gunnar gehabt habe,[137] um dessen willen Atli Gunnar und Högni getötet habe.
17. Gunnars slagr, Gunnars Harfenschlag, das Lied, mit welchem der von Atli in die Schlangenhöhle geworfene Gunnar die Schlangen bis auf eine, die ihn tötete und Atlis Mutter war, eingeschläfert haben soll. Vielleicht eine Falschung.
18. Atlaquidha und
19. Atlamâl, Sage und Gesang von Atli. Beide Lieder schildern den heimtückischen Verrat Atlis an seinen Schwägern, den Giukungen Gunnar und Högni, und die deshalb von Gudrun, ihrer Schwester, an ihm ausgeübte Rache. Atli zürnt den beiden Fürsten, weil er sie für schuldig hält am Tode der Brynhild, und weil er als Gemahl der Gudrun auf den Hort Ansprüche macht, der ihr nach Sigurds Tode von den Brüdern gewaltsam entrissen wurde. Er ladet sie durch einen Boten zum Gastmahle ein, und sie, vergebens gewarnt, folgen der Einladung. Gleich bei ihrer Ankunft in Atlis Burg werden sie hinterlistig angegriffen, erliegen jedoch erst nach der tapfersten Gegenwehr. Atli fordert von den Gebundenen den Hort, Gunnar aber weigert sich, den Ort seiner Bewahrung zu entdecken, solange Högni lebe. Da lässt Atli einem Knechte das Herz aus dem Leibe schneiden und es blutig als Högnis Herz vor Gunnar tragen; der aber erkennt an dem Beben des Herzens, dass es nicht Högnis Herz sein könne, das nie gebebt habe. Nun wird Högni selbst getötet und seines Herzens beraubt, und Gunnar erkennt es als solches an, doch solle Atli den Ort des Schatzes niemals erfahren. Da wird Gunnar in die Schlangengrube geworfen, um seinen Trotz zu büssen. Nun wird Gudrun von der heissesten Rache aufgestachelt, sie tötet ihre mit Atli erzeugten Söhne, giebt dem Vater deren Herz zu essen und deren Blut mit Wein vermischt zu trinken, durchbohrt ihn dann selbst mit Hilfe von Högnis Sohne Niblung, als er trunken im Bette schläft, und steckt die Burg in Brand. Sie selbst will ihren Tod im Meere suchen, aber ihr Geschick ist noch nicht erfüllt.
20. Hamdismâl, das Lied von Hamdir, erzählt, wie Gudrun ihre nach Atlis Tode mit Jônakur erzeugten Söhne Hamdir und Sörli zur Rache an König Jörmunrek (Ermanrich) aufreizt, der ihre und Sigurds Tochter, die ihm verlobte Swanhild, auf des treulosen Bikkis (Sibich) Rat wegen fälschlich angeschuldigter Untreue von Rossen hatte zu Tode treten lassen. Jene reiten nach kurzer Weigerung ab und finden ihren Feind beim Zechgelage. Sie richten eine grosse Niederlage unter Jörmunreks Mannen an, berauben ihn selbst der Hände und Füsse und werden so lange vergebens bekämpft, bis Odhin selbst erscheint und den Rat erteilt, Steine auf sie zu werfen, denen sie endlich erliegen.
21. Gûdhrûnarhvöt, Gudruns Aufreizung oder Racheruf, an ihre Söhne wegen der Ermordung ihrer Schwester gerichtet, Wehklagen über ihr eigenes jammervolles Geschick und Aufforderung an ihren ersten Gemahl Sigurd, wie er versprochen habe, auf schwarzem Rosse herzureiten und sie aus dem Leben abzuholen. Sie befiehlt, den Brand zu rüsten, dass ihre Brust voll Leides nun brennen möge.
22. Völundarquidha, das Lied von Völund, dem Schmied Wieland. Dieser, ein finnischer Königssohn, hat mit seinen Brüdern Egill und Slagfidhr die Heimat verlassen und in Wolfthalen im Reiche des Niarenkönigs Nidhudhr Wohnsitz genommen. Einst überraschten die drei Brüder drei Schwanjungfrauen (Walküren) am Seestrande, fingen sie und vermählten sich mit ihnen. Wie jedoch die drei Brüder einmal auf der Jagd sind, bemächtigen jene sich ihrer Schwanhemden und fliegen[138] fort, Kampf aufzusuchen. Die heimgekommenen Brüder finden ihr Haus leer, Egill und Slagfidhr machen sich auf, ihre Frauen zu suchen, Wieland aber bleibt daheim, schmiedet Goldringe und reiht sie an den Lindenbast Da vernimmt Nidhudhr, dass Wieland in Wolfthalen sitze und zieht mit seinen Mannen bei Nacht aus, sich seiner zu bemächtigen. Er ist aber nicht zu Hause; da verbergen sie sich, nachdem sie einen der Ringe weggenommen. Ermüdet von der Jagd kommt Wieland heim, zählt die Ringe und vermutet, da einer fehlt, seine Frau Alwitr sei zurückgekehrt. Eingeschlafen, wird er von Nidhudhr an Händen und Füssen schwer gefesselt und hinweggeführt. Daheim giebt der König den Ring seiner Tochter Bödhwild, Wielands Schwert aber behält er für sich. Auf den Rat seiner Gemahlin, die Wielands Rache fürchtet, lässt er ihm die Sehnen an den Füssen durchschneiden und setzt den Gelähmten nach Sävarstadh, wo dieser ihm allerhand Kleinode schmieden muss. Aber zur Rache tötet Wieland Nidhudhrs junge Söhne, wirft die Gebeine unter den Löschtrog, schweift ihre Hirnschalen in Silber und giebt sie dem König, ihrem Vater. Aus ihren Augen macht er Jarknasteine, Augensteine, und sendet sie Nidhudhrs Weibe, aus ihren Zähnen Brustringlein, die er der Bödhwild schickt. Einst spielt diese mit Wielands Ring, und er zerbricht. Der Schmied, zu dem sie geht, verspricht ihr, ihn ganz zu machen, schläfert sie aber ein und bewältigt sie. Darauf nimmt er sein von ihm gefertigtes Federgewand hervor und hebt sich lachend in die Lüfte. Aus dem Wolken giebt er dem ihn befragenden König Kunde über das Schicksal seiner Söhne und seiner Tochter und entfliegt.
II. Die jüngere Edda oder Snorra-edda, weil sie, aber mit Unrecht, dem Snorri Sturlason, 1178 bis 1241, dem Verfasser der Heimskringla, eines grossen nordischen Geschichtswerkes, zugeschrieben wird. Die jüngere Edda ist ein Handbuch für junge Skalden, die sich mit der Götterlehre, der Heldensage, den Gesetzen der Dichtkunst und Beredsamkeit bekannt machen wollen, und zerfällt in folgende Teile:
1. Gylfaginning, Gylfis Verblendung, schliesst sich in seiner Einkleidung an das dritte mythologische Lied der älteren Edda an, an Wafthrudnismâl. Wie dort Odhin unter dem Namen Gangradr einen mächtigen und weisen Riesen besucht, um sein Wissen auf die Probe zu stellen, und so ein Wettstreit beginnt, bei dem das Haupt des Unterliegenden zu Pfande steht, so wird umgekehrt hier die Weisheit der Götter auf die Probe gestellt. Gylfi, ein mythischer König von Schweden, begiebt sich nach Asgard, um zu erfahren, woher dem Asenvolke seine Macht komme; sein Name ist Gangleri, der Wanderer. Die Götter machen ihm aber ein Blendwerk oder Gaukelspiel vor, und zeigen sich ihm nicht in ihrer wahren Gestalt, sondern beantworten seine Fragen von einem dreifachen Hochsitze aus unter den Namen Hars, Jafahars und Tridis, d.i. der Hohe, Gleichhohe und der Dritte. Die vorgelegten Fragen geben Veranlassung, die Hauptlehren des nordischen Götterglaubens darzulegen.
2. Bragarödur, Bragis Gespräche, der Ögisdrecka, dem zehnten mythologischen Liede. der älteren Edda, nachgebildet. Ögir, ein zauberkundiger, auf Hlefey wohnender Mann besucht die Asen und wird von ihnen mit Gaukelspiel empfangen. Bei Tische sitzt Ögir neben Bragi, welcher ihm die vorgelegten Fragen durch mythische Erzählungen beantwortet. Deren letzte bezieht sich auf den Ursprung der Dichtkunst, worüber Bragi, der Skalde der Götter, schicklich Auskunft giebt.[139]
3. Skaldskaparmâl, hat die Skaldenkunst zum Gegenstand und zerfällt in a) Kennîngar, Umschreibungen, b) Okend heiti, einfache Benennungen, wie diejenigen, die in Alwismâl, dem achten mythologischen Lied der alten Edda, aufgezeichnet sind. c) Fornöfn, in der Skaldenkunst gebräuchliche Namen der Männer, Frauen, Schwerter, Schiffe u. dgl., die aufgezählt und nach ihren mythologischen Beziehungen gedeutet werden. Einigemal findet sich Veranlassung, grössere Stücke aus der Götter- und Heldensage einzuflechten. Die Einkleidung ist dieselbe wie in Bragurödur. Köppen, litterarische Einleitung in die nordische Mythologie. Simrock, die Edda, übersetzt und mit Erläuterungen begleitet. Ettmüller, Litteraturgeschichte.
Buchempfehlung
»Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: Ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen.« Adolph Freiherr von Knigge
276 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro