[710] Namen von Sachen. Ausser den Personen erhalten namentlich in ältester Zeit auch Gegenstände nicht menschlicher Art Sondernamen, es sind Waffen, Haustiere und dergleichen andere Dinge, die dem Besitzer vertraulich nah stehen, gleich einem Familiengliede, denen eine gewisse dämonische Beseelung, eine Persönlichkeit, sogar eine göttliche, inne zu wohnen scheint, oder die als besonders seltener und kostbarer Besitz gelten. Zwar kennt man diese Namen erst aus den mittelalterlichen Schriftwerken, aber viele darunter gehören der weit älteren Heldensage und damit dem Kulturleben der alten Germanen an. Dergleichen Gegenstände sind:
Waffen, nämlich Schwert, Panzer und Helm; Speer und Schild gehören nicht dazu, wie denn Tacitus in der Germania 6 berichtet, dass jeder Krieger mit Speer und Schild bewaffnet sei, wenige aber mit Schwert, Panzer und Helm. Das Schwert, gothisch haírus und mêkeis, zeigt schon durch sein männliches Geschlecht eine persönliche Auffassung an; in Griff und Spitze ausgezeichneter Schwerter wohnen nach der nordischen Auffassung oft Wurm und Natter. Besondere Schwerter der deutschen Heldensage sind unter anderen Adelring, in dänischen Liedern das Schwert Siegfrieds, Balmunc, Siegfrieds Schwert in der deutschen Dichtung; Brinnig, das Schwert Hildebrands; Eckesahs, auch blos Sahs und das alte Sahs genannt,[710] das zuletzt Dietrich von Bern besitzt, im heidnischen Mythus aber einst ein Gott mag besessen haben; Gram, der altnordische Name von Siegfrieds Schwert, Mîminc Mîmung, Wittigs Schwert; Nagelrinc, Schwert Heimes; Waske oder Wasche, d.h. Baske, Schwert Walthers von Spanien; Welsunc altnordisch Völsung, zuerst Biterolfs, dann seines Sohnes Dietleibs Schwert. Die gefeiertsten darunter sind Eckesahs, Mîminc und Nagelrinc, deren jedes von dem Schmied an, der es fertigt, seine ganze Geschichte hat, wie es von einem Helden an den andern gekommen ist. Die berühmtesten Schwerterschmiede sind Mîme, Hertrîch und Wieland. Schwerter der Karlssage sind Durentart das im Besitze Oliviers, und Halteclair oder Alteclêre, d.h. Hochglanz, das im Besitze Rolands steht.
Helmnamen sind weniger zahlreich; nordische sind Hildisvîn und Hildigölt, das letztere von Gölt = Eber, beide Wörter also dem auf dem Helm angebrachten Eberkopfe entnommen; Hiltegrîm oder Hiltegrîn heisst Dietrichs Helm, wieder aus hild = Kampf und zudem aus grîma Maske oder Helm zusammengesetzt. Rolands Helm heisst Venerant. Von Panzernamen ist nur ein einziger in der Edda erhalten; er lautet Finnsleif. Ein Horn mit eigenem Namen ist Rolands Olivant, d, h. Elfenbein, von altfranzösisch olifant = Elefant. Der Stier von Uri ist ein Auerochsenhorn. Benannte Ringe sind Odins Draupni; Andvaranaut ist dagegen kein Eigenname, er bedeutet Ring (naut) des Zwerges Andvari.
Unter den benannten Rossen nimmt die erste Stelle ein Sleipni, Odins Ross, d.h. das gleitende, zu hochdeutsch slîfen. Der Heldensage gehören an Belche, das Ross Dietrichs; Falke, das Pferd Dietrichs und Wolfdietrichs; Grani, Siegfrieds Ross in der nordischen Ueberlieferung d.h. das graue oder graugewordene; Rispa heisst Heimes, Scheminc oder Schemminc Wittigs Ross; das letztere ist der Bruder Falkes, Granis und Rispas; der Name gehört zu scheme = Schimmer.
Unter den zahlreichen Rossen der Karlssage ist das berühmteste Bayart, das die vier Haimonskinder trägt.
Alte Hundenamen betreffen meist Jagdhunde; doch heisst in der Edda Garm der Hofwart, hovawart, d.i. Hofhüter der Hölle. Ein besonders häufiger Haushundname ist Wacker = der Wachsame. In der Thidrichs Sage wird von den abenteuerlichen Jagdzügen des Grafen Iron von Brandenburg erzählt, der 60 Hunde mit sich führt; deren beste sind Stapp, Stutt, Luscta, Rusca, Paron, Bonikt, Bracka und Porsa; man erklärt sie als Stapf und Stutt, d.i. Schritt und Trotz; der schleichende (ahd. lûschen) und der rasche, muntere, wie ein andermal auch ein Pferd Rusche heisst; Paron wird zu ahd. baro = Mann gestellt, Porsa zu birsen, birschen; Bonikl gehört vielleicht zu ahd. punît = Diadem, und Bracka ist Bracke, Spürhund. Vereinzelte Namen blos giebt es von dem Rind, der Ziege, dem Esel, der Katze, dem Bären, dem Falken.
Zur Eigenbenamung der Schiffe führte schon die uralte Vergleichung dieses Gegenstandes mit dem schwimmenden Vogel und dem rennenden Pferd: Schnitzarbeit am Vorderteil liess das Ganze als einen Drachen erscheinen; so hiess Baldurs Schiff Hrînghorni mit Bezug auf den Ringschmuck seines Stevens, ein nordisches Königsschiff heisst Wunschjungfrau, Walküre, ein anderes Mannshaupt. Zwei Schiffe des deutschen Ordens in Preussen hiessen Pilgerîn und Vriedeland d.i. Beschütze das Land! Im späteren Mittelalter heissen Schiffe auf den schweizerischen Landseen Gans, Fuchs, Ente, Bär, Schnecke.
Geschütze wurden anfänglich, bevor[711] das Pulver in Gebrauch kam, nach dem Vorgange des Altertums, mit Tiernamen benannt, aber in appellativer Weise nur je die Gattung, z.B. Katze, Krebs, Tarant, Igel; eigentliche Individuen-Namen kamen erst mit den Feuergeschützen auf, wobei sich die Phantasie den freiesten Spielraum erlaubte: Aff, Drach, Falk, Falkonet, Fledermaus, Fuchs, Hornuss, Hurlebus oder Hurlebaus, d.h. Brummkatze, Lewe, Luchs, Nachtigal, Püfel, d.h. Büffel, Purlebaus oder Purlapaus s.v.a. Hurlebus, zu burren = brummen, Schlange, Schrötel, d.h. Schröter, Hirschkäfer, Wolf; jungfraw Falkenet, Drometterin, Maurbrecherin Singerin, Nar, Roraff. dieses ein Strassburger Geschütz, das seinen Namen von dem Wahrzeichen der Stadt hat, einem lächerlichen Bauernbild an der Münsterorgel; Ketterlin van Einsen (Ensesheim), Metz oder Mette, Metteke, Kosewort zu Mechtild, Weckauf; auch Monatnamen, Namen der Planeten und der Zeichen des Tierkreises, ja die Buchstaben des Alphabetes kommen als Geschütznamen vor; als Moritz von Oranien 1591 Nimwegen aus solch einem A B C beschoss, nannten ihn die Belagerten A B C schütze.
Türme empfingen oft Eigennamen: Luginsland, Schütt den helm, Hans in allen Gassen.
Glocken sind sehr früh getauft und damit zugleich benannt worden; das älteste Beispiel ist die Glocke im Lateran, die Papst Johann XIII. nach sich und dem Heiligen der Kirche Johannes nannte; auch später sind es meist Heiligennamen, mit denen man die Glocken versieht Nach W. Wackernagel, die deutschen Appellativnamen, Abschnitt I, Pfeiffers Germania, IV und V, und kleinere Schriften III.
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