[1018] Turnier. Die Turniere sind neben der höfischen Dichtung der eigenartigste Ausdruck des mittelalterlichen Rittertums. Sie entstehen ohne Zweifel aus älteren Reiterspielen, von denen der Geschichtschreiber Nithard, Vier Bücher Geschichten III, 6 folgendes anschauliche Bild gibt: »Zur Leibesübung stellten sie es ist von den beiden Söhnen Ludwig des Frommen, Luwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen, die Rede auch oft Kampfspiele an. Dann kamen sie auf einem besonders auserlesenen Platze zusammen und während rings umher das Volk sich scharte, stürzten sich zuerst von beiten Seiten gleich starke Scharen von Sachsen, Wasken, Austrasiern und Brittonen wie zum Kampfe in schnellem Laufe aufeinander; darauf wendeten die einen ihre Rosse und suchten mit den Schilden sich deckend vor dem Angriff der Gegner durch die Flucht sich zu retten, während diese die Fliehenden verfolgten; zuletzt stürmen beide Könige, umgeben von der ganzen jungen Mannschaft, in gestrecktem Lauf, die Lanzen schwingend, gegen einander, und bald von dieser, bald von jener[1018] Seite zur Flucht sich wendend, ahmt man den wechselnden Kampf der Schlacht nach. Und es war ein Schauspiel bewundernswert wegen des Glanzes und der Ordnung, die herrschten: denn auch nicht einer von dieser so grossen Menge und von diesen verschiedenen Völkern wagte, wie es selbst unter Wenigen und unter Bekannten zu geschehen pflegt, einem andern eine Wunde zu schlagen oder einen Schimpf anzuthun.«
Diese Reitspiele erhielten mit der Aufnahme des Ritterwesens in Frankreich ihre ritterliche Ausbildung, und zwar wird in den Zeitbüchern der Franzose Godefroi de Prieuilly, 11. Jahrhundert, als derjenige genannt, der das Turnier, torneamentum, von lateinisch tornare = drehen, kehren, wenden, französisch tournoyer, provençalisch torneiar, mhd. turnieren, erfunden habe; es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Erfindung des französischen Ritters darin bestand, dass er das bestehende kunstmässige Reitspiel mit dem ritterlichen Waffenkampfe verband, eine Veränderung, welche einerseits das blosse Neckspiel dem ernsten Kampfe, anderseits den ebenfalls uralten blossen Lanzen- und Schwertkampf dem schönen künstlerischen Spiele näherte; es war gleichsam eine Verbindung des Tanzes mit dem Kampfe.
In Deutschland wird zuerst im Jahr 1127 ein torneamentum erwähnt, das Kaiser Lothar bei Würzburg abhielt. Seitdem ist es in Deutschland wie in Frankreich völlig heimisch, wie u.a. die wiederholten Verbote der Päpste beweisen; doch erfolgt die eigentliche Ausbildung dieses Ritterspieles auf deutschem Boden erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts; auf dem Kreuzzuge unter Konrad II. und Ludwig VII. wurden die Deutschen noch wegen ihrer Ungeschicklichkeit im Reiten von den Franzosen verhöhnt.
Man muss nun durchaus unterscheiden zwischen den Turnieren der eigentlichen höfischen Zeit, im 12. und 13. Jahrhundert, und zwischen den späteren Turnieren des 14. bis 16. Jahrhunderts. Was die ersteren oder die echten Turniere betrifft, so unterscheiden sich dieselben von den in dieser Zeit sehr geläufigen ritterlichen Kampf- und Reitspielen, dem tjost und dem buhurt, dadurch, dass diese jeden Augenblick zur Übung, zur Kurzweil, auf den Wunsch irgend einer Person angestellt werden können, während das Turnier stets vorher angesagt ist. Das Turnier fand nicht überall in gleicher Weise statt, die Franzosen z.B. galten als hitziger als die Deutschen, manche Stämme hatten grössere Vorliebe für das Spiel, andere geringere Freude daran. In Beziehung auf den Zweck des Turniers unterscheidet man:
a) turnei durch lernen, mittellat. tirocinium; diese Spiele, durch welche Knappen in die Turnierkunst eingeführt werden sollten, fanden unter Aufsicht älterer Ritter statt. Aber bloss die drei letzten Jahre der Knappenzeit, in welchen der Knappe kneht hiess, berechtigten zur Teilnahme an diesen Turnieren; es war die Zeit, wo er, aber nur geduldet, schon das ritterliche Schwert führte und das ritterliche Ross ritt; doch trug er jenes noch nicht gegürtet, sondern musste es an den Sattel hängen. Ein solches Knechtturnier fand auch am Tage vor der Schwertleite statt, zur Prüfung der Kandidaten des Rittertums.
b) turnei umbe guot. In jedem Turniere gehörte die Rüstung und das Ross des Gefangenen von Rechts wegen dem Sieger, und der Gefangene musste sich für eine von diesem geforderte Summe auslösen. Doch galt es für anständig, den Gefangenen freizugeben. Aber nicht alle Turnierer beobachteten diesen Anstand, namentlich diejenigen nicht,[1019] die erbelos im Lande herum abenteuerten, gewandt im Turnieren waren und sich lediglich durch Turniere erhielten. Um solchen Leuten ihre Freude zu lassen, stiftete man geradezu turniere umbe guot, Turniere, wo das Beutemachen die Hauptsache war; wer hier kein Lösegeld hatte, musste ze den juden farn. Am Rhein fanden solche Turniere das ganze Jahr statt.
c) der turnei durch die vrouwen; darunter versteht man sowohl den auf jedem ordnungsmässigen Turnier stattfindenden Damenstich, an welchem namentlich die vrouwen ritter teilzunehmen hatten, als überhaupt solche Turniere, welche zu Ehren und zur Belustigung der Frauen angestellt wurden. Frauen nahmen überhaupt den lebhaftesten Anteil an solchen Belustigungen; ja es wird erzählt, wie sie sogar Männerrüstung angelegt und zum Schimpfe (zur Kurzweil) turniert hätten. Diese Turnierart artete leicht in ein Galanteriespiel aus.
d) der turnei durch êre ist das edelste Turnier; hier konnten bloss erprobte Ritter mit Erfolg kämpfen, Gefangene wurden sofort freigegeben. Wurden zwar bei diesem Turniere, was bei den drei andern Arten vermutlich nicht stattfand, Preise ausgesetzt, so blieb der Hauptlohn für den Sieger doch immer der, der geschickteste Turnierer genannt zu werden. In den höfischen Geschichten geschieht es oft, dass bei einem solchen Turnier eine Dame sich und ihr Land dem Sieger als Preis anbietet.
Nach den Bedingungen, unter denen das Turnier stattfand, kann man unterscheiden:
a) der turnei ze ernste. Darunter war nicht etwa ein Turnierkampf verstanden, der, friedlich begonnen, durch den Zorn der unterliegenden Partei in einen wirklichen Kampf ausartete, wobei man die stumpfen Waffen mit scharfen vertauschte, sondern ein Turnier, das wirkliche Feinde nach gegenseitiger Verabredung mit scharfen Waffen abhielten.
b) der turnei ze schimpfe ist ein Turnier mit stumpfen Waffen, dessen Hauptgewicht auf den durch das künstliche Reiten ausgebildeten Speerkampf fällt; es kommt hier vor allem darauf an, möglichst viele Gegner aus dem Sattel zu heben und sie zur sicherheit, fîance zu bringen; der Besiegte verlor dadurch seine Freiheit und es stand völlig in dem Belieben des Siegers, ob und wann er ihn freilassen, ob und für welche Summe er ihm sein Kampf-Zeug zurückgeben wollte. Im Gegensatze zu diesem Turnier steht.
c) der turnei ze schimpfe mit vride; hier setzte man von vornherein eine Lösesumme fest, die der Besiegte an den Sieger zu zahlen hatte und die im Durchschnittswert der zu Felde gebrachten Turnierrüstungen bestand. Unter Umständen war diese Turnierweise gefährlicher als die vorhergehende; dort konnte ein edelmütiger Sieger seinen Gefangenen unter Umständen freigeben; hier verstand es sich unter alle Umständen, dass das vorher ausgemachte Lösegeld bezahlt werden musste.
d) Der turnei ze schimpfe mit vride mit kippern ist das einzige Ritter-Turnier, in welchem es den Knappen gestattet war in den Kampf einzugreifen; da sie indes keine ritterlichen Waffen tragen durften, mussten sie sich mit einem einfachen Knüttel behelfen; auch konnten sie nicht zu Rosse sitzen, mussten vielmehr ihrem Herrn zu Fusse nachgehen. Ihre Aufgabe war den abgestochenen Ritter so lange mit Prügeln zu traktieren, bis er Sicherheit gelobte. Diese wenig höfische Kampfweise wurde besonders im Turnier umbe guot geduldet; im turnei durch êre schloss man sie gewöhnlich aus.[1020]
Die im Turnier geübte Reit- und Kampfkunst erhellt am deutlichsten aus einer Stelle im Parzival, 812, 916:
Fünf stiche mac turnieren hân:
die sint mit mîner hant getân.
einer ist zem puneiz:
ze treviers ich den andern weiz:
der dritte ist zen muoten:
ze rehter tjost den guoten
ich hurteclîchen hân geriten,
und den zer volge niht vermiten.
Diese Stelle wird erklärt: es gebe fünf Reittouren im Turnier, in denen auf den Gegner gestochen werden kann, Turnierspeerkampf; zu ihnen kommt dann der Turnierschwertkampf, das zöumen.
Der Turnierspeerkampf besteht also aus folgenden Touren oder Stichen:
1. Der Stich zem puneiz ist eine Attaque sämtlicher Scharen von vorne auf den Feind mit eingelegter Lanze und hurt, d.h. mit demjenigen stossenden Anreiten, das auch dem buhurt zu Grunde liegt. Die Kunst für den einzelnen besteht darin, zu richtiger Zeit, sobald der Führer der Scharen den Befehl »zem puneiz«, d.h. zum Wechsel des Galopp- und Karrièreritts gibt, diesen auszuführen, damit er nicht hinter den anderen zurückbleibt.
2. Der Stich ze treviers ist eine Attaque sämtlicher Scharen von der rechten Seite auf den Feind mit eingelegter Lanze und Hurt. Die Kunst für den einzelnen besteht darin, sobald der Führer das Kommando »ze treviers« gibt, zugleich aus dem Galopp in die Karrière und aus der geraden in die schräge Richtung zu fallen, damit er nicht zurückbleibt; sie ist also viel schwieriger als im Stiche ze puneiz.
3. Der Stich zen muoten ist das Stechen eines einzelnen gegen eine ganze Schar, wobei es für diesen darauf ankommt, während er den einen aufs Ziel genommenen Gegner trifft, den Stössen der übrigen zu entweichen. Dieser Stich ist daher schwieriger als die vorhergehenden, aber verhältnismässig selten und muss deshalb als eine Art Extra-Tour gelten.
4. Der Stich ze rehter tjost ist Einzelattaque mit eingelegter Lanze auf den Feind, geradlinig oder von der rechten Seite her. Die Kunst des Einzelnen ist hier, durch geschicktes Reiten sich dem Hurt des Gesamtkampfes zu entziehen und richtig zu beurteilen, ob es im einzelnen Falle rätlich sei, gerade oder schräg den Gegner anzurennen, wann in beiden Fällen in die Karrière zu fallen sei und ob es gut sei, gleich anfangs ze trviers zu reiten oder erst, nachdem man schon im puneiz die Karrière genommen hat, plötzlich in die Richtung ze treviers zu fallen, was besonders grosse Gewandtheit erforderte. Jede Tjoste, die als kunstgemäss »gemessen« gelten soll, muss richtig geritten und richtig gestochen werden. Die beiden tjostiure, d.i. die tjostierenden, reiten geradlinig aufeinander; ist die Tjoste zu Ende, so »kerent« sie oder sie »tuont den wanc«, d.h. sie reiten zum ersten Standorte zurück, lassen sich neue Speere geben und beginnen den gradlinigen Ritt wieder, so dass man also vom ersten, zweiten, fünften Tjost spricht. Die Tjost beginnt im Galopp und geht nachher in die Karrière über, wobei die Kunst darin besteht, zur rechten Zeit den Wechsel des Tempos eintreten zu lassen. Dabei treten zwei Fälle ein: entweder reiten die beiden tjostiure, während sie die Speere verstechen, aneinander vorüber, oder sie treffen mit den Rossen Brust an Brust zusammen; der Name dieses Zusammenrennens mit den Rossen ist hurten, der oder die hurt. Ehe die tjostiure zum Stiche aneinander ritten, galt es die tjost ziln, d.h. Schild und Speer kunstgerecht zu[1021] halten, den Schild mit der linken Hand so, dass er den ganzen Oberkörper vom Hals bis zu den Knien, von vorne und von der linken Seite bedekt; daz sper under den arm slahen, daz sper ûf die brust lîmen. Zielpunkte des Speerstosses sind die vier Nägel oder der Hals des Gegners; die vier Nägel befanden sich auf demjenigen Teile des Schildes, welcher während des Kampfes die Hand deckte; es sind ohne Zweifel dieselben Nägel, welche innen die Handriemen festhielten und um den Schildbuckel herum lagen. Besiegt ist der Gegner, wenn er durch den Stoss auf die vier Nägel oder auf den Hals abgestochen oder wenn beim Hurt das Ross mit samt dem Reiter zu Boden gesunken ist; unentschieden ist der Kampf und hat also aufs neue zu beginnen, wenn die aus dürrem Holze gefertigten Speere zersplittert sind oder wenn beim hurten das Ross zwar den Stoss ausgehalten hat, die Riemen dagegen, welche den Sattel halten, durch den Hurt gelöst sind und der Sattel mit samt dem Reiter vom Rosse herabgerutscht ist.
5. Der Stich zer volge ist ein Stich, der nach den eigentlichen Turnieren stattfindet und bloss von den gewandtesten Reitern gestochen wird; es ist noch mehr als der dritte Stich der sogenannte Damenstich: er wird bloss auf ausdrückliche Provokation und Zustimmung des Provozierten hin gestochen und ist im übrigen auch ein tjost.
Die stehende Formel für den Schluss eines getroffenen Stiches war; dass der Abgestochene fragte: wer hât mich überwunden? worauf der Sieger antwortete: ich bin N. und der Besiegte: mîn sicherheit sî dîn. Wurde aber dem Gegner bloss Helm- oder Schildriemen locker gemacht oder die Riemen des Rosses zerstochen, so war er nicht besiegt, musste aber vom Turnierplatz, um sich mit Helm, Schild und Ross aufs neue zu versehen. Beim Endurteil kam dann freilich mit in Betracht, wie oft dieses letztere eingetreten war.
Neben dem Turnierspeerkampf besteht ein Turnierschwertkampf. Er heisst das zöumen und bestent darin, dass der Ritter das Ross seines Gegners am Zügel nimmt, mit ihm umwendet und es nach der Seite seiner Turniergenossen hin vom Turnierplatz zu ziehen sucht. Da dieses jedoch meist nicht so glatt von statten ging, musste die Gewandtheit des Reiters durch den Kampf unterstützt werden, wozu man eben den Schwertkampf benutzte. Eben in dieser Turniertour griffen nun in sehr unhöfischer Weise jene kipper ein, deren oben gedacht ist. Kipper ist eine turnierunfähige Person, welche sich während des Kampfes der Beute der Ritter mächtigt, in erster Linie Knappen; ihre Waffe ist ein Prügel, mit dem sie das Ross des Gegners ihres Herrn namentlich beim zoumen traktieren. Wer gezoumt war, galt natürlich als besiegt.
Was die Veranstaltung und Ausrichtung eines Turniers sonst betrifft, so hatte der, der ein Turnier abhalten wollte, zunächst den, gegen den er zu kämpfen beabsichtigte, davon in Kenntnis zu setzen, den turnei anbieten. Nahm es dieser an, so einigte man sich über die Bedingungen, unter denen der Turnei abgehalten werden sollte, ob ze ernste oder ze schimpfe, mit vride oder âne vride, wie der Turnei stân oder gelten soll, d.h. wie hoch die Auslösungssumme anzusetzen sei, ob Kipper zuzulassen seien oder nicht. Dann wurde Zeit und Ort für den Turnei festgestellt, was die Zeit betrifft, immer im Sommer und zwar meist am Montag. Turnierort ist ein grosser freier Platz, in der Regel in der Nähe einer grösseren Stadt. Beide Teile sorgten jetzt für die Auskündung des Turniers, den turnei [1022] schrîen, was durch Knappen an bestimmte Personen oder an jeden turnierfähigen Mann geschah, der angetroffen wurde. Mindestens drei Wochen dauert es von da bis zum bestimmten Termin. Der Turnierplatz ist von Schranken, hâmit, umschlossen worden, hinter denen sich das gestüele für die Damen, alten Herrn und die Mitglieder des Turniergerichts erhebt. Die zum Turnier Erschienenen wurden gemustert und geprüft, ob sie turnierfähig, d.h. Ritter seien und zur Zeit in keinem unfreien Verhältnisse stünden. Jeder Turnierteilnehmer kam allein oder mit seinen Gesellen, welche entweder Dienstmannen oder Ritter waren, die sich ihm freiwillig angeschlossen hatten und dann wie die Dienstmannen während des Turniers das Wappen ihres erkorenen Dienstherren trugen. Wer ganz auf eigene Faust kam, hiess muotwillaere, wozu die lantvaraere gehörten, die das Turnier des Erwerbs wegen aufsuchten. Ferner wurde konstatiert, ob jeder im vorgeschriebenen Turnieraufzuge gekommen sei, nämlich georset, mit einem ors = Streitross, versehen, das stets männlich und meist ein Hengst war, und gezimiert, d.h. mit der zimierde, dem Helmschmuck und dem Wappen auf dem Schilde versehen. Sodann müssen die Waffen spiegelblank aussehen, ganz neue Riemen haben und bei allen gleich sein. Dazu gehören:
Das harnas oder harnasch, Ringpanzer, welcher wieder aus der Bedeckung des Kopfes besteht, die coife, koufe, kupfe, die entweder den ganzen Kopf umschliesst und bloss Löcher für die Augen lässt oder das Gesicht ganz frei gibt; aus der Bedeckung des Oberkörpers: halsperc, und aus derjenigen der Beine und Füsse: îserhosen oder îserkolzen. Dazu kommt zum Schutze des Halses: das collier des Kopfes: die barbier, eine gewölbte Platte, die von der Stirnleiste des Helmes bis zum Kinn herabreichte und oben Löcher für das Auge hatte; der Brust: die plate; der Knie: das schinnelier, alles dies von innen besonders bepolstert. Wie der Rittet ist das Ross in eine eiserne Decke gehüllt. Schutzwaffen sind: der Turnierhelm, im Gegensatz zu dem in der Schlacht zu dieser Zeit noch meist gebrauchten îsenhuot, mit der zimier, dem Helmschmuck versehen; und der Turnierschild in Form eines abgerundeten Dreiecks, mit dem bunt bemalten Wappenbilde. Die Angriffswaffen, Speer und Schwert, beide abgestumpft, jener womöglich bemalt. Vergleiche die besonderen Artikel.
Der eigentliche Turnierkampf zerfällt in die vesperîe, den turnei im engern Sinn, und den Damenstoss, und zwar so, dass vesperîe und Damenstoss, die beim klassischen Turnei Regel sind, beim turnei umbe guot gewöhnlich fehlen. Die vespereî ist ein Turnei am Vorabend des Festes, an dem sich vorwiegend jüngere Ritter und Knechte beteiligen; für das Urteil des Turniergerichts kommt dieses Spiel nicht in Betracht. Der eigentliche Turnei beginnt mit Anhörung einer Messe; dann ordnen sich die Ritter, der turnei wirt geteilt, so zwar, dass völlige Harmonie der einzelnen Streitgruppen vorhanden sein muss, jede Abteilung, teil oder parte genannt, hat ihren Hauptführer, zerfällt aber wieder in scharn oder rotten mit Einzelführern. Am Damenstoss beteiligen sich nur ausgewählte Ritter; doch heisst es erst, wenn er gestochen ist, nû het der turnei ende. Auf den Turnei folgt der Urteilsspruch und die Preiszuerkennung. Das Turniergericht setzte sich zusammen aus den ältesten und erfahrensten Rittern, die nicht selber turnierten und aus ihren für diesen Dienst bestimmten, erprobten und wappenkundigen Knappen, knaben von dem wâpen, denen alle Kostbarkeiten, Wappen und Zimierden,[1023] die auf dem Turnierplatze liegen geblieben sind, als ihr rechtmässiges Eigentum zufallen. Sieger kann im turnei durch êre nur einer sein, der den prîs ze beiden sîten hât, d.h. wer den turniermässigen Speer- und Schwertkampf am gewandtesten gekämpft und am elegantesten dabei geritten hat. Die Preise waren gering. Nach F. Niedner, Das deutsche Turnier im 12. und 13. Jahrhundert. Berlin 1881. Vgl. Schultz, höfisches Leben, II, Kap. 2.
Gegen die Mitte des 13. Jahrhunders verfielen die Turniere rasch und gestalteten sich zu solennen, aber gehaltlosen Privatvergnügungen des höhern Adels. Eine aus den Quellen geschöpfte Darstellung der Turniere des 14. bis 16. Jahrhunderts scheint zu mangeln. Was man in ältern Werken darüber findet, beruht zum grössten Teil auf einer der ärgsten Geschichtsfälschungen, die man kennt, auf Rüxners Turnierbuch. Dieses veröffentlichte zu Frankfurt im Jahr 1530 Georg Rüxner aus Bayern unter dem Titel: »Anfang, ursprung und herkommen des Thurniers in teutscher Nation«. Der Verfasser führte darin die Anfänge der Turniere auf die Zeiten Heinrich I. zurück und brachte sie mit dem glücklichen Kampfe gegen die Ungarn in Verbindung, wobei er sich auf ein älteres Büchlein stützte, das 1508 über dieselbe Materie zu Augsburg erschienen war. Es ist unglaubilch, mit welcher Frechheit Rüxner einesteils die einzelnen Turniere datiert und aufgezählt, anderseits die Unzahl von Namen adeliger Teilnehmer erfunden und zusammengestellt hat. Die ersten bessern Schriftsteller, die sich durch Rüxner betrügen liessen, waren Sebastian Frank in der Chronik, und Hans Sachs in einem Spruch: Historia vom Ursprung und Ankunft des Thurniers 1541. Siehe darüber Waitz, Heinrich I. 2. Ausg. S. 252 ff.
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