[37] Adel (altdeutsch adal, d.i. Ursprung, Geschlecht), ein Stand, dessen Ursprung über alle Geschichte hinausreicht und sich bei jedem civilisirten Volke findet, einige amerikanische Republiken ausgenommen, die durch Losreißung von dem Mutterlande entstanden sind. Er kann seine Entstehung nur kriegerischer Auszeichnung verdanken, die ihren Lohn in der Ehre bei den Stammgenossen und in einem größeren Antheil an der Beute des Krieges und dem eroberten Lande erhielt. Als Grundlage des adeligen Standes erscheint eben darum in Monarchien wie in Republiken der Besitz, vorzüglich in Grundstücken, und der Waffendienst; der Besitz verbürgt das Gewicht in den eigentlich bürgerlichen Angelegenheiten, der Waffendienst aber erneuert fortwährend die Ehre und das Verdienst der Ahnen. Verliert der Adel seine Stellung als der große Grundbesitzer, zieht er sich von Politik und Krieg zurück, so hat er als Stand aufgehört, wenn ihm auch alle Titel bleiben. Dieses Schicksal bereitet ihm Verarmung durch Verschwendung oder Zersplitterung des Grundbesitzes, Mangel an Bildung, weil dieser Mangel die erfolgreiche Theilnahme an der Politik verwehrt, Entfremdung, welche den nationalen Interessen bewiesen wird, überhandnehmender unkriegerischer Geist, Herabwürdigung durch unehrenhafte Standesgenossen und durch Aufnahme unwürdiger Mitglieder. Der Adel kann nicht bestehen 1. in der Despotie; der Despote erhebt seinen Lieblingssklaven zum ersten Würdeträger und entehrt, beraubt oder tödtet den Sohn des Vaters, der die Heere des Reichs angeführt und dessen Schatzkammer verwaltet hat. 2. In der Demokratie, denn diese Staatsform besteht ja eben darin, daß sie allen Ständeunterschied aufhebt und Amt und Ehre nur auf [37] eine bestimmte Frist verleiht. In Folge der franz. Revolutionen sind demokratische Monarchien entstanden, die Louis Philippʼs aber, die bedeutendste, bereits wieder verschwunden. In einer solchen Monarchie hat der Adel ebenfalls keinen Platz und besteht nur in der Auszeichnung, die der Monarch gewähren kann, welche aber in der Regel von Bürgerlichen für sich angesprochen wird. Da ein erblicher Monarch die Spitze des Adels ist, so ist eben darum eine demokratische Monarchie unmöglich, und ein Fürst, der sich als ersten Staatsbeamten erklären läßt, legt damit sein Recht auf den Thron in die Hände des Volkes. Dagegen ist der Adel ein wesentlicher Bestandtheil der ächten Monarchie und der ständischen Republik, d.h. eines solchen Staates, in dem die verschiedenen Stände, die sich naturgemäß überall bilden, ihre Rechte und diesen Rechten entsprechende Pflichten haben. Solche Staaten haben sich noch immer durch Dauer, Standhaftigkeit im Unglücke und consequente Politik ausgezeichnet. Der Adel gliederte sich im Mittelalter wie alle Corporationen in verschiedene Abstufungen, wesentlich blieb jedoch nur die Abtheilung in den hohen, d.h. reichsfreien Adel, der später Landesherrlichkeit erwarb, und in den niederen Adel, der aus den Ministerialen des hohen Adels entstand und nie Sitz und Stimme auf dem Reichstage hatte. Zu diesem ererbten Adel kommt in neuer Zeit der persönliche Adel, der in einzelnen Ländern an gewisse Orden und Beamtungen geknüpft ist, und der erkaufte Adel, der besonders in den letzten Zeiten des deutschen Reiches vielfach erworben wurde.