Pantheismus

[450] Pantheismus, griech., Allgöttere diejenige Weltanschauung, welche keine persönlichen, außer- und überweltliche Gott anerkennt, sondern Gott mit de: All der Dinge oder mit der Welt für einerlei erklärt. Im Gebiete de Religion erscheint der P. in seiner rohesten Form als Fetischismus und steigerte sich geschichtlich bis zum Anthropomorphismus der Hellenen. In Bezug auf die Philosophie ist im Ganzen weder die hellenische noch die moderne über den P. wesentlich hinausgekommen, sondern machte mitunter den letzten und folgerichtigen Schritt in den Atheismus und Materialismus hinein. Schon die hellenischen Pantheisten protestirten gegen die Zumuthung, daß sie folgerichtig jedes Ding schlechtweg als einen Bestandtheil des göttlichen Wesens auffassen müßten u. suchten das Stoffliche, Werdende und Böse als Nichtseiendes u. dgl. zur Seite zu schieben; die modern en Pantheisten protestiren sogar gegen ihren Namen, allein die Gründe für ihre Protestationen laufen bis zur Stunde auf Inconsequenzen und Sophistereien hinaus. Mag man Gott als Weltseele auffassen oder als die Kraft, welche Alles in der Welt durchdringt und beherrscht wie unsere Seele ihren Leib; oder mit Spinoza als die eine ewige allumfassende Substanz, die sich in der Ausdehnung (stoffliche Welt) und dem Denken (Geisteswelt) offenbare; od. als das Wesen, das sich aus der Indifferenz des Realen und Idealen durch alle Stufen der Natur- und Geistesentwicklung hindurch zum absoluten Selbstbewußtsein emporarbeite u.s.w., gleichviel, der P. mag sogar mit christlichen Redensarten austapeziert werden, er wird stets auf Welt- und Selbstvergötterung hinauslaufen. Jedenfalls steht fest: 1) daß es in der Philosophie nur zwei folgerichtige Anschauungen gibt, nämlich Atheismus und Theismus; 2) daß sich der P. namentlich in Hinsicht auf seine praktische Consequenzen gerade so wenig [450] mit dem Christenthum verträgt, wie der krasseste Atheismus; 3) daß P. u. Atheismus der glaubenslosen Vernunft hinsichtlich aller höhern Fragen des Seins und Lebens ein Krankheits- u. Armuthszeugniß von jeher ausgestellt haben und stets ausstellen werden.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 450-451.
Lizenz:
Faksimiles:
450 | 451
Kategorien: