[604] Pantheïsmus (v. gr.), die Ansicht, nach welcher Gott u. das All der Dinge od. die Welt dem Sein nach für identisch erklärt werden. Das Wort P. ist seit Anfang des 18. Jahrh. in Aufnahme gekommen (u. zwar von J. Toland [s.d.] zuerst gebraucht worden), während man jene Ansicht früher als Atheismus bezeichnete. In der That kann die Veranlassung pantheistischer Denkweise religiöser Art sein, wenn die Ableitung des Ursprunges aller Dinge aus Gott die Welt als eine Selbstdarstellung Gottes erscheinen läßt, u. so liegt eine pantheistische Weltansicht, wenn auch mehr in phantasirender, als begriffsmäßiger Form, manchen Religionen des Orients, namentlich den indischen, zu Grunde; eben so nähern sich ihr manche Formen des religiösen Mysticismus (s.d.). Für das philosophische Denken hatte die einfachste Gestalt, in welcher unter den Griechen der P. zuerst bei den Eleaten, namentlich bei Parmenides auftrat, ihren Grund darin, daß die Einheit des Begriffes vom Seienden mit der Einheit des Seienden selbst verwechselt u. das Eine Seiende für das Göttliche erklärt wurde. Indeß kann auf die Lehre des Parmenides der Name des P. kaum angewendet werden, weil Parmenides weit entfernt ist, die Identität der Erscheinungswelt mit dem Einen Seienden zu behaupten, sondern vielmehr die letztere lediglich für Schein u. Täuschung erklärt. Der P. der Stoiker dagegen macht vorzugsweise den Begriff der das Weltall durchdringenden göttlichen Kraft geltend, als deren Theil u. Äußerungen sie die die einzelnen Dinge belebenden u. gestaltenden Kräfte ansahen. Als Ausdruck einer speculativen Richtung, welche eine geheimnißvolle Vereinigung des denkenden Subjects mit dem absoluten für die höchste Erkenntnißquelle erklärte, trat der P. bei den Neuplatonikern auf; ihre Lehre ist der erste Versuch, die bestimmte Reihen- u. Stufenfolge der Gestalten nachzuweisen, in welchen das Absolute, das Eine, sich selbst darstellt u. allmälig durch Ausströmung (Emanation) in die concrete Mannigfaltigkeit der sichtbaren Naturwelt übergeht. Während ferner im Mittelalter die Herrschaft des christlichen Dogma pantheistische Vorstellungsarten nicht aufkommen ließ, u. nur bei Scotus Erigena, Amalricus von Bene (s. Almarich 5) u. David von Dinant eine Hinneigung zu einer solchen Denkweise sich findet, trat der P. in dem wissenschaftlichen Gährungsprocesse der zweiten Hälfte des 15. u. des 16. Jahrh., getragen von einer unklaren Begeisterung, welche in dem Leben der Natur den unmittelbaren Ausdruck des einen göttlichen Lebens u. der einen göttlichen Kraft fand, in verschiedenen Formen, am bestimmtesten unter Benutzung aristotelischer Begriffe (Substanz, Möglichkeit u. Wirklichkeit, Materie u. Form, wirkende Ursache u. Zweckursache) bei Giordano Bruno hervor, nach dessen Ansicht alle diese Unterschiede in der Anschauung des Einen Urprincips, welches Alles ist u. Alles wirkt, verschwinden, ohne daß er doch das Wie der Entfaltung der unendlichen Mannigfaltigkeit der Erscheinungen aus dem Einen Urprincip genau nachweisen konnte; bis endlich Bened. Spinoza, gestützt auf den cartesianischen Begriff der Substanz, streng beweisen zu können glaubte, daß es nur eine unendliche Substanz mit einer unendlichen Menge von Attributen gebe, deren Modificationen (Bestimmungen) u. Determinationen (Beschränkungen) die einzelnen Dinge seien, welche in den beiden Gebieten der Attribute der Ausdehnung u. des Denkens, d.h. der Körper- u. Geisterwelt der menschlichen Auffassung zugänglich sind, so daß die beiden Begriffe der Substanz u. Gottes einander gleich gesetzt, die Modification der ersteren zugleich für Modificationen der letzteren erklärt werden u. Gott gleich der Gesammtheit dieser Modificationen ist. Der P. tritt bei Spinoza in ganz nüchterner u. trockener Form auf, als Ergebniß angeblich strenger[604] geometrischer Beweise, ohne alle Rhetorik u. poetische Ausschmückung, u. der Spinozismus kann daher als der Typus aller späteren pantheistischen Systeme angesehen werden. Im 17. u. 18. Jahrh. begnügte man sich meistentheils damit, diese Lehre zu ignoriren od. als atheistisch zu verwerfen; erst als Lessing wieder auf Spinoza hingewiesen hatte u. durch Kant u. Fichte in Deutschland eine idealistische Denkweise zur Herrschaft gelangt war, gewann er Einfluß; Schelling erklärte die Fichte'sche Ableitung der Welt aus dem Ich u. die Art, wie Spinoza das Ich als eine Modification der Substanz aufgefaßt hat, für gleich berechtigt u. suchte die Vollendung der Philosophie in einer pantheistischen Ansicht, welche beide entgegengesetzte Richtungen in sich vereinigen sollte. Während der P. Schellings im Grunde sich damit begnügte, zu versichern, daß das Absolute sich in die mannigfaltigen Erscheinungen der Natur u. des Geistes auseinanderlege (differenzire), manifestire, potenzire etc., versuchte Hegel diese Selbstdarstellung des Absoluten od. der Idee als einen nothwendigen, Schritt für Schritt durch immanente Dialektik bedingten Proceß darzustellen, so daß, während schon Schelling von einem Werden Gottes gesprochen hatte, die Erhebung des Göttlichen vom Unbewußten zum Bewußtsein u. zur Persönlichkeit selbst der Ausdruck u. die Vollendung dieses immanenten Processes sei. Unter den Anhängern dieses idealistischen P. ist dann eine Verschiedenheit der Ansicht darüber entstanden, ob dieser dialektische Proceß des göttlichen Selbstbewußtseins sich lediglich innerhalb des menschlichen Geistes, od. auch außerhalb desselben in einer allgemeinen Weltvernunft vollziehe, an welcher der menschliche Geist Theil habe. Die Entscheidung über die wissenschaftliche Berechtigung des P., den man häufig mehr von außen, als von innen heraus mit Gründen bestritten hat, welche sich auf seine nachtheiligen Consequenzen in Beziehung auf ethische Bedürfnisse u. religiöse Glaubenssätze stützten, hängt durchaus mit den allgemeinsten metaphysischen Fragen zusammen, unter denen eine der allerersten die ist, ob zwingende Gründe zu der Behauptung vorhanden sind, daß Alles, was ist, nur Eins ist, od. ob jeder Versuch, sich über die Ursachen u. Gesetze der gegebenen Erscheinungswelt Rechenschaft zu geben, zu der Annahme einer Vielheit dessen was ist nöthigt. In der Beantwortung dieser Frage liegt eine Grenzscheide der metaphysischen Systeme, welche sich schon im Alterthume nachweisen läßt u. welche in neuerer Zeit die Systeme z.B. Leibnitz's u. Herbart's von der pantheistischen Weltansicht streng abscheidet. Die eigentliche Naturforschung hat aus pantheistischen Systemen niemals den geringsten Gewinn ziehen können. Vgl. E. Böhmer, De pantheismi nominis origine, usu et notione, Halle 1851; Gottlob Benj. Jäsche, Der P. nach seinen verschiedenen Hauptformen, Berl. 182632, 3 Bde.; H. Ritter, Die Halb-Kantianer u. der P., ebd. 1827; E. Schmidt, Über das Absolute u. Bedingte, Parch. 1833; Volkmuth, Der dreieinige P. von Thales bis Hegel, Köln 1837; F. W. Richter, Über P., Lpz. 1841; Maret, Der P. in der modernen Gesellschaft, deutsch von Weidner, Schaffh. 1842; Haußmann, Der moderne P., Lpz. 1845; Mayer, Theismus u. P., Freib. 1849; von Schaden, Der Gegensatz des theistischen u. pantheistischen Standpunktes, Erl. 1848; Romang, Der neueste P., Zür. 1848; F. Hoffmann, Zur Widerlegung des P. etc., Lpz. 1854; G. Weißenborn, Vorlesungen über P. u. Theismus, Marburg 1859.