[702] Religionsvereinigung d.h. gütliche Vereinbarung, um die gestörte kirchliche Einheit wieder herzustellen, war im Mittelalter eine Hauptfrage der latein. und griech. Kirche; sie fand zwar keine nachhaltige u. durchgreifende Lösung, allein die Versuche stärkten die Einsicht, daß nicht sowohl religiöse als politische Verhältnisse das Haupthinderniß für die Aufhebung des griech. Schisma bilden, auch ist bis heute die Zahl der unirten Griechen fortwährend, obwohl langsam gewachsen. R. zwischen Katholiken und Protestanten war ein Gedanke, den der Augsburger Religionsfriede von 1555 sowie der westfälische Frieden von 1648 festhielt, dessen Verwirklichung aber so lange unmöglich bleiben dürfte, als die Staatsgewalt die volle Kirchengewalt [702] beansprucht und die Protestanten am Grundsatze der schrankenlos freien Forschung festhalten. Schon im 16. Jahrh. traten Erasmus, G. Wizel und G. Cassander der Trennung der Protestanten von der Kirche entgegen, 1526 vereinigten sich auf der Conferenz zu Baden kathol. und zwinglianische Theologen wirklich, allein das gegenseitige Mißtrauen und der Haß im Volke sowie die Interessen der Gewalthaber entschieden für die Spaltung, 1561 scheiterten auf dem Colloquium zu Poissy der Cardinal Tournon u. Beza zudem am großen Abstand der kathol. u. calvinistischen Abendmahlslehre. Im 17. Jahrh. bemühten sich um Wiederherstellung der kirchlichen Einheit in den Niederlanden Hugo Grotius (votum pro pace ecclesiastica), in Frankreich die sog. Universalisten, namentlich aber der Bischof Camus von Belley und Bossuet, in Polen König Wladislaus IV., in England der Kanzler Bacon, Forbes, Bury, Locke u.a.m. Nachdem im deutschen Reich 1658 auf dem Reichstage von Frankfurt die R. verhandelt werden war und der Jesuit Masen eine nur auf biblische Beweise gestützte Einigungsconfession entworfen hatte, die keinen Anklang fand, begannen im Auftrage Kaiser Leopolds Bischof Spinola von Neustadt und im Auftrage der Anhänger der Augsburgischen Confession der gelehrte u. milde prot. Abt Molan von Loccum Unterhandlungen; Spinola ward später durch Bossuet, Molan durch Leibniz ersetzt, der Einigungsversuch blieb wie alle frühere erfolglos. Ganz dasselbe Schicksal hatten die Bemühungen des Cardinals de la Laure im 18. Jahrh., endlich das Project, das Beaufort Napoleon I. vorlegte (Vereinigung aller geistlichen u. weltlichen Macht im Staatsoberhaupt, die Augsburger Confession als gemeinsames Glaubensbekenntniß) u. die vernünftigeren Vorschläge, durch welche Bonald 1806 eine religiöse Vereinigung Europas herbeizuführen hoffte. Hinsichtlich der R. en der Protestanten unter sich wurden solche zwischen den Lutheranern und Reformirten 1525, 1529, 1536, dann wiederum 1631 nach Gustav Adolfs Einrücken in Deutschland versucht, hatten aber zumeist nur den Erfolg, die Kluft zwischen beiden Confessionen recht augenfällig zu machen und zu erweitern. Gegen das R.sproject, welches 1721 der lutherische Kanzler Pfaff in Tübingen dem Regensburger Reichstage vorlegte, erhob sich ein wüthender Sturm von Seite der Lutherischen und reformirten Theologen u. erst im Anfange des 19. Jahrh. gelang es einzelnen Staatsgewalten, Unionen zwischen Lutheranern u. Reformirten zu Stande zu bringen. Der in Frankreich 1603 auf der Nationalsynode von Gap aufgekommene Plan: zuerst alle Reformirten unter sich, dann mit allen Lutheranern und zuletzt alle besondern Bekenntnisse in einem neuen und allgemeinen zu einigen, war zu abenteuerlich, als daß die Synoden von Tonneins und 1617 die von Vitry einigen Erfolg hätten haben können.