[709] Wicliffe (Uikliff) od. Wiclef (Uiklef), John, der vielgenannte Vorläufer Hussens und der Reformatoren des 16. Jahrh., in welchem sich alle Elemente der im Abendland fortwuchernden falschen Philosophie u. Theologie zu concentriren schienen; geb. 1324 zu W. bei Richmond in der Grafschaft York, wurde er Mitglied des Merton-Colleges zu [709] Oxford und soll sich als gelehrter Theologe früh ausgezeichnet haben. 1356 trat er aus dem Dunkel seines Stilllebens mit der Schrift de ultima aetate ecclesiae hervor, worin er die Geistlichkeit der Unwissenheit und Verderbtheit bezüchtigte u. derselben als zweiter Johannes von Floris den Untergang vor dem Weltende, das gegen den Schluß des Jahrh. hereinbrechen werde, prophezeite. Traurige Zeitverhältnisse hatten die Stimmung für derartige Ergüsse günstig gemacht. Im Kampfe vieler Mitglieder der Universität Oxford mit den Bettelorden zeichnete sich W. durch bittere Flugschriften aus, die er wider die Mönche schleuderte, u. der Umstand, daß er als Rector des Colleges Canterbury-Hall, zu welchem ihn der Stifter dem Wortlaute des Stiftungsbriefes entgegen 1365 gemacht hatte, nach dem Ableben des Stifters einem Benedictiner weichen mußte, riß ihn noch weiter in seiner Oppositionssucht fort. Als König Eduard III. mit dem Parlamente die Rechte aufzuheben trachtete, welche einst Innocenz III. gegen Johann ohne Land geltend gemacht hatte, zeichnete sich W. durch Eifer wider die päpstlichen Besteurungen aus u. wurde dadurch beim Hof beliebt und zugleich populär. Er wurde Doctor und Professor der Theologie an der Universität Oxford, griff vom Katheder aus wie durch Schriften den Papst als den Antichrist an u. hatte einen günstigen Boden für seine Angriffe in dem unwürdigen Treiben des päpstlichen Hofes in Avignon. W. besaß mächtige Freunde u. hatte sich bereits eine bedeutende Partei sowie eine Gesellschaft »armer Priester« geschaffen, die seine Ansichten dem Volke mundgerecht machten, als endlich 1377 der Papst sich wider ihn erhob und 22 seiner Behauptungen als ketzerisch bezeichnete. Die Anklage des Papstes hatte lediglich den Erfolg, daß W. seine Opposition zum Angriff wider die Kirche schärfte. Nicht nur daß er behauptete, ein in schwere Sünde gefallener Priester oder Bischof könne kein Sacrament spenden, die innere Zerknirschung mache das äußere Bekenntniß in der Ohrenbeichte überflüssig und unnütz, ein unsittlicher Papst sei ein Glied des Teufels und deßhalb ohne Gewalt über die Christgläubigen, ebenso ein unsittlicher König oder Fürst zur Verzichtleistung auf die Regierung verpflichtet, laut der Bibel dürfe kein Geistlicher weltliches Gut besitzen u. dgl. m., er leugnete auch die Transsubstantiation im Abendmahl sowie die Anordnung der hl. Messe durch Christus und huldigte einer starren Prädestinationstheorie. Als der Papst endlich Ernst brauchte, mußte W. einen Widerruf leisten und sich auf eine Pfarrei in der Diöcese Lincoln zurückziehen; er sollte sich vor dem Papste selbst weiters verantworten, blieb aber daheim, arbeitete sein Hauptwerk, den Trialogus od. dialogorum libri IV. aus, worin er seine Opposition gegen die Kirche ins Extrem trieb und systematisch entwickelte, u. st. 1384, nach andern 1387. Synoden zu London verdammten 139618 Sätze des Trialogus, verboten 1408 das Lesen der Schriften W.s, das Konstanzerconcil aber ließ seine Gebeine verbrennen, denn seine Meinungen hatten bedeutenden Anhang unter den Gelehrten, auch unter dem Volke (z.B. die unter König Heinrich V. fast gänzlich unterdrückten Lollharden) und namentlich in Böhmen gewonnen. Unter den Schriften über ihn nennen wir die mehrmals aufgelegte von I. Lewis (Lond. 1720), W. Gilpin (deutsch von Duttenhofer, Frkf. und Leipz. 1769), Zitte (Prag 1786), Tischer (Leipz. 1800), ferner die Geschichten des Wiclefianismus von A. Varillas (Lyon 1682), Maimbourg (La Haye 1683) und Grassi (Vincent. 1707), dann die neuesten Lebensbeschreibungen von E. Couthaud (Straßb. 1852) u. Rob. Vaughan (Lond. 1853).