Aequatoreal

[81] Aequatoreal oder auch Aequatorial, dem Sinn nach ein Instrument, dessen (eine) Bewegung dem Himmelsäquator entspricht. Diese Instrumente sind für den Teil der praktischen Astronomie, der in diesem Lexikon zu behandeln ist (die geodätisch-praktische »Astronomie« der geographischen Ortsbestimmung und der Ortszeitbestimmung, nicht aber die wissenschaftlichen praktisch–astronomischen Arbeiten der Sternwarten), nicht von Bedeutung und können deshalb unter Verweis auf die Handbücher der ganzen praktischen Astronomie oder doch eines großen Teils davon, s. etwa [1] bis [11] und die unten angeführte Spezialliteratur, nur kurz behandelt werden.

Die wesentlichen Teile des Instruments sind: der Unterbau, bei den fest aufgestellten größeren Instrumenten mein mit Uhrwerk, vgl. unten; das Fernrohr, das sich um eine mit der Richtung der Weltachse zusammenfallende Achse (Polarachse) drehen und um eine senkrecht dazu liegende Achse kippen läßt (jene erste Achse entspricht also der »Umdrehungsachse« eines Universalinstruments u.s.f., nur liegt sie nicht, wie bei diesem, in der Zenitlinie, sondern parallel zur Weltachse, die zweite der »Horizontalachse« oder »Kippachie« eines solchen altazimutal [s.d.] aufgestellten Instruments; das Aequatoreal ist parallaktisch aufgestellt); zwei Teilkreise, der eine, der »Stundenkreis«, senkrecht zur ersten Achse liegend, also dem Aequator entsprechend und unmittelbar nach Zeit geteilt, der zweite, der »Deklinationskreis«, senkrecht dazu, senkrecht zur zweiten Achse auf dicker befestigt, also parallel zur Weltachse und dem Deklinationskreis des augenblicklich beobachteten Sterns entsprechend; endlich (bei den transportabeln Instrumenten nicht oder selten) ein Uhrwerk, welches das ganze Instrument um die erste Achse, der scheinbaren täglichen Bewegung der Sphäre folgend, dreht (genau eine Umdrehung in einem Sterntag) und so einen einmal eingestellten Stern unverändert im Gesichtsfeld des Fernrohrs läßt: die optische Fernrohrachse legt in 24 Sternstunden genau einmal den Mantel eines Kegels zurück, dessen halbe Oeffnung die Poldistanz des eingestellten Sterns ist. Ein kleines Sucherfernrohr und Vervollständigungen des Fernrohrs (Mikrometer, Einrichtungen zu photographischen Beobachtungen s. unten) sind beigegeben.

Der Sprachgebrauch wechselt übrigens: vielfach wird auch heute noch als Aequatoreal so ziemlich jedes parallaktisch montierte (s. Parallaktisch) Fernrohr bezeichnet, bei dem eben nur die Einrichtung und Ausstattung des Fernrohrs von Bedeutung ist, während die zwei Teilkreise und ihre Ablesevorrichtungen verhältnismäßig roh sind (z.B. Ablesung auf einige s am Stundenkreis, auf 1/2' Deklinationskreis) und nur zum Aufsuchen, nicht zu Messungen dienen. Man Tollte besser den Namen Aequatoreal den Instrumenten vorbehalten, deren Kreise im richtigen Verhältnis zur optischen Kraft des Fernrohrs stehen.

Eben damit tritt aber dann auch die Bedeutung dieser eigentlichen Aequatoreale sehr zurück, ja es werden größere Aequatoreale (in diesem Sinn, mit seinen Kreisen), die für seine absolute Messungen bestimmt wären, kaum mehr gebaut. Welche Einrichtung man auch solchen Instrumenten geben mag, die Stabilität ihrer Aufstellung erreicht nicht die der festen Meridiankreise, festen Passageninstrumente oder Altazimute oder selbst bei transportabeln Instrumenten die der tragbaren Meridiankreise, Durchgangsinstrumente und Universale. Dagegen sind selbstverständlich alle großen Refraktoren der Sternwarten nicht altazimutal, sondern parallaktisch (äquatoreal) montiert, mit Uhrwerk versehen und für seine relative Messungen mit Mikrometern aller Art (vgl. diesen Artikel, ferner Fadenkreuz, Doppelbildmikrometer, Heliometer) oder für photographische Beobachtung eingerichtet. Um dieses Schwanken des Sprachgebrauchs zu zeigen, sei noch angeführt, daß in dem Art. Aequatoreal des Handwörterbuchs [9] von C.W.F. Peters eine Zusammenstellung (nach Newcombs Astronomie, deutsch von Vogel, 1892) der großen Refraktoren auf Sternwarten u.s.w. überhaupt sich findet, und auch in [7] ist S. 8098 von vielen großen und kleinen Refraktoren ohne seine Messungskreise als Aequatorealen die Rede, während z.B. in [8] von Aequatorealen unter den parallaktisch aufgestellten Refraktoren (Bd. 2, S. 1066 ff.) nur noch ganz selten gesprochen wird; vgl. auch die Bemerkung S. 1067 daselbst. Eine kurze[81] Geschichte der Aequatoreale gibt Wolf [11]: Polarachse von Scheiner eingeführt, Stundenkreis vielleicht von Grienberger, Deklinationskreis von Römer. Man unterscheidet englische und deutsche Aufstellung; jene auf Sisson zurückgehend und von Ramsden verbessert (bei der einen Anordnung Polarachse am unteren Ende in einem Stützzapfen, am oberen Ende durch Lager an einem Bügel gehalten), diese (vorzuziehen, weil stabiler: Harke zentrale Säule ist Hauptträger) von Reichenbach und Fraunhofer konstruiert und übrigens sehr vielfach abgeändert, z.B. von Brodie, und besonders in Amerika verbessert (Sägmüllers Aufstellungen); die »englischen« Aufstellungen werden jetzt nicht mehr angewendet. Ferner sind neben den seit aufgeteilten großen Instrumenten, für deren Fortschritte im Laufe des 19. Jahrhunderts nur auf drei Spezialschriften verwiesen sein mag [12], frühzeitig auch transportable Instrumente auf gewöhnlichem Dreifußunterbau hergestellt worden, in neuerer Zeit in Frankreich z.B. von Bardou, dessen Instrument großen Veränderungen der Polhöhle (auf Reisen) zu folgen gestattet, in Deutschland schon vor Jahrzehnten von Breithaupt in Kassel [13]; eines der Breithauptschen Instrumente dieser Art kann nach Lösung von der parallaktischen Montierung als Passageninstrument oder Meridiankreis oder als Theodolit gebraucht werden, wie dies auch schon für fest aufgestellte Instrumente versucht wurde, z.B. von Grubb. Neuerdings werden solche transportable Aequatoreale von vielen deutschen Firmen in guter Ausführung gefertigt: von Hildebrand in Freiberg, Heyde in Dresden, Wegener in Berlin, Ertel in München u.s.f. Von sonstigen einzelnen Abänderungen der Konstruktion wäre etwa zu erwähnen: Todds Aequatoreal zum möglichst systematischen Absuchen einer Zone; Hörne und Thornth waites kleiner. »Star-Finder«; das große »Twin Equatorial« von Grubb mit zwei verschiedenen Fernröhren, wie denn für astrophysikalische Zwecke solche Zwillingsfernrohre, das eine zu visuellen, das zweite zu photographischen Beobachtungen neuerdings mehrfach im Gebrauch sind, u.s.w.; es kann jedoch hierauf nicht weiter eingegangen werden (photographische »Aequatoreale« sind z.B. in [7] vielfach abgebildet, S. 8, 9,10, 15 u.s.w.). Dagegen ist wenigstens noch zu erwähnen das von den seither angeführten Konstruktionen wesentlich abweichende große »Equatorial coude« von Loewy auf der Sternwarte Paris, bei dem mittels doppelter Spiegelreflexion der Lichtstrahlen die Fernrohrachse nach jedem beliebigen Punkt des Himmelsgewölbes gerichtet werden kann, ohne daß der Beobachter seinen Augpunkt an dem festbleibenden Okular zu verändern braucht; vgl. [14], [15], auch z.B. [8], S. 12021206; dem Instrument sind neuerdings ähnliche »gebrochene Aequatoreale« auf französischen und andern Sternwarten gefolgt. – Für die Theorie des Aequatoreals und seiner Aufstellungsfehler muß hier auf die Spezialliteratur verwiesen werden; grundlegend waren für die Neuzeit die Abhandlungen von Encke [16], Littrow [17], Bessel [18] und Hansen [19]; kurzgefaßte Theorie z.B. bei Wolf [20] und bei Peters im Art. Aequatoreal in [9], Bd. 1; vgl. ferner die ausführliche Anleitung von Loomis [4], die Aufsätze von Grubb [21] u. [22] und die schon in [15] genannte Theorie von Loewy, endlich die für die Pariser Sternwarte bearbeitete Gebrauchsanweisung von Bigourdan [23]. – Wichtige Verbesserungen für die Aufstellung und Justierung von Aequatorealen hat (im Verein mit Mechaniker Heele) unlängst Knorre angegeben; vgl. [24] und [25].


Literatur: Die wichtigsten hierhergehörigen Handbücher (mit Ausschluß der lieh nur mit sphärischer Astronomie und speziell der geographischen Orts- und Zeitbestimmung befallenden, über welche die Art. Theodolit, astronomischer, sowie Ortsbestimmung, geographische, und Zeitbestimmung zu vergleichen sind) sind etwa: [1] Carl, Prinzipien der astronomischen Instrumentenkunde, Leipzig 1863. – [2] Sawitsch, Praktische Astronomie (russisch, 2. Aufl., 186871, deutsch u.a. durch Peters, Leipzig 1879). – [3] Chauvenet, Manual of Spherical and Practical Astronomy, 5th ed., New York 1893. – [4] Loomis, Introd. to Practical Astronomy, 7th ed., New York 1892. – [5] Doolittle, Practical Astronomy, 4th ed., New York 1893, u.s.w. – Populär, aber wegen besondrer Reichhaltigkeit in Beschreibung der Instrumente hier anzuführen ist: [6] Chambers, Handbook of Astronomy, t. 2, Instruments and Practical Astronomy, 4th ed., Oxford 1890; das Aequatoreal ist hier z.B. auf S. 64–117 behandelt, und es sind 25 verschiedene Instrumente abgebildet. In demselben Sinn sei [7] genannt, das ebenfalls populäre aber reichhaltige Werk von v. Schweiger-Lerchenfeld (in Verbindung mit Weinek): Atlas der Himmelskunde, Wien 1898. – [8] Eine wissenschaftliche Uebersicht über alle astronomischen Instrumente gibt das Werk von Ambronn, Handbuch der astronomischen Instrumentenkunde, 2 Bände, Berlin 1899, von denen der Band 2 hierher gehört; ferner ist von neueren Handbüchern der ganzen Astronomie (nicht nur der praktischen u.s.w.) neben Wolf (vgl. [11]) zu nennen [9] das von Valentiner herausgegebene Handwörterbuch der Astronomie, 4 Bände, Breslau 18971902. – Endlich ist bei dieser Gelegenheit gleich zu verweisen [10] auf die ausgezeichnete allgemeine wissenschaftlich-astronomische Bibliographie von Houzeau und Lancaster (Bibliogr. générale de l'astronomie), 3 Bde., Brüssel, von 1882 an, von der hier und für folgende Artikel zunächst Bd. 1 und 2 in Betracht kommen und für alle neuen Erscheinungen auf astronomischem Gebiet auf den sehr vollständigen »Astronomischen Jahresbericht« von Wislicenus (seit 1900 erscheinend, Bd. 1 die Literatur des Jahres 1899 umfassend). – [11] Wolf, Handbuch der Astronomie, Zürich 189093 (nicht zu verwechseln mit dem Handb. d. Mathem., Astron. u.s.w.), I, S. 397–398, II, S. 118–119. – [12] Struve, W., Beschreibung des großen Refraktors von Fraunhofer, Dorpat 1825; Airy, Account of Northumberland Equatorial, Cambridge 1844; Thury, Description de l'Equatorial Plantamour de l'Observ. de Geneve, Genf 1884. – [13] (Breithaupt), Das Magazin der neuesten mathemat. Instrumente, VI. Heft, Kassel 1876, S. 8891. – [14] Populär beschrieben von Gerigny in »Astronomie«, t. 3, Paris 1884. – [15] Loewy und Puiseux, Thdories nouvelles de l'Equatorial conde et de Equatoriaux en general, Paris 1888. – [16] Encke, Reduktion der Beobachtungen am Aequatoreal, Astron. Nachr., Bd. 3 (1824). – [17] Littrow, J.J., On the Rectification of the Equatorial Instrument, Mem. Astron. Society II, 1826. – [18] Bessel, Theorie eines mit einem Heliometer versehenen Aequatorialinstruments (1835 erschienen) in den[82] Astron. Beob. Sternwarte Königsberg von 1831, aufgenommen in die »Abhandlungen« von Befiel, herausgeg. Engelmann, Leipzig 1875, Bd. 2, S. 109–133; der erste Teil enthält die Theorie des Aequatoreals allein. – [19] Hansen, Theorie des Aequatoreals, Abh. Sächs. Ges.d. Wiss., IV, 1856 (auch sep. Leipzig 1855). – [20] Handb., vgl. [11], II, S. 119–121. – [21] Journ. Liverpool Astr. Soc, t. 3 (1884), p. 1, ferner [22] »Observatory«, t. 8 (1885), p. 9 ff. u. p. 43 ff. – [23] Instructions sur l'usage de l'equatorial et sur la reduction des observations, Paris 1893. – [24] Astron. Nachrichten, Bd. 160 (1902), S. 133. – [25] Ref. von Knopf in Zeitschr. für Instrumentenkunde, Bd. 23 (1903), S. 88.

Hammer.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 81-83.
Lizenz:
Faksimiles:
81 | 82 | 83
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Die Betschwester. Lustspiel

Die Betschwester. Lustspiel

Simon lernt Lorchen kennen als er um ihre Freundin Christianchen wirbt, deren Mutter - eine heuchlerische Frömmlerin - sie zu einem weltfremden Einfaltspinsel erzogen hat. Simon schwankt zwischen den Freundinnen bis schließlich alles doch ganz anders kommt.

52 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon