Antimonsalze

[240] Antimonsalze spielen in der Druckerei und Färberei der Baumwolle eine bedeutende Rolle seit dem Erscheinen des Methylenblaus auf dem Farbwarenmarkte (1878). Die ersten Anilinfarben waren gleich diesem Blau sogenannte[240] basische Farbstoffe (Fuchsin, Anilinblau, Anilinviolett u.s.w.), deren Beteiligung auf Wolle und Seide im Gegensatz zur Baumwolle nicht die geringsten Schwierigkeiten bot. Ein ganz sicheres Arbeiten mit den basischen Anilinfarbstoffen auf Baumwolle brachte erst das von Dale (1861) vorbereitete und später von Brooke & Co. in Manchester für die Praxis ausgearbeitete Tanninbrechweinsteinverfahren.

Der in Kristallen vorkommende, in 15 Teilen kaltem und in 2 Teilen kochendem Wasser lösliche Brechweinstein oder das weinsaure Antimonoxydkali

K(SbO)C4H4O6 +1/2H2O

mit 43,37% Antimonoxydgehalt gibt beim Zusammenkommen mit gerbstoffhaltigen Substanzen einen in Wasser ganz unlöslichen, in Säuren löslichen Niederschlag. In dieser unlöslichen Verbindung mit Antimonoxyd büßt das Tannin seine Eigenschaft, mit den basischen Anilinfarbstoffen unlösliche Lacke zu bilden, nicht ein, es entstehen vielmehr beim Färben und Drucken mit ihnen zusammengesetzte Tanninantimonlacke, die gegen Wasser, Licht und Seife bei weitem echter sind als die einfachen Tanninlacke. Dieses Verhalten war schon vor dem Auftreten des Methylenblaus bekannt und teilweise auch benutzt. Aber das »Tanninantimonverfahren« berechnet sich in der Druckerei, der bei allen koloristischen Neuerungen die Führung überlassen ist, zu teuer, wenn es, wie in der ersten Zeit seiner Verwendung, nur dazu dienen soll, die Anilinfarben in kleinen Mustern zu fixieren. Als jedoch der Baumwolldruck mit dem Methylenblau ein Produkt erhielt, dessen schöne, echte und brauchbare Farbe zur Verwendung für gedeckte Müller aufforderte und größere Ausgaben für eine echte Fixation rechtfertigte, machte sich der Brechweinstein in den Druckereien, Garn- und Stückfärbereien bald in größerem Maßstabe nützlich, nicht bloß für die Fixierung dieses Blaus, sondern auch der andern basischen Farbstoffe, nicht bloß für Deck-, sondern auch für Weißbodenmuster. Die Anwendung des Brechweinsteins in der Färberei besteht darin, daß man die mit Tannin gebeizte und vom Ueberschuß durch Schleudern oder Pressen befreite baumwollene Ware in einer lauwarmen Lösung des Antimonsalzes einige Zeit umzieht. Das Antimonbad kann fortdauernd gebraucht werden, wofern nur die freiwerdende Säure von Zeit zu Zeit abgestumpft wird. Nach dieser Behandlung wird die Ware gut gespült. Im Zeugdruck wird der Brechweinstein und werden seine Ersatzprodukte insofern abweichend angewendet, als das Gewebe in der Regel zunächst mit einem Gemisch von Gerbsäure und Farbstoff bedruckt, dann gedämpft und nun erst durch Antimonlösung gezogen wird. Wenn also der Drucker zuerst den in Essig-, Wein- bezw. Oxalsäure gelösten anninfarblack auf die Baumwolle bringt und dann im Brechweinsteinbad in den viel unlöslicheren Tanninantimonfarblack überführt, so beginnt der Stück- wie der Garnfärber mit der Herstellung des Antimontannats auf der Baumwollfaser, das er dann in der Farbflotte mit dem Farbstoff verbindet. Der Garnfärber legt seine Ware mehrere Stunden in eine 50° C. warme Tanninlösung oder Sumachbrühe ein, die 4–6% Gerbstoff vom Gewicht der Baumwolle enthält [1]. Direkt von hier kommt sie für 1/2 Stunde in das mit 21/2–3% Brechweinstein und 1/2–l% kristallisierter Soda angesetzte und auf 60° C. erwärmte Fixierbad, bleibt nach dem Herausnehmen einige Stunden liegen und wird vor dem Eingehen in die Farbflotte gut gewaschen. Die Glattfärberei bedient sich sowohl zum Imprägnieren der Baumwollgewebe mit Tanninflüssigkeit (20 g per Liter) als auch zum Durchnehmen durch die Brechweinsteinlösung (10 g per Liter mit 2 g kristallisierter Soda) der Foulardiermaschine, um den Stoff mit gerbsaurem Antimonoxyd für das Färben in basischen Teerfarbstoffen vorzubereiten. – Wie dieser Tanninantimongrund benutzt wird, um auf einen Anilinschwarzboden Anilinfarben aufzuätzen, s. Anilinschwarz.

Der starke Verbrauch und hohe Preis des Brechweinsteins gab Veranlassung zu mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen, Antimonverbindungen mit billigeren Säuren an seine Stelle zu setzen. Zuerst dachte man daran, der Weinsäure die billigere Oxalsäure zu substituieren und brachte das oxalsäure Antimonoxydkali K3Sb(C2O4)3 + 6H2O, mit 23,64% Antimonoxyd, in den Handel (1883). Noch billiger dürfte sich die von Kertész vorgeschlagene Antimonoxydmilch Sb(OH)3 stellen, die durch Ausfällen von Antimontrichlorid mit Soda erhalten wird (1885). In das Jahr 1886 fällt das amerikanische Patent Ch. Waites auf die Verwendung von milchsaurem Antimonoxyd, das in der Form des von C.H. Böhringer Sohn in Niederingelheim fabrizierten Antimonins, eines Antimonnatriumlactats, SbO(C3H5O3)2NaC3H5O3, das 32% Antimonoxyd enthält, Handelsprodukt geworden ist. Im gleichen Jahr schlug ferner Köhler das Antimonnatriumglycerid oder eine alkalische Lösung von Antimonoxyd in Glycerin als Brechweinsteinersatz vor [2] und veröffentlichte Watson eine Vorschrift, nach der eine 2 prozentige Antimontrichloridlösung mit 11 g Kochsalz und 8 g Chlormagnesium per Liter Flüssigkeit als Durchzugsbad verwendet wird. Der Zusatz der beiden Salze soll die Lösung des verdünnten Antimontrichlorids klar erhalten [3]. Das Jahr 1887 brachte das »Antimonsalz« von de Haën in List vor Hannover, ein leichtlösliches Doppelsalz von Antimonfluorid und Ammoniumsulfat SbFl3(NH4)2SO4 mit 47% Antimonoxyd [4], und das Doppelantimonfluorid der Firma R. Koepp & Co. in Oestrich (im Rheingau) von der[241] Zusammensetzung SbFl3 ∙ NaFl in leicht löslichen Kristallen (mit 66% Antimonoxyd), deren wässerige Lösung wie das Präparat von de Haën in jeder Verdünnung klar bleibt. Nahe verwandt dem Koeppschen Produkt ist das »Patentsalz« von A. v. Raad in Pfersee bei Augsburg, leicht lösliches Antimonammoniumfluorid mit sogar 77% Antimonoxyd. Endlich wäre noch das »Vomitartarin« der Firma K.O. Finckh in Stuttgart zu erwähnen, das als ein Gemenge von Brechweinstein, Antimonfluoriddoppelsalzen und andern Salzen 44% Antimonoxyd enthalten soll. Es versteht sich, daß mit allen diesen Fluorverbindungen nur in hölzernen Geschirren gearbeitet werden kann. Sonst haben sie wegen ihrer Billigkeit die meiste Aussicht, mit der Zeit den Brechweinstein aus den Druckereien und Färbereien ganz zu verdrängen. Weiteres s. [5].


Literatur: [1] A. Kertész, Die Anilinfarbstoffe, Braunschweig 1888. – [2] Dingl. polyt. Journ., Bd. 258, S. 521. – [3] Journ. Soc. Chem. Ind. 1886, S. 590. – [4] Bull. Soc. Ind., Muth. 1887, Dezemberheft – [5] Knecht, Rawson und Löwenthal, Handbuch der Färberei, Berlin 1901; Ganswindt, Moderne Färberei, Leipzig 1902.

(Kielmeyer) R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 240-242.
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