[627] Baupolizei, die die Baufreiheit, d.h. das Recht zur Vornahme baulicher Anlagen, beschränkende öffentliche Gewalt.
Ihre Handhabung bezweckt die Verhütung von Unglücksfällen durch die Bauten (Sicherheit und Festigkeit der letzteren), den Schutz gegen Feuersgefahr, die Wahrung der Gesundheit, die Berücksichtigung der Verkehrsinteressen, auch soweit tunlich die Befriedigung des Schönheitsgefühls. Von wesentlichem Einfluß auf die Handhabung der Baupolizei hat ferner die Rücklicht auf die Forderungen der sozialen Wohlfahrt und auf die Befolgung einer gesunden Wirtschaftspolitik zu sein. Ihrem Inhalt nach unterscheidet man bei den Maßnahmen der Baupolizei solche, die sich auf Gesamtheiten von Gebäuden beziehen, und solche, die sich mit den Gebäuden als einzelnen beschäftigen. Erstere werden auch als höhere, letztere als niedere Baupolizei bezeichnet. Zu den Maßnahmen der ersteren Art gehören z.B. die Aufstellung von Bebauungsplänen, die Feststellung von Baulinien, die Herstellung von freien Plätzen; zu denjenigen der letzteren Art z.B. die Bestimmungen über das zu verwendende Material, die Zimmerhöhe, die Abscheidung durch Brandmauern. Man unterscheidet ferner bei der Handhabung der Baupolizei zwei Systeme, das Präventiv- oder Konzessionssystem und das Repressivsystem. Nach dem ersteren muß für jeden Bau polizeiliche Erlaubnis eingeholt werden, die nur erteilt wird, wenn der Bauplan den im öffentlichen Interesse zu Heilenden polizeilichen Anforderungen entspricht. Bei dem Repressivsystem kann jeder ohne besondere Genehmigung bauen, doch muß er bestimmte Gebote und Verbote beobachten, widrigenfalls ihn Strafe bezw. polizeilicher Zwang zur Entfernung des vorschriftswidrigen Bauwesens trifft. In der Mehrzahl der deutschen Staaten herrscht das Präventiv- (Konzessions-) System. Zur Handhabung der Baupolizei sind, soweit nicht technische Spezialbehörden gebildet sind, den allgemeinen Verwaltungsbehörden technische Berater beigegeben [1]. Vgl. a. Bauzaun, Bebauung, geschlossene, offene, Brandmauer, Dachrinnen, Dampfkessel, Frontwände, Gesimse, Nottüre, Platzanlagen, Platzbepflanzung, Prachtstraßen, Promenaden, Schornstein, Städtebau, Straßenkreuzungen, Straßenlänge, Straßenrichtung, Wohnhaus.
Die Bestimmungen über Bauten pflegen in Bauordnungen zusammengefaßt zu werden, die entweder für das ganze Staatsgebiet oder je nur für bestimmte Teile desselben erlassen werden, ohne daß übrigens für die Regel alle baupolizeilichen Bestimmungen in den Bauordnungen enthalten wären.
Allgemeine Bauordnungen haben z.B. Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen, dagegen hat Preußen die Erlassung baupolizeilicher Bestimmungen in der Hauptsache den Provinzen, Regierungsbezirken, Kreisen und Orten zugewiesen. Uebrigens überlassen auch da, wo allgemeine Bauordnungen bestehen, die landesrechtlichen Bestimmungen es in der Regel den Gemeinden, je nach Bedürfnis noch weitere spezielle polizeiliche Vorschriften durch Ortsstatut (Ortsbaustatut, Ortsbaugesetz u.s.w.) zuzufügen. Auf diese Weise ist das Bauordnungswesen ein überaus mannigfaltiges geworden [2].
Wegen der strafbaren Verletzungen baupolizeilicher Vorschriften s. Strafrecht.
Literatur: [1] Jolly, Artikel »Gesundheitswesen« im Schönbergschen Handbuch der politischen Oekonomie, 4. Aufl., 3. Bd., 2. Halbbd., Tübingen 1898, S. 356 ff.; Leuthold, Artikel »Baupolizei« in Frhr. v. Stenzels Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts, 1. Bd., Freiburg 1890, S. 126 ff., beide mit weiterer Literaturangabe; v. Oppen, Artikel »Baupolizei« in dems. Wörterbuch, 2. Erg.-Bd., Freiburg 1893, S. 25; 3. Ergänz.-Bd., Freiburg 1897, S. 23; Eulenburg, Handbuch des öffentlichen Gesundheitswesens, 1. Bd., Berlin 1881; Handbuch der Baukunde, bearbeitet von den Herausgebern der Deutschen Bauzeitung und des Deutschen Baukalenders, 1. Abt., 1. Bd., Berlin 1885,. 218 ff.; Baumeister, Stadterweiterungen in technischer, baupolizeilicher und wirtschaftlicher Beziehung, Berlin 1876; Ders., Normale Bauordnung, Wiesbaden 1880. [2] Englert, Die Bauordnung vom 17. Februar 1901 für das Königreich Bayern mit Ausnahme der Haupt- und Residenzstadt München, München 1901; Rumpelt, Allgemeines Baugesetz für das Königreich Sachsen vom 1. Juli 1900, 2. Aufl., Leipzig 1902; Reiff, Neue allgemeine Bauordnung für das[627] Königreich Württemberg, Stuttgart 1902; Schlusser, Die bau- und feuerpolizeilichen Vorschriften im Großherzogtum Baden, 3. Aufl., herausgegeben von Oberamtmann Baur, Karlsruhe 1904; Pfasf, Die allgemeine Bauordnung für das Großherzogtum Hessen, Mainz 1883 und 1890; Münchgesang, in Graf Hue de Grais, Handbuch der Gesetzgebung in Preußen und dem Deutschen Reiche, Teil 9: »Bauwesen«, Berlin 1904; Baltz, Preußisches Baupolizeirecht, 2. Aufl., Berlin 1900; Born, Das Preußische Baupolizeirecht, Berlin 1902; Müller, Deutsches Bau- und Nachbarrecht, Berlin 1903.
Köhler.