[114] Cellulose. Die zahlreichen Verbindungen der Cellulose mit Alkalien, Metalloxyden, Mineralsäuren und mit organischen Körpern sind von C. Piest [1] übersichtlich zusammengestellt worden.
Aus dem Verhalten der Cellulose zur Salpetersäure läßt sich schließen, daß sie Hydroxylgruppen enthält und als ein Alkohol von der Formel [C6H5 (OH5)] n betrachtet werden kann. Die durch die Mischsäure (konzentrierte Salpetersäure und konzentrierte Schwefelsäure) je nach deren Wassergehalt gebildeten Nitrocellulosen enthalten verschiedene Stickstoffmengen, deren größte nach Piest 13,7% Nitrocellulose betragen soll. Wie in Bd. 2, S. 429, angegeben ist, entsteht durch Behandlung der Cellulose mit Salpetersäure Oxycellulose. Diese erhält man auch mit anderen oxydierenden Mitteln, so mit Chlorkalk, mit Kaliumpermanganat [2], mit Kaliumchlorat und Salzsäure, mit Brom und Calciumkarbonat; in ihren Eigenschaften weichen aber diese Oxycellulosen voneinander einigermaßen ab. Mercerisierte Baumwolle ist Hydratcellulose, die ebenso wie Cellulose kein oder nur geringes Reduktionsvermögen besitzt [3]. Läßt man auf Cellulose chemisch reines Wasserstoffsuperoxyd so lange einwirken, bis die Fasern zu einem Pulver zerfallen sind, so erhält man nach dem Auswaschen mit Wasser, Alkohol und Aether und nach dem Trocknen über Schwefelsäure ein weißes, stark reduzierendes Pulver, das Bumcke und Wolffenstein [4] Hydratcellulose genannt und dem sie die Formel 6C6H10O5, + H2O gegeben haben. Diese wird durch Alkali leicht verändert und erleidet dabei, ihrem aldehydischen Charakter entsprechend, eine Umwandlung einerseits in Alkohol (Cellulose), anderseits in Säure (Acidcellulose). Die so erhaltene Acidcellulose unterscheidet sich von der Cellulose in erster Linie durch ihre Löslichkeit in kalter Natronlauge, aus welcher Lösung sie durch Säure wieder ausfällt und so rein erhalten werden kann. Anderseits ist sie auch von der Hydratcellulose scharf unterschieden durch das Fehlen jeder aldehydischen Eigenschaften« (Piest). Bezüglich der Darstellung der technischen Cellulose ist anzuführen, daß außer der Aetznatronlauge auch Natriumsulfat verwendet wird. Dieses Sulfatverfahren bietet wegen seiner Billigkeit und zufolge der Erzielung hoher Ausbeute bedeutende Vorteile, denen aber der von den hierbei sich bildenden Merkaptanen herrührende abscheuliche Geruch als Nachteil gegenübersteht. Ueber die sogenannten Inkrusten (Lignine) haben die Untersuchungen von J. Koenig [5] folgendes ergeben. Die Lignine bleiben als schwärzlichbrauner Rückstand zurück, wenn man Buchenholz, Fichtenholz oder Hanffasern nach Vorbehandlung mit Benzolalkohol und Wasser mit 72 prozentiger Schwefelsäure hydrolisiert und das Produkt vorschriftsmäßig mit. Wasser verdünnt (nach dem Verfahren von Ost und Wilkening). Das Lignin bleibt zurück[114] und zeigt die Struktur der Zellmembran, woraus Koenig folgert, daß die Cellulose nicht als gepaarte Verbindung mit den Ligninsäuren u.s.w. als Ester vorhanden ist, sondern daß die Lignine nur eine mechanische Beimengung, eine »Durchwachsung« (wie das Calciumphosphat and der Leim in den Knochen) darstellen. Damit kommt auch die alte Bezeichnung derselben als »Inkrusten« wieder zu Ehren. Buchenholz ergab 29,5%, Tannenholz 31,3%, Hanf 2,9% als Lignin anzusprechenden Rückstand. Der Kohlenstoffgehalt des Tannenrückstandes betrug 64,85%, der von der Buche 65,08%, der von Hanf 56,62%, also Zahlen, die mit den für Lignin (indirekt) berechneten C-Gehaltszahlen von 5566% gut übereinstimmen. Ueber Halbzellstoffe vgl. [6].
Literatur: [1] C. Piest, Die Cellulose, ihre Verarbeitung und ihre chemischen Eigenschaften, Stuttgart 1910. [2] Berl und Klaye, Zeitschrift für das gesamte Schieß- und Sprengstoffwesen 1907, S. 382. [3] Schwalbe, Chem.-Ztg. 1907, S. 937. [4] Piest, Die Cellulose u.s.w., S. 107. [5] J. Koenig, Die Formelemente der Zellmembran, ihre analytische Bestimmung und technische Bedeutung, Vortrag, Chem.-Ztg. 36 (1912), S. 1101. [6] G. Schwalbe, Chem.-Ztg. 36 (1912), S. 1223.
T.F. Hanausek.