Draht

[288] Draht, 1) zusammengedrehter Faden; 2) das Zusammendrehen eines Fadens, daher 2, 3, 4 drähtiges Garn; 3) (Schuhm.), so v.w. Pechdraht; 4) Faden von Metall, nach dessen Verschiedenheit man Gold-, Platin-, Silber-, Messing-, Kupfer-, Eisen-D. hat; die verschiedene Stärke desselben unterscheidet man durch Nummern, so daß bei den stärksten Sorten mit Nr. 1 angefangen wird, od. man bezeichnet dieselbe dadurch, daß an einem Drahtringe ein od. mehrere Stücke Blei (Bleiring) befestigt sind, wo dann 1 Stück für den feinsten D. gilt; die verschiedenen Drahtsorten heißen daher Dreiblei,[288] Vierblei etc. Der feinste Eisendraht hat 2/1000 Zoll im Durchmesser, der feinste Messingdraht 2/1000 Zoll, der feinste Golddraht etwa 1/600000 Zoll. Ausgeglühter u. daher sehr biegsamer D. zum Zusammenbinden von zusammengelötheten Sachen heißt Bindedraht. Das Verfahren bei Verfertigung des Drahtes nennt man Drahtziehen. Geschmiedete, gewalzte od. gegossene Metallstäbe werden dadurch in Draht verwandelt, daß man sie nach u. nach durch die in einer Stahlplatte angebrachten Löcher von abnehmender Größe hindurchzieht. Diese Platte (Zieheisen) ist an dem einen Ende der Ziehbank befestigt. Letztere besteht in einer hölzernen Bank 6 bis 20 Fuß lang, u. ist an dem, dem Zieheisen entgegengesetzten Ende mit einem Mechanismus versehen, vermittelst dessen eine Zange, nachdem dieselbe das zugespitzte u. durch das größte Loch gesteckte Ende des Metallstabes gefaßt hat, zurückgezogen wird. Um zu bewirken, daß das Maul der Zange um so fester in den Metallstab eingreift, je größere Kraftanstrengung zur Fortbewegung nöthig ist, ist das Seil, welches die Zange, indem es sich aufwindet, nachzieht, an einem ovalen Ringe befestigt. Dieser preßt, je fester er angezogen wird, desto stärker die Schenkel der Zange, welche mit aufstehenden ringförmigen Ausbiegungen versehen sind, zusammen. Wenn der D. länger u. nachdem die Metallmasse eine faserige Structur angenommen hat, biegsamer geworden ist, so wird er, sobald er aus der Zange kommt, auf die Drahtwinde gewunden. Ist der D., dessen Verlängerung zur Verringerung seines Durchmessers im quadratischen Verhältniß steht, bis auf 4–3 Linien im Durchmesser reducirt, so kommt er auf die kleinere Ziehbank (Abführtisch). In der Mitte derselben befindet sich gleichfalls ein Zieheisen u. hinter demselben der Hut, ein rundes, bewegliches Holz, auf welches der D. aufgewickelt wird; vor dem Zieheisen ist die Stockrolle, ein hölzerner od. eiserner Cylinder, welcher mit 2 Hebeln umgedreht wird; der wieder zugespitzte D. wird erst ein Stück weit mit einer Zange durch das Zieheisen gezogen, dann in ein Loch der Stockrolle befestigt u. durch das Umdrehen derselben ganz durchgezogen; auf diese Art muß der D. wieder durch 40–50 Löcher des Zieheisens laufen. Um das Reißen des Drahtes zu verhüten, muß das Metall dann u. wann ausgeglüht u., um die durch das Ausglühen entstehende Oxydkruste zu entfernen, in verdünnte Schwefelsäure gelegt werden. Nach der Metallsorte u. der Stärke des Drahtes richtet sich die Geschwindigkeit, mit welcher der D. gezogen werden kann; so ist 0,3zölliger Eisen- od. Messingdraht nur in einer Geschwindigkeit von 12–15 Zoll, 0,025 zölliger schon auf 40–50 Zoll u. Silberdraht von gleicher Stärke auch etwa auf 70 Zoll pro Secunde ziehbar. Man unterscheidet trockenes u. nasses Ziehen. Bei dem ersteren Verfahren werden die Zieheisen nur mit Fett beschmiert, bei dem letzteren, welches man bes. für feinere Drähte anwendet, geht der D., bevor er das Zieheisen passirt, durch saure Bierhefe, auf deren Oberfläche Öl schwimmt, dann über einen mit Öl getränkten Lederlappen. Ganz seiner D. wird durch eine Kupferlösung leicht verkupfert u. dann durch das Zieheisen geführt. Bei Fertigung des vergoldeten D-s wird die Metallstange erst einige Mal durch das Zieheisen gezogen, um sie glatt zu machen (schlichten), dann aber mit Blattgold vergoldet. Man bekommt ein- bis fünfringeligen Golddraht, je nachdem man beim Vergolden nur 1 Blatt od. 5 Blätter Gold über einander aufträgt. Ein Silberstab, welcher 1 Mark wiegt, gibt einen Silberdraht, der 14/5 deutsche Meilen lang u. 1/66 Linie dick ist. Platter D. heißt Lahn, u. wird erhalten, indem der D. durch einen hölzernen Schraubestock (Birn), worin ein Stück mit Kreide bestrichenes Tuch eingeklemmt ist, gehen muß, damit er gereinigt werde; dann wird er durch die Drahtplättmühle, ein starkes Gerüst mit 2 blanken Walzen von Stahl, hindurchgezogen. Die Vertiefung, welche der D. beim Durchgehen macht, heißt Bahn, die ganze Arbeit Drahtplätten (Plätten), die Arbeiter, welche sie verrichten, Drahtplätter (Plätter). Den unechten (Leonischen D.) Gold- od. Silberdraht gewinnt man auch aus überzinntem od. versilbertem Kupferblech. Kupfer-, Messing- u. Eisendraht werden auf Drahthütten (Drahthammer) unter Anwendung von Wasser od. Dampfmaschinen gewonnen. Zu Eisendraht werden Stäbe Zaineisen (Drahteisen) genommen, wie sie der Nagelschmied bekommt; zu Messingdraht ein Stück starkes Messingblech (Drahtband) von ungefähr 16–20 Fuß Länge u. 11/2 Fuß Breite, welches mit einer großen, auch vom Wasser getriebenen Scheere zu schmalen Streifen (Drahtriemen) geschnitten wird. Die rauhen Drähte werden polirt u. gescheuert. Ehemals putzte man ihn durch Schaben; jetzt kocht man ihn zunächst in Thiergalle u. nachher in Wasser u. Weinstein u. trocknet ihn an der Sonne. Die Personen, welche D. verfertigen, heißen Drahtzieher; sie theilen sich hauptsächlich in Gold- u. Silber- u. gewöhnliche Drahtzieher. Erstere sind zünftig, Letztere meist Hüttenarbeiter, u. theil en sich wieder in Grob-, welche an der größeren Ziehbank arbeiten, u. Klein- (Scheiben-) Drahtzieher, welche an der kleinen Ziehbank arbeiten. Die Alten schon brauchten den D. zu Waffen, Kleidern, Schmucksachen etc. Früher wurde er mit dem Hammer gestreckt, u. erst zwischen 1360 u. 1400 soll der Nürnberger Rudolph das Drahtziehen erfunden haben. Indessen bestand schon 1370 ein Drahtziehhammerwerk in Nürnberg. Später wurde das Ziehen des seinen Gold- u. Silberdrahts in Frankreich ausgebildet u. kam erst von hier in der Mitte des 16. Jahrh. nach Deutschland. Vor dem Jahre 1565 scheint man in England noch keinen Eisendraht verfertigt zu haben, erst 1590 sollen die eisernen Drahtmühlen dort in Gebrauch gekommen sein. Zum Ziehen von dickeren Drähten hatte man Zugbänke mit Zangen, für dünneren aber Rollen od. Leiern. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts fertigt man sehr dicken D. durch Walzen. Jetzt wird der beste Gold- u. Silberdraht in Lyon, Paris, Amsterdam, Brüssel, Wien, Berlin, Augsburg, Genf etc., der beste Messing- u. Eisendraht in Aachen, Iserlohn, am Harz, in Salzburg, Zella, Neustadt-Eberswalde verfertigt. Vgl. Hartmann, Der Drahtzieher, Wien 1851. 5) Die beim Schleifen an der Schneide der Klinge entstehenden dünnen Theile, welche sich leicht umlegen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 288-289.
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