Emission

[443] Emission in physikalischem Sinn, Aussendung von strahlender Energie (Licht-, Wärme-, Kathoden-, Röntgen-, Radiumstrahlen) von der Oberfläche eines Körpers in den umgebenden Raum.

Zu unterscheiden ist die Emanation, Aussendung stofflicher Substanz; z.B. bei den dreierlei Radiumstrahlen bestehen die α-Strahlen in einer Emanation, die den Röntgenstrahlen ähnlichen γ-Strahlen in einer Emission strahlender Energie, die β-Strahlen, die den Kathodenstrahlen nahe verwandt sind, wird man als Emission oder Emanation bezeichnen müssen, je nachdem man den Elektronen, die in diesen Strahlen ausgesandt werden, eine mehr stoffliche oder mehr nur energetische Natur zuweist. Der Gegensatz von beiden Begriffen ist die Absorption. Die Emission von Licht und Wärme bestand nach den älteren Anschauungen der Emissions- oder Emanationstheorie in dem geradlinigen Ausströmen des Lichtstoffes von den strahlenden Körpern. Wir erkennen jetzt in der Emission von Licht und Wärme kürzere[443] und längere Aetherwellen, die durch die Bewegungen der kleinsten Teile der Körper erzeugt werden. Je nach den Aggregatzuständen der Körper zeigen die ausgesandten Aetherwellen einen verschiedenen Charakter. Bei den dichtesten Aggregaten, im flüssigen und festen Zustand, tritt die individuelle chemische Beschaffenheit der Körper mehr zurück hinter dem Einfluß allgemeiner Bedingungen, wie Oberflächenbeschaffenheit und Temperatur. Nach den Versuchen Leslies [1] mittels seines mit heißem Wasser gefüllten Würfels aus Metallblech, dessen Seitenflächen verschiedene Belegungen erhalten, zeigen bei gleicher Temperatur rauhe Oberflächen ein größeres Emissionsvermögen als glatte, Nichtmetalle ein größeres als Metalle. Er bestimmte folgende Relativzahlen: Ruß 100, Papier 98, Harz 96, Glas 90, Eis 85, Mennige 80, Glimmer 80, Graphit 75, rauhes Blei 45, blankes 19, Quecksilber 20, poliertes Eisen 15, Gold, Silber, Zinn, Kupfer 12. Ganz ähnliche Resultate hat Melloni durch Messungen mit der Thermosäule statt des berußten Thermometers erhalten. Daß nicht bloß die Oberflächenbeschaffenheit, sondern auch die Verschiedenheit der Substanz auf die Stärke der Emission von Einfluß ist, zeigen die Versuche Tyndalls mit pulverförmigen Körpern [2]. Aber auch die Beschaffenheit der Umgebung, abgesehen von der den Körpern aus der Umgebung zugestrahlten Wärme, bestimmt die Stärke der Emission nach einem von Clausius [3] theoretisch gefolgerten, von Quintus Icilius experimentell geprüften Gesetz. Es ist die Stärke der Emission dem Quadrat des Brechungskoeffizienten des durchstrahlten Mittels proportional.

Für die Abhängigkeit der Emission von der Temperatur gibt Stefan [4] das Gesetz: Die Emission glühender Körper ist proportional der vierten Potenz ihrer absoluten Temperatur. Dabei findet für die verschiedenen Wellenlängen ein verschiedenes Maß der Vermehrung mit steigender Temperatur statt, das aber von der Substanz der Körper unabhängig zu sein scheint. Nach Draper [5] treten unter 525° nur infrarote Strahlen auf, bei 540° reicht das Spektrum bis zur Linie B im Rot, der Körper erscheint dunkel rotglühend, bei 655° hat man Hellrot, das Spektrum reicht bis F im Grün, bei 795° bis G im Blau, bei 1170° bis über H hinaus, Farbe der hellen Weißglut. Nach H.F. Weber [6] beginnt die Entwicklung sichtbarer Strahlen schon bei 390° mit einem düster nebelgrauen Schein, der dem Gebiet der gelben bis grüngelben Strahlung angehört. Weber [7] ist bemüht, die gesetzmäßige Beziehung festzustellen, die je nach der Wellenlänge der Strahlen besteht zwischen der Temperatur der strahlenden Körper und der pro Zeiteinheit ausgestrahlten Energie. Weiteren Forschungen von Paschen [8] und Wien [9] verdanken wir die für den vollkommen schwarzen Körper (Körper, der alle auf ihn fallenden Strahlen vollständig absorbiert) gültigen Gesetze. 1. λm T = A, worin T die absolute Temperatur des strahlenden Körpers, λm diejenige Wellenlänge bezeichnet, die bei der betreffenden Temperatur dem intensivsten Teile des Spektrums der Gesamtstrahlung entspricht und die Konstante A den Wert 0,294 besitzt, falls man λm in Einheiten des Zentimeters mißt. 2. Em T-5 = B, worin Em die maximale (dem Werte λm entsprechende) Energiemenge und B eine Konstante bezeichnet, woraus 3. E = C · T4 folgt, das Stefansche Gesetz, wonach E die ausgestrahlte Gesamtenergie der vierten Potenz der Temperatur proportional ist. Weiteres s. [10].

Einen ganz andern Charakter als die Emission der starren und flüssigen Körper zeigt diejenige der Gase und Dämpfe. Das Spektrum der ausgesendeten Strahlen ist nicht mehr kontinuierlich über ein gewisses Gebiet der Wellenlängen verbreitet, sondern zeigt eine Bevorzugung bestimmter je dem betreffenden Stoff charakteristischer Wellenlängen. Je nach dem Grade der Dissoziation, der Bildung größerer oder kleinerer Atomkomplexe bei niederer oder höherer Temperatur, hat das Spektrum den Charakter entweder eines kannelierten Spektrums mit Tausenden feinster in regelmäßig abgefüllten Bändern verteilten Linien oder denjenigen des Linienspektrums mit wenigen, höchstens einigen hundert, teilweise bei verschiedener Temperatur verschieden deutlich auftretenden Linien (vgl. Spektralanalyse, auch Absorption).


Literatur: [1] Leslie, Inquiry to the nature of heat, London 1804. – [2] Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik, 5. Aufl., 2, S. 209, Leipzig 1896. – [3] Clausius, Abhandlungen über die mechanische Wärmetheorie, 8. Abt., Braunschweig 1867. – [4] Sitzungsber. der Akademie der Wissenschaften zu Wien, math.-naturwissensch. Kl., 79, 1879; Wüllner, S. 351 ff. – [5] Draper, Philosoph. Magazine, 3, 30, 1847; Wüllner, S. 217. – [6] Weber, H.F., Die Entwicklung der Lichtemission glühender fester Körper, Sitzungsber. der Akademie der Wissensch., Nr. 28, S. 491, 1887. – [7] Ders., Berliner Sitzungsber. 26. Juli 1888; Wüllner, S. 366 ff. – [8] Paschen, Ueber Gesetzmäßigkeiten in den Spektoren fester Körper u.s.w., Göttinger Nachr., math.-physik. Kl. 1895, 3. Heft, S. 1. – [9] Wien, W., Eine neue Beziehung der Strahlung schwarzer Körper zum zweiten Hauptsatz, Sitzungsber. der Berliner Akademie 1893, S. 55–62, und Wied. Annalen 52, S. 132 bis 165, 1894. – [10] Riecke, Lehrb. der Phys., 2. Aufl., S. 632 ff., 1902.

Aug. Schmidt.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 443-444.
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