[581] Glyzerin C3H8O3, rein eine farblose, süß schmeckende, schwer bewegliche Flüssigkeit von neutraler Reaktion, die in der Winterkälte unter Umständen krystallisiert.
Es fühlt sich schlüpfrig wie Oel an und bringt auf der Haut, besonders auf den Schleimhäuten, das Gefühl von Wärme hervor, indem es den Geweben Wasser entzieht. Es nimmt beim Stehen an der Luft bis zu 50% Wasser auf und läßt sich mit Wasser in allen Verhältnissen mischen; dabei tritt Volumenverminderung und Temperaturerhöhung ein. Glyzerin ist ferner mischbar mit Alkohol, leicht löslich in ätherhaltigem Alkohol, schwer löslich in Aether und besitzt ein bedeutendes Lösungsvermögen für viele Salze. Die Angaben über das spez. Gew. des wasserfreien Glyzerins schwanken zwischen 1,262 und 1,268; dies erklärt sich daraus, daß das Glyzerin sehr hygroskopisch ist und nur schwer von den letzten Anteilen Wasser befreit werden kann. Es siedet unter gewöhnlichem Luftdruck bei 275°; auf über 280° erhitzt, erleidet es Zersetzung unter Bildung von Akrolein, Kohlensäure, Essigsäure und Kohlenwasserstoffen. Im Vakuum und mit überhitztem Wasserdampf läßt es sich ohne Zersetzung destillieren.
Glyzerin ist ein dreiwertiger Alkohol und deshalb imstande, drei verschiedene Reihen von zusammengesetzten Aethern, sogenannten Glyzeriden, zu bilden. Von diesen sind in der Natur am weitesten verbreitet die Triglyceride der Fettsäuren, aus denen die natürlichen Fette bestehen (vgl. Fette). Das Rohglyzerin wird hauptsächlich bei der Stearinfabrikation als Nebenprodukt gewonnen, und zwar als dünne, wässerige Lösung, die durch indirekten Dampf oder auch im Vakuum konzentriert wird. Das so eingedampfte Glyzerin ist heller oder dunkler braun gefärbt und wird entweder durch Filtrieren über Knochenkohle (raffiniertes Glyzerin) oder durch Destillation mit überhitztem Wasserdampf (destilliertes Glyzerin) gereinigt; nur auf letzterem Wege läßt sich chemisch reines Glyzerin darstellen. Zur Wertbestimmung des Rohglyzerins für Zwecke der Destillation empfiehlt O. Heller eine Probedestillation in einem mit einer Luftpumpe verbundenen Glaskolben [1]. Bei der Seifenfabrikation geht das Glyzerin bei Schmier- und Leimseifen in die Seife mit über, bei Kernseifen in die Unterlauge. Aus letzterer ist es wegen ihres großen Gehaltes an Salzen schwer rein darzustellen; es sind zu diesem Zwecke verschiedene Patente genommen worden [2]. Chemisch reines Glyzerin darf weder auf Zusatz von Ammoniak und oxalsaurem Ammoniak noch von Salpetersäure und salpetersaurem Silber eine Trübung geben; auch darf es, auf der flachen Hand zerrieben, nicht riechen und bei Zusatz von salpetersaurem Silber ohne Salpetersäure sich nicht färben. Die in der neuen deutschen Pharmakopöe empfohlene Prüfungsmethode von Ritsert: 1 ccm Glyzerin, mit 1 ccm Ammoniakflüssigkeit zum Sieden erhitzt, darf bei Zutröpfeln von 3 Tropfen einer 5 prozentigen Silbernitratlösung sich innerhalb 5 Minuten weder färben noch irgendwie verändern, ist unbrauchbar [3].[581]
Glyzerin findet sehr vielseitige Verwendungen. Sie beruhen zumeist darauf, daß es nicht gärungsfähig ist, daß es ein sehr großes Lösungsvermögen für sehr viele Substanzen besitzt, daß es nicht eintrocknet, daß seine wässerigen Lösungen, außer wenn sie sehr schwach sind, erst bei sehr hohen Kältegraden gefrieren. Wegen letzterer Eigenschaft ist es eine geeignete Sperrflüssigkeit für Gasuhren. Wegen seiner Eigenschaft, die Haut geschmeidig zu machen, findet es Verwendung bei der Darstellung von Toiletteseifen, Waschwassern und andern kosmetischen Mitteln. Ferner wird es in der Färberei, Gerberei, als Schmiermittel für Maschinenteile, zur Darstellung von Buchdruckwalzenmasse, Nitroglyzerin u.s.w. benutzt.
Literatur: [1] »Seifenfabrikant« 1893, S. 453. [2] Ebend. 1881, S. 110. [3] Chem.-Ztg. 1890, S. 1493; Seifenfabrikant 1890, S. 587; Apoth.-Ztg. 1890, S. 692; 1891, S. 263.
Deite.