Knochenkohle [1]

[526] Knochenkohle (Knochenschwarz, Beinschwarz, Spodium), ein Gemisch von Kohle und phosphorsauerm sowie auch kohlensauerm Kalk, besitzt stark entfärbende Eigenschaften und wird durch Verkohlen tierischer Knochen (Erhitzen unter Luftabschluß) gewonnen.

Die Verkohlung der grobgemahlenen und durch Auskochen von Fett befreiten Knochen geschieht in der Regel in eisernen Retorten, welche in einer größeren Anzahl in einem Ofen eingemauert sind und an der Unterseite eine Klappe zum Entleeren besitzen. Bei guteingerichteten derartigen Apparaten ist dafür Sorge zu tragen, die bei der trockenen Destillation der Knochen sich entwickelnden Destillationsprodukte auffangen zu können. Unbedingt notwendig ist Abschluß der Luft, denn bei Luftzutritt tritt eine vollständige Verbrennung ein und die Farbe der Knochenkohle wird nicht schwarz, sondern grau.

Man kann Spodium auch durch Verkohlen von Knochen in Töpfen darstellen; die Töpfe fassen ungefähr 16 kg Knochen, haben einen vorspringenden Rand, so daß sie, aufeinander gestellt, sich gegenseitig schließen und nur der oberste Topf eines besonderen Deckels bedarf. Sie werden wie Säulenreihen nebeneinander gestellt, so daß die Flammen frei zirkulieren können und zu Anfang ein nur schwaches Feuer geben, bis die Destillation beginnt, was an dem Hervorbrechen helleuchtender Flammen an den Rändern der Töpfe zu erkennen ist. Die Destillationsprodukte verbrennen mit einer so intensiven Hitze, daß die Töpfe in lebhafte Glut kommen und die Feuerung von außen reduziert werden muß. Das Feuer wird nach dem Schlusse der Destillation noch kurze Zeit forterhalten, die Töpfe kühlen sich ab und werden dann in Blechbehälter entleert, in welchen sie bis zur völligen Erkaltung verbleiben. Ein Zutritt von Luft zu der heißen oder glühenden Kohle würde eine Verbrennung derselben zur Folge haben, wodurch ein schlechtes Produkt erzielt würde.

Die erkaltete Kohle wird je nach den Zwecken, denen sie dienen soll, in verschiedener Größe geschrotet (Körnungen) oder auch gemahlen. Ihre Zusammensetzung ist qualitativ fast dieselbe, dagegen schwankt sie quantitativ außerordentlich; Frühling und Schultz geben folgende Grenzzahlen an: Kohlenstoff 7,50–10,80%, kohlensaurer Kalk 6,00–8,00%, schwefelsaurer Kalk 0,15–0,25%, phosphorsaurer Kalk 75,00–80,00%, phosphorsaure Magnesia 0,80 bis 1,40%, Chloralkalien 0,20–0,50%, Silikate 0,50––0,80%, Eisenoxydul 0,20–0,30%, Schwefel- und Stickstoffverbindungen 0,50–1,40%. Dazu kommt ein wechselnder Gehalt an Wasser, Ton und Sand.

Gute Knochenkohle muß, an die Zunge gehalten, fest an derselben haften. Sie muß fett, matt und tiefschwarz, ohne weiße Spitzen an den Körnern sein, nicht glänzend und glasartig aussehen, und sie muß, unter dem Mikroskop betrachtet, die Struktur der Knochen deutlich sehen lassen. Die Prüfung der Knochenkohle bezieht sich auf Bestimmung der Färbekraft und Intensivität der Schwärze, Bestimmung des Wassers, des kohlensauern Kalks, der entfärbenden Kraft und der Beimengung fremder Substanzen.

Hauptverwendung der Knochenkohle ist zu Reinigungszwecken (in der Zuckerfabrikation, Entfärben, namentlich von Mineralölen u.s.w.) und als Farbmaterial, namentlich für Schuhwichsen. Für Reinigungszwecke wird die gebrauchte Knochenkohle, nachdem sie ihre Wirksamkeit durch Aufnahme von Salzen, Kalk, Farbstoffen oder andern Materialien ganz oder zum größten Teile eingebüßt hat, verschiedener Behandlung unterzogen, um sie wiederholt verwendbar zu machen; der Prozeß wird als »Wiederbelebung« bezeichnet und ist von großer Wichtigkeit, weil die Kosten der Knochenkohle sich durch diesen Prozeß ganz wesentlich reduzieren.

Zur Wiederbelebung wird die gebrauchte Knochenkohle entweder nur einfach ausgeglüht oder sie wird, wie bei der Zuckerfabrikation, zunächst mit Salzsäure (um den Aetzkalk zu entfernen) ausgewaschen, und man überläßt sie, teils in Haufen, teils in Wasser, einem Fäulnis- und Gärprozeß, wobei sich viele Gase entwickeln und Verbindungen bilden, die schließlich mit viel Wasser ausgewaschen werden. Der Gärprozeß kann auch durch Auskochen mit Natronlauge ersetzt werden und schließlich wird die Kohle in eignen Oefen ausgeglüht. Der Glühprozeß ist zwar an und für sich eine einfache Operation, er ist aber doch an gewisse Vorsichtsmaßregeln gebunden, denn glüht man zu schwach, so wird nicht alle organische Substanz entfernt, glüht man zu stark, wird die Kohle dicht und entfärbt nur wenig; gleichzeitig läuft man bei nicht luftdicht schließenden Apparaten große Gefahr, daß die Knochenkohle zum Teil weißgebrannt[526] und ganz unbrauchbar wird. Die Glühöfen sind für kontinuierlichen Betrieb eingerichtet und gestatten, die Kohle abgekühlt aus den Apparaten zu nehmen.

Andés.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 526-527.
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