Klebemittel [1]

[505] Klebemittel bilden eine besondere Abteilung der sogenannten Bindemittel und stellen Massen dar, welche in flüssigem, halbflüssigem, teig- oder breiartigem, selbst nur in gequollenem Zustande zur Bindung (Vereinigung, Aneinanderheften) verschiedener Körper Verwendung finden, wobei deren Wirkung zunächst auf Verdunstung des Lösungsmittels beruhen muß. In den meisten Fällen ist das Lösungsmittel (kaltes oder warmes) Wasser. Neben der angegebenen Hauptaufgabe verbinden viele Klebemittel noch eine weitere (oft sogar wichtigere) Verwendungsfähigkeit, z.B. als Verdickungsmittel der Farben (Wasserfarben, Zeugdruck) zu dienen, das Steif- und Glänzendmachen der Gewebe (Appretur) zu bewerkstelligen, woraus sich eine in technischer Beziehung ziemlich große Mannigfaltigkeit in der Anwendung ein und desselben Klebemittels ergeben kann. Eine Uebersicht der zahlreichen Klebemittel bietet folgende Zusammenstellung:

I. Klebemittel aus dem Pflanzenreich: 1. Stärke und deren Abkömmlinge, Kleister, Dextrin; 2. Gummiarten; 3. Algen; 4. Pflanzenschleime; 5. Pflanzenalbumin; 6. Harzleim (Harze).

II. Klebemittel aus dem Tierreich: 7. Kasein; 8. Albumin; 9. Tierischer Leim; 10. Hausenblase.

1. Stärke, Kleister, Dextrin. Ueber Stärke s. Stärkemehl. Schon bei 50° zeigt jede in genügender Menge Wasser suspendierte Stärkeart eine deutliche Aufquellung; wird die Temperatur entsprechend erhöht, für Weizenstärke bis 67,5°, für Mais- und Kartoffelstärke bis 62,5°, so zerfließen die Stärkekörner und bilden Kleister. Um das Sauerwerden desselben (Milchsäuregärung) zu verhindern, wird er mit Karbolsäure, Kochsalz oder Alaun versetzt. Die Klebekraft des Kleisters kann durch Zusatz von Wein außerordentlich erhöht werden. Kartoffelstärkekleister zeigt weniger Homogenität als der von Weizenstärke, weil stets zahlreiche Klümpchen in der durchscheinenden Grundmasse suspendiert bleiben. Diese Gallertklümpchen können durch fleißiges Umrühren und durch sorgfältiges Regulieren der Temperatur auf die geringste Zahl gebracht werden. Die zahlreichen aus Stärke und Mehl dargestellten Klebe-, Appretur- und Verdickungsmittel sowie Weberschlichtmassen s. in [1]. Vgl. a. Appretmittel, Bd. 1, S. 251. Als Zusatzmittel spielen Leim, Borax, Gummi eine große Rolle. Poliocolle oder Paramentine ist teils Kleister, teils ein Gemisch von Gelatine, Dextrin, Zinkvitriol, Magnesiumsulfat und Wasser (Weberschlichte). Glanzstärke heißen zahlreiche Präparate, die aus Stärke, Borax, Gummi oder Paraffin und Gummi bestehen. Apparatine von Gerard ist aus 76 Teilen Wasser, 16 Teilen Kartoffelstärke, 8 Teilen Pottaschen- oder Sodalauge (25° Be) zusammengesetzt. Ein andres Rezept s. Appretmittel. Stärke mit Schlemmkreide und Wasser, durch Aetznatron verkleinert, liefert ein ausgezeichnetes Klebemittel, das auch zu Stereotypabformungen dienen kann. Ueber Dextrin s. Bd. 2, S. 727; besonders weißes Dextrin heißt Gommeline.

2. Gummiarten. Beschreibung u.s.w. s. Bd. 4, S. 673. Eine wichtige Aufgabe vor Verwendung vieler Gummiarten ist deren Reinigung, namentlich wenn dieselben dunkel gefärbt sind. Hierzu wird die Filtration und die Behandlung mit feingefälltem Tonerdehydrat empfohlen. Die Filtration von Gummilösungen ist aber schwierig bezw. kostspielig. Gummisurrogate sind sehr verschiedenartige Präparate. Vegetabilischer Leim ist mit kristallisierter schwefelsaurer Tonerde versetzte Gummilösung; statt der schwefelsauern Tonerde kann auch Alaun verwendet werden. Eine gesättigte Lösung von Tonerdephosphat in Schwefel- oder Phosphorsäure ist Ways Mineralgummi. Das Surrogat für vegetabilischen Leim von A. Selle ist Gummi mit einem Zusatz von Calciumnitrat (in Wasser zusammen verrieben). Auch Dextrin wird häufig unter obigem Namen verkauft. Künstliches Gummi s. Bd. 1, S. 252.

3. Algenklebemittel. Die Zellmembran vieler Algen ist durch starke Quellbarkeit (schon in kaltem Wasser) ausgezeichnet und gestattet daher deren Verwendung; in heißem Wasser bildet sie einen ziemlich homogenen Schleim (Pflanzenschleim). Das irländische Moos (Perlmoos, Knorpeltang, Carrageen, Carragaheen, Carragheen) wird zum Klären von Bier, als Appreturmittel, zur Weberschlichte, zum Wasserdichtmachen von Geweben bei der Erzeugung von Stroh- und Filzhüten, als Farbengrund für Marmorpapiere, auch als Nahrungsmittel und medizinisch verwendet. Es ist ein Gemenge zweier. Algenarten der Florideen, Chondrus crispus Stackh. und Mastocarpus mamillosus Kütz. (Gigartina mamillosa Agardh), welche an felsigen Küsten des Atlantischen Ozeans in. großer Menge vorkommen; sie werden (von Stürmen aus Land geschleudert) besonders an der Welt- und Nordwestküste Irlands (Sligo in der Landschaft Connaught) und an der nordamerikanischen Küste (Massachusetts) gesammelt und bilden zusammengeballte Körper mit flachem oder rinnenförmigem, wiederholt dichotom geteiltem, fächerförmig ausgebreitetem Lager, dessen Abschnitte bald breiter, bald schmäler und am Ende zweispaltig, sein verschlitzt, gewimpert oder kraus sind, von knorpeliger Konsistenz, in Wasser stark aufquellend und dann gallertartigfleischig, schlüpferig werdend. Mit der 20– bis 30 fachen Gewichtsmenge [505] Wasser gekocht, gibt Carragheen eine schleimige Lösung, welche beim Erkalten zu einer auf Zusatz von Jod sich nicht bläuenden Gallerte erstarrt [2]. Schleimgehalt 63,7%, Aschenmenge 16%. Als vorzügliche Appreturmittel sowie auch als Nährsubstrate für Bakterienzuchten sind die unter dem Namen Agar-Agar in den Handel kommenden Algen und Algenpräparate im Gebrauch. Man unterscheidet:

a) Agar-Agar von Ceylon (Alga Zeylanica, Stärkemoos, Ceylonmoos), die an der Küste von Ceylon und Java vorkommende, an der Sonne getrocknete Alge Sphaerococcus lichenoides Ag. (Gracilaria). Wiederholt gabelig geteilte, 5–12 cm lange, weiche, feingerunzelte, weiße oder gelblichweiße, stielrunde Stämmchen und feinere Aestchen, die sich in kochendem Wasser auflösen und mit 50 Teilen Wasser eine durchsichtige geschmacklose Gallerte geben. Enthält 59,5% Schleim, 15% Stärke, 18% Pflanzenfaser, 4% Gummi und 7,5% Chlornatrium, Natriumsulfat u.s.w.

b) Agar-Agar von Makassar; ostindisches Carragheen, die getrocknete., im Indischen Ozean häufige Floridee Eucheuma spinosum Kzg. (Gigartina), 3–4 cm lange, 2–3 mm dicke, unregelmäßig verzweigte, stielrunde, gerippte, mit kegelförmigen Auswüchsen versehene, bräunlichgelbe, hornartig feste Lager. Verhalten wie Carragheen.

c) Agar-Agar von Japan, vegetabilische Hausenblase, Tjentjan der Chinesen, flammt von Sphaerococcus compressus Ag., Sphaerococcus tenax Ag., Gelidium corneum Lamour, Gelidium cartilagineum Gaill., und ist als Nahrungs- und Arzneimittel, als Nährgelatine (in der Bakteriologie) und als Klebemittel viel verwendet. Sie erscheint in zwei sehr verschieden aussehenden Präparaten, in strohhalmdicken, 5–6 dm langen, farblosen, der »Seele« der Federkiele ähnlich sehenden Stücken und in 4 cm breiten quadratischen Prismen von lockerem, zelligblätterigem Gefüge. Bildet in kochendem Wasser einen stark klebenden Schleim, der hauptsächlich aus Gelose (dem Gummi isomer) besteht. Das von Mauritius kommende Hay-Thao ist ebenfalls Gelose. – Aus dem Riementang, Laminaria, wird in neuerer Zeit durch vierundzwanzigstündige Mazeration mit Sodalösung eine schleimige Masse erhalten, die als Algin eine gute Schlichte, mit Laminariakohle gemengt als Karbonzement eine Wärmeschutzmasse und ein Kesselsteinmittel abgeben soll.

d) Japanisches Moos von Gloeopeltis coliformis Harv., von Japan eingeführt, ersetzt echten Agar-Agar nicht, da es wohl einen dicken Schleim, aber keine konsistente Gallerte gibt [3].

4. Anderweitige Pflanzenschleime. Der Quittenschleim flammt von den Verdickungsschichten der Oberhautzellen der Quittensamenschale (Cydonia vulgaris Pers.) und wird durch Digerieren und Aufkochen der Samen erhalten. Nach dem Erkalten bildet die Masse eine steife Gallerte. Aus der noch heißen Masse kann der Schleim mit Salzsäure und Alkohol ausgefällt werden. Zur technischen Verwendung zieht man nach Selle die Samen mehrmals mit kaltem Wasser aus und trocknet den kollerten Schleim auf Porzellantellern. 100 Teile Samen geben 10–12 Teile trockenen, in Wasser klar löslichen Schleim. – Leinsamenschleim wird wohl kaum mehr verwendet. Dagegen ist der Flohsamenschleim von Plantago Psyllium L. (und Plantago arenaria W. et V.) als Appreturmittel, in der Zeugdruckerei und in der Buntpapierfabrikation in ausgedehnter Verwendung [4].

Ueber Pflanzen- und Tieralbumin s. Eiweißstoffe, Bd. 3, S. 374, und Albuminfarben, Bd. 1, S. 130, über Kleberleim s. Eiweißleim, Bd. 3, S. 374. Kasein wird als Käsekalk (Käsegummi), in Vermischung mit Aetzkalk (frischer Quark mit Aetzkalk), als Kaseinklebemittel u.s.w. in Vermischung mit Kalkhydrat, Wasserglas und Wasser (vgl. D.R.P. Nr. 154289, Kl. 22 i) zum Kitten von Metall mit Glas und Ton viel verwendet. In der Zeugdruckerei dient frischgefälltes Kasein als Beize und Verdickungsmittel der Farben. Ueber tierischen Leim s. Leimfabrikation und Gelatine. Hausenblase (Fischleim, Colla piscium, Ichthyocolla), ein zu technischen, ökonomischen und pharmazeutischen Zwecken viel verwendetes Klebemittel, ist die getrocknete Schwimmblase verschiedener Fische; eine vorzügliche (pharmazeutisch allein gestattete) Sorte ist die russische Hausenblase, die vom Haufen (Bjeluga, Acipenser Huso), vom Scherg oder Sewerjuga (Acipenser stellatus), vom Sterlet (Acipenser ruthenus) und vom Ossetr (Acipenser Güldenstädtii) flammt. Die Fische werden im Kaspischen See und im Schwarzen Meere an den Flußmündungen gefangen. Die frischen Schwimmblasen werden aufgeschnitten, gewaschen, aufgespannt und bis zu einem bestimmten Grade getrocknet, hierauf durch Reiben von der äußeren, siberglänzenden Haut befreit und geben dann, ausgespannt vollends getrocknet, die Blätterhausenblase, zu mehreren übereinander gelegt und eingeschlagen, die Bücherhausenblase, oder zu ring-, leier- und hufeisenförmigen Gestalten zusammengerollt, die Ringel-, Leier-, Klammerhausenblase. Es gibt auch dünn ausgewalzte, in seine Fäden geschnittene Fadenhausenblase; die nichtpräparierte nennt man Zungen-, die zusammengeballte Klumpen-, die aus den Abfällen hergestellte die Kuchenhausenblase. Die belle russische Schwimmblase ist das Patriarchengut. Blätterhausenblase bildet fast farblose, durchsichtige, prachtvoll irisierende, zähe und biegsame Stücke, die in heißem Wasser sich bis auf einen (0,4–21,6% betragenden) Rückstand auflösen und mit 25–50 Teilen heißem Wasser beim Erkalten eine farblose, durchsichtige Gallerte geben, der Hauptsache nach Glutin. Von gleicher Güte ist die uralische und die Samovy-Hausenblase, letztere vom Wels (Silurus glanis) flammend, handgroße, sehr feste, quergerunzelte, gelblichweiße Blätter. – Die deutsche oder Hamburger Hausenblase wird vom Stör (Acipenser sturio) gewonnen. Die indische Hausenblase ist die Schwimmblase der Fingerfische (Polynemus plebejus, Polynemus sele u.a.), ferner des indischen Welses und kommt in Blättern oder Beuteln, mit unangenehmem Fischgeruch behaftet, in den Handel; die Blätter werden auch zu langen Bändern ausgewalzt. Schmale, dünne, bis 8 cm lange Blätter dieser Sorte heißen auch ausgesuchte Hausenblase. Von Haiarten flammt die chinesische Hausenblase, von Silurus Parkeri die brasilianische (Para-) Hausenblase (auch die westindische), und Neufundland und Kanada bringen Hausenblase vom[506] Kabeljau in den Handel. Im Vergleich zu Gelatine und andern Leimsorten ist die Hausenblase eine teure Ware und daher auch vielen Verfälschungen ausgesetzt. Vgl. darüber [1].


Literatur: [1] Valenta, E., Die Klebe- und Verdickungsmittel, Cassel 1884. – [2] Vogl, A., Kommentar u.s.w., Wien 1892, Bd. 2, S. 503. – [3] Wiesner, Rohstoffe, 2. Aufl., Leipzig, 1. Bd., S. 643. – [4] Ebend., Bd. 2, S. 778. – Ferner die bei Appretmittel (Bd. 1, S. 254) angegebene Literatur.

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 505-507.
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