[570] Kolorimetrie (Farbenmessung) bezweckt in der quantitativen Färbstoffanalyse die Feststellung des Gehaltsverhältnisses von Farbstoffen durch Vergleichung der Farbtiefe ihrer Lösungen. Dazu bedarf man einer Normallösung, von der man weiß, wieviel sie von dem zu bestimmenden Körper enthält. Mit der Farbe dieser Normallösung vergleicht man diejenige der Lösung des Farbstoffes, dessen Gehalt bestimmt werden soll, indem man die Dicke der Schicht der tiefer gefärbten Flüssigkeit so lange vermindert, bis beide Flüssigkeiten beim Durchsehen gleichgefärbt erscheinen.
Unter der Voraussetzung, daß das Lichtabsorptionsvermögen a und a' zweier gefärbten Flüssigkeitsschichten umgekehrt proportional den Schichtendicken h und h' ist, welche die Lichtstrahlen zu durchlaufen haben, ergibt sich bei Einstellung auf gleiche Intensität der Färbung die Beziehung a : a' = h' : h. Nun ist das Vermögen eines Körpers, Licht zu absorbieren, eine Funktion seiner Moleküle, gewisse Lichtstrahlen teilweise oder ganz vermöge der eignen Molekularbewegung zurückzuhalten. Je mehr lichtabsorbierende Moleküle der Lichtstrahl durcheilen muß, d.h. je konzentriertere Lösung man bei beispielsweise gleicher Schichtendicke anwendet, um so größer ist der Lichtverlust, um so größer die lichtabsorbierende Kraft der Flüssigkeit. Diese (a und a') ist somit der Konzentration direkt proportional. Sind c und c' zwei verschiedene Konzentrationen von Lösungen desselben farbigen Körpers, so ist c : c' = a : a' oder, da a : a' = h' : h, so ist c : c' = h' : h, d.h. die Konzentration ist umgekehrt proportional der Länge der von den Lichtstrahlen durchlaufenen Flüssigkeitsschicht. Kennt man nun die Konzentration der einen Flüssigkeit (c) und ermittelt man durch Einstellung auf gleiche Helligkeit die Schichtendicken h und h', so kann man die Konzentration der zu unterziehenden Flüssigkeit c' berechnen: c' = c h : h'.
Die kolorimetrische Untersuchung von Teerfarben führt oft zu Resultaten, welche von den durch vergleichende Ausfärbungen erhaltenen wesentlich abweichen, insofern zwei Farbstoffe in Lösung zuweilen den gleichen Farbenton und die gleiche Farbentiefe zeigen, dabei aber sehr verschiedene Farben auf der Faser liefern können. Gleichwohl ist sie geeignet zum Vergleich von nach Muster gelieferten Farbstoffen sowie zur quantitativen Bestimmung von Farbstoffen auf der Faser, wenn man die Farbstoffmenge bestimmen will, mit welcher eine Färbung hergestellt worden ist. Eine kolorimetrische Untersuchung ist schwierig auszuführen, wenn man in der Weise verfährt, daß man nacheinander die eine und dann die damit zu vergleichende Lösung betrachtet. Sie wird wesentlich dadurch erleichtert, daß man beide Lösungen gleichzeitig und unmittelbar nebeneinander, z.B. in dem Okular eines Fernrohrs, beobachtet. Eine derartige Versuchsanordnung ist in den Kolorimetern verwertet, Instrumenten, durch welche mittels geeigneter optischer Vorrichtungen die Strahlen, welche durch die zwei miteinander zu vergleichenden Lösungen gegangen sind, unmittelbar nebeneinander gelagert werden. Derartige Kolorimeter sind von Dubosq, Stammer und C.H. Wolff konstruiert worden.
Der Wolffsche Apparat gestattet die Ausführung kolorimetrischer Bestimmungen in besonders bequemer Weise. Er besitzt einen unten am Stativ befestigten Beleuchtungsspiegel C und oben ein reflektierendes Prismenpaar D, das die beiden Strahlenbündel im Gesichtsfelde einer Lupe E so vereinigt, daß die eine Hälfte des Gesichtsfeldes dem durch das eine Prisma, die andre Hälfte dem durch das andre Prisma gegangenen Licht entspricht. Zwischen die beiden Prismen D und den Spiegel C werden zwei je 100 ccm fassende und in Kubikzentimeter geteilte Zylinder A und B mit seitlichen Abflußhähnen eingeschaltet. Dieselben sind mittels einer Messingfassung unten durch planparallele Glasplatten verschlossen, welche vor Ausführung einer Versuchsreihe stets sorgfältig gesäubert werden müssen. Die Flüssigkeitshöhen in den Zylindern A und B werden durch Benutzung der seitlichen Abflußhähne so eingestellt, daß beiderseits im Gesichtsfelde gleiche Helligkeit herrscht. Hierbei bleibt zur Vereinfachung der Rechnung der Zylinder mit der verdünnteren Lösung bis zur Marke 100 gefüllt, während die Höhe der Flüssigkeit im andern Zylinder so weit verringert wird, bis beide Gesichtsfelder gleich hell sind. Durch öfters wiederholte kürzere Beobachtungen kommt man schneller und sicherer zum Ziel, als wenn man zur genauen Einstellung das Auge einigemal je eine oder mehrere Minuten lang anstrengt. Zwischen der Augenortsblende und der obersten Okularlinse kann noch ein Rauchglas eingeschoben werden, und es empfiehlt sich sehr, abwechselnde Beobachtung mit und ohne Rauchglas zu machen; das Auge nimmt bei Beobachtung mit Rauchglas oft noch kleine Unterschiede in den Farbentönen wahr, die[570] ihm bei stärkerer Helligkeit entgehen. Näheres über Kolorimetrie und Spektrokolorimetrie s. Krüß, G. und H., Kolorimetrie und Spektralanalyse, Hamburg und Leipzig 1891.
R. Möhlau.
Lueger-1904: Kolorimetrie [2]