Mörtelprüfung [2]

[530] Mörtelprüfung


Nomenklatur. Genützt auf die im Kgl. Materialprüfungsamt zu Berlin-Lichterfelde ausgeführten Untersuchungen ist durch Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 6. März 1909 Eisenportlandzement, bestehend aus mindestens 70% Portlandzement und höchstens 30% einer geeigneten gekörnten Hochofenschlacke, dem Portlandzement als gleichwertig erachtet. Im Dezember 1909 sind für Eisenportlandzement besondere Normen genehmigt, die sich von den Normen für Portlandzement nur durch die Begriffserklärung unterscheiden. Besonderes Augenmerk ist auf die Prüfung bei Lufterhärtung zulegen; genügt der Eisenportlandzement auch hierin den Normen, so ist seine Verwendung bei öffentlichen Bauten zulässig. Der zu seiner Erzeugung verwendete Portlandzement wird nach dem Verfahren von Stein aus granulierter basischer Gießereiroheisenschlacke und Kalkstein erbrannt und dann mit Zusatz von granulierter Hochofenschlacke vermählen. Das Granulieren zu Schlackensand erfolgt, indem man die glühende Schlacke in Wasser einlaufen läßt oder sie durch einen Dampf- oder Luftstrahl zerstäubt. Ebenso wird auch der erbrannte glühende Klinker durch Bespritzen mit Wasser energisch abgekühlt. Bei langsamem Erkalten zerfällt die Schlacke zu seinem Mehl, das zementtechnisch wertlos ist.

Die bekannte Erhöhung der Fertigkeit des Mörtels mit zunehmender Mahlungsfeinheit des Zementes gleichen Brandes wird durch Versuche bestätigt mit zwei Zementen und ihren seinen und groben Bestandteilen, die durch Absieben der Zemente auf dem 4900-Maschensieb erhalten werden. Gegenüber den Fertigkeiten der Zemente nach 7 und 28 Tagen lieferte das Feine im Mittel um 20 und 17% höhere Zug- und um 27 bezw. 13% höhere Druckfestigkeit, dagegen betrugen die entsprechenden Werte der groben Bestandteile nur 36 und 45 bezw. 13 und 24% von denen der unzerlegten Zemente [1].

Die Veränderung der Abbindezeit, das sogenannte Umschlagen des Zementes vom Langsambinder in einen Schnellbinder, führt Hentschel [2] auf die Gegenwart von Alkalikarbonaten zurück, die als positive Katalysatoren den Bindevorgang beschleunigen. Geringe, analytisch nicht mehr nachweisbare Mengen genügen hierzu, durch Zusatz von 0,01% Natriumkarbonat ging die Bindezeit von 61/2 Stunden auf 20 Minuten zurück. Gipszusatz vergrößerte die Abbindezeit wieder, und die Zemente blieben dann dauernd langsam bindend. Fein gemahlen neigt Zement mehr zum Umschlagen als grob gemahlen. Beschleunigt wird das Umschlagen,. wenn der Zement im heißen Zustande der Luft (Kohlensäure) ausgesetzt wird. Drehrohrofen-Zement wird seiner großen Härte wegen beim Mahlen ohne besondere Maßnahmen stark erhitzt und neigt daher besonders zum Schnellbinden. Vorschlag eines Verfahrens zum Prüfen auf Neigung zum Umschlagen. Roland [3] erblickt in dem Quellen des Zementes beim Abbinden einen Beweis dafür, daß die Erhärtung auf kolloid-chemischer Grundlage beruht. Kirsch untersuchte das wiederholte Abbinden von Zement, indem er die erhärteten Probekörper nach der Prüfung wieder bis auf die ursprüngliche Kornfeinheit vermählte und neu einformte. Die erzielten Druckfestigkeiten waren nach 7, 28 und 56 Tagen: ursprünglich = 540, 665 und 880; nach dem ersten Vermählen = 66, 150, 252; nach dem zweiten Vermählen = 40, 97, 106; nach dem dritten Vermählen = 0. Die Fähigkeit des wiederholten Abbindens führt Kirsch auf weitere Aufteilung der ursprünglichen Körner zurück, wodurch das Korninnere, vorher durch Hydrogel umgeben, erneut dem Wasserzutritt zugänglich wird [4]. Glasenapp meint, die von Kirsch beobachtete Erscheinung tritt nur bei kurzer Erhärtungsdauer auf, d.h. wenn die vorausgehende Erhärtung noch nicht abgeschlossen ist [5]. Kalklagern des Zementes verzögert das Abbinden (schon von +5°C. ab merklich), durch Warmlagern wird es beschleunigt [6].

Die Raumbeständigkeit. Treibende Zemente werden, wenn sie mit viel Wasser angemacht werden, bei der Prüfung nicht immer als verdächtig erkannt. Die Kaltwasserkuchenprobe ist bei sorgfältiger Ausführung auch für die Lufterhärtung hinreichend scharf und völlig genügend. Die beschleunigten Proben: Darrprobe, Kugelprobe nach Heintzel und Tetmajer, Kochprobe, Heißwasserprobe nach Maclay, Preßkuchenprobe nach Prüßing, gestatten nicht in allen Fällen ein zuverlässiges und schnelles Urteil [7] bis [9]. Hentschel empfiehlt, die Kochprobe nicht nach 24 Stunden Erhärtung auszuführen, sondern den Kuchen zur schnelleren Erhärtung 15 bis 20 Minuten lang auf eine stark saugende Gipsplatte zu legen, auf einer Eisenplatte[530] über freier Flamme zu erhitzen, bis keine Wasserdämpfe mehr aufsteigen, nach dem Erkalten 10 Minuten unter Wasser von Zimmerwärme und 3 Stunden an der Luft liegen zu lassen und dann erst zu kochen [10]. – Die Probe von Le Chatelier (s. Bd. 6, S. 460) ist 1909 seitens des Internationalen Verbandes für die Materialprüfung der Technik als beschleunigte Probe angenommen, sie erwies sich aber als unzuverlässig [9] und ist 1912 abgelehnt worden [11]. Kühl bezeichnet es als einen Vorzug der Kochprobe, daß sie nicht mit einer Wasserentziehung verbunden ist und den Erhärtungsvorgang daher wohl in etwas andre als die normalen Bahnen leitet, ihn aber nicht vorzeitig unterbricht [12].

Die Wasserdurchlässigkeit nimmt nach Versuchen von Wig und Bates [13] mit wachsendem Alter ab, ist bei erdfeucht angemachtem Mörtel oder Beton größer als bei weich angemachtem; die Durchflußmenge in der Zeiteinheit nimmt mit wachsender Versuchsdauer ab, ist von der Probendicke wenig oder gar nicht beeinflußt und bei Proben aus seinem Sand geringer als bei solchen aus grobkörnigem Sande. Die Wasseraufnahme ist bei weich angemachtem Mörtel um so geringer, je fetter der Mörtel, bei erdfeuchtem Mörtel vom Zementgehalt weniger abhängig, bei weichem geringer als bei erdfeucht angemachtem Mörtel, vom Alter um so weniger abhängig, je gröber der Sand ist und bei Schlackensand dessen Porosität wegen sehr groß. Zusatz von Kalkhydrat (10–15 Teile) verringert die Wasserdurchlässigkeit; von höherem Zusatz ist abzuraten [14]. Zusatz von Alaun und Seife beschleunigt den Abbindevorgang, vermindert die Festigkeit und erhöht die Wasserdichtigkeit [15], [16].

Festigkeit. Die neuen deutschen Normen vom Dezember 1909 [17] schreiben für die Druckproben aus langsam bindendem Zement die sogenannte »kombinierte« Erhärtung vor, bei der die Proben 1 Tag in feuchter Luft, 6 Tage unter Wasser und 21 Tage an der Luft erhärten sollen, während bei Zement für Wasserbauten die früher übliche Erhärtungsweise (1 Tag an der Luft und 27 Tage unter Wasser, »Wassererhärtung«) beibehalten ist. v. Bach [18] fand für drei Zemente bei der kombinierten Erhärtung um 36, 27 und 69%. im Mittel um 44% höhere Zugfestigkeit und um 20, 12 und 26%, im Mittel um 20% höhere Druckfestigkeit als bei der Wassererhärtung. Bei einer andern Untersuchung mit sechs Zementen betrugen die Unterschiede 36 und 16 bei Zug und Druck [19], [20]. Framm [21] fand, daß die höhere Druckfestigkeit bei der kombinierten Erhärtung mit höherem Alter der Proben sich verliert, Ausgleich etwa nach 6 Monaten eintrat und nach 2 Jahren die Wassererhärtung um 10 bis 20% höhere Druckfestigkeiten lieferte. Bei Zugversuchen trat der Ausgleich mit höherem Alter nicht deutlich zutage. Durch längeres Lagern des Mörtels vor der Probenfertigung leidet die Fertigkeit; Burchartz [22] fand, daß die Schädigung der Mörtelfestigkeit durch Lagern mit wachsendem Wassergehalt abnimmt, bei 7 Tagen Alter mehr hervortritt als nach 28 Tagen und bei der Lagerdauer am größten war, bei der der Zement abzubinden beginnt. Durch die Einwirkung von Dampfdruck auf den abgebundenen Mörtel wird die Erhärtung beschleunigt, die Fertigkeit gesteigert [23]. Mit wachsendem Sandzusatz nimmt die federnde Zusammendrückung beim Versuch zunächst ab, dann rasch zu; Mindestwerte für trockene Lagerung bei 2% Sand, für feuchte Lagerung bei 1,5%. Letztere liefert größere Formänderung als erstere. Bei fetter Mischung ist die gesamte bleibende und federnde Zusammendrückung der Last nahezu proportional, bei magerer wächst sie schneller als die Belastung [24]. Mit wachsender Belastungsgeschwindigkeit ergeben sich höhere Bruchfestigkeiten [25]. Van der Kloes fand bei einem doppelten Böhmeschen Hammerapparat (s. Bd. 6, S. 461, Fig. 7) verschiedene Mörtelfertigkeiten infolge Nachtkappen des Hammers. Der Mangel konnte nicht beseitigt werden [26]. Bei Verwendung des Steinbrückschen Mörtelmischers wurde der Sand verfeinert (bis zu 30% der Körner). Die Festigkeit der Mörtel aus dem Mischer war um 50% größer als bei Handmischung [27]. Preuß äußert sich über die beim Mischen des Mörtels nach Gewichtsteilen und nach Raumteilen sich ergebenden Unterschiede [28]. Die Bestimmung des Mischungsverhältnisses von abgebundenem Mörtel oder Beton ist nur möglich, wenn in dem Mörtel ein einheitliches Bindemittel, also nur Zement oder nur Kalk, enthalten ist, wenn der Zuschlagstoff keine in Säure löslichen Bestandteile (kohlensauren Kalk, lösliche Kieselsäure, Eisenoxyd, Tonerde u.s.w.) enthält und keinen zu hohen Gehalt an abschlämmbaren Stoffen aufweist [29], [30].


Literatur: [1] Einfluß der Feinheit auf die Fertigkeit des Zementes, Beton und Eisen 1911, S. 92. – [2] Hentschel, Das Umschlagen von Portlandzement, Tonindustrie-Ztg. 1912, Nr. 39. – [3] Roland, Die Quellung des Zementes und Betons, Zentralblatt d. Bauverw. 1912, Nr. 83. – [4] Mitteil. d. Zentralstelle zur Förderung der deutschen Portlandzementindustrie 1913, S. 524. – [5] Ebend. 1913, S. 550. – [6] Deutscher Ausschuß für Eisenbeton, Heft 13. – [7] Gary, Beschleunigte Prüfung der Raumbeständigkeit von Portlandzementen, Mitteil. a. d. Kgl. Materialprüfungsamt 1912, Heft 4. – [8] Deutsche Bauztg., Mitteil. 1912, Nr. 21. – [9] Mitteil. d. Intern. Verb. s.d. Materialprüfung d. Technik 1913, Nachtrag 1. – [10] Tonindustrie-Ztg. 1911, S. 1821. – [11] Armierter Beton 1913, S. 34. – [12] Tonindustrie-Ztg. 1911, Nr. 134 u. 146. – [13] Armierter Beton 1913, S. 348. – [14] Tonindustrie-Ztg. 1911, Nr. 140. – [15] Burchartz, Versuche über den Einfluß des Zusatzes von Alaun und Seife auf das Abbinden von Zement sowie auf die Erhärtungsfähigkeit und Wasserdichtigkeit von Zementmörtel, Mitteil. a. d. Kgl. Materialprüfungsamt 1911. – [16] Beton und Eisen 1911, S. 348. – [17] Mitteil. a. d. Kgl. Materialprüfungsamt 1910, S. 293. – [18] Forschungsarbeiten 1909, Heft 72–74. – [19] Deutscher Ausschuß für Eisenbeton, Heft 10. – [20] Tonindustrie-Ztg. 1912, S. 110. – [21] Mitteil. d. Zentralstelle zur Förderung der deutschen Portlandzementindustrie 1913, S. 351. – [22] Mitteil. a. d. Kgl. Materialprüfungsamt 1911, Heft 3. – [23] Armierter Beton 1913, S. 347. – [24] Ebend. 1911, S. 309. – [25] Mitteil. a. d. Kgl. Materialprüfungsamt 1912, Heft 4. – [26] Tonindustrie-Ztg. 1905, S. 1815. – [27] II Cemento 1911, Nr. 15. – [28] Armierter Beton 1912, S. 451. – [29] Mitteil. a. d. Kgl. Materialprüfungsamt 1912, Heft 3. – [30] Deutsche Bauztg., Mitteil. 1912, Nr. 23.

Rudeloff.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 530-532.
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