[312] Maschinenpflug, im engeren Sinne ein durch Maschinen anstatt der Zugtiere gezogener Pflug, im weiteren Sinne die bei der mechanischen Bodenkultur nötigen Maschinen und Arbeitsgeräte (Pflüge, Eggen, Kultivatoren u.s.w.).
Nach der Art des Antriebes unterscheidet man das direkte Maschinenpflugsystem, bei dem das Ackergerät unmittelbar an die über das Feld fahrende Maschine angehängt wird, und die indirekten Pflugsysteme, bei denen die Maschine oder die Maschinen während der Pflugarbeit stillstehen und das Ackergerät durch Seile und Winden über das Feld ziehen. Das direkte Maschinenpflugsystem hat in Deutschland keine große Bedeutung, weil die Dampf (Straßen-) lokomotive als Zugmaschine zu schwer ist und die leichteren Spiritus- u.s.w. Motoren gegenüber den durch Zugtiere gezogenen Pflügen zurzeit wesentliche Vorteile nicht bieten. Bei dem indirekten Maschinenpflugsystem unterscheiden wir a) das Einmaschinensystem und b) das Zweimaschinensystem. Bei beiden können wir je nach der Art der zur Verwendung kommenden Maschinen unterscheiden die Dampfpflüge, die elektrischen und die Spiritus- bezw. Petroleumpflüge. Am weitesten verbreitet sind die Dampfpflüge.
a) Dampfpflüge nach dem Einmaschinensystem. Eine einfache Lokomobile, die in größeren Wirtschaften ohnehin vorhanden Ist, hat sich für die Zwecke der mechanischen Bodenbearbeitung nicht bewährt, weil ihre zur Verfügung stehende Kraft zu gering ist. Aus diesem Grunde und wegen der Umständlichkeit der Seilführung ist heute das in Fig. 1 schematisch dargestellte Howardsche Rundumsystem wenig oder nicht mehr in Anwendung. Bei diesem System findet die Lokomobile a ihre Aufstellung an einer Langseite oder in einer Ecke des zu pflügenden Feldes. Von ihr aus wird die Bewegung auf die eine oder andre Rolle der Windetrommel b übertragen. Von dieser aus ist ein Drahtseil über die verankerten Rollen c und d nach dem Pflug und von diesem aus über e und f nach der andern Rolle geführt. Wird das Seil auf der Trommel b aufgewickelt, so wird der Pflug in der Richtung des Pfeils gezogen und umgekehrt. Es ist dann nötig, mit dem Fortschreiten der Arbeit die Anker d und e zu versetzen und schließlich die ganze Aufstellung neu zu wählen, wenn der Pflug in der Linie c f angelangt ist Unter der Bezeichnung Einmaschinensystem versteht man allgemein die in Fig. 2 dargestellte Anordnung, bei der das Ackergerät (der Kipppflug, s. unten) zwischen einer mit zwei Windetrommeln ausgerüsteten starken Dampf-(Straßen-)lokomotive und einem Ankerwagen hin und her gezogen wird. Dieser ist (Fig. 3) mit einer gekröpften Achse versehen, auf der zwei Fahrräder sitzen, an den Ecken des Rahmensbefinden sich diskusförmige Scheiben und auf dem Rahmen die Seilrolle und der Steinkasten zur Beschwerung des Ganzen. Bei der Arbeit werden die Räder durch Drehen der gekröpften Achse hochgestellt, die Scheiben[312] schneiden sich in den Boden ein, und das Drahtseil läuft um die Seilrolle. Bewegt sich nun der Pflug z.B. bis dicht an den Ankerwagen, so löst er sich durch eine einfache Vorrichtung von selbst aus, die Fahrräder stellen sich zum Transport ein, der Ankerwagen bewegt sich durch den Zug des gespannten Seils um die doppelte Arbeitsbreite des Pfluges, um sich dann von selbst wieder festzustellen. Dasselbe findet abwechslungsweise auf beiden Seiten statt; durch das vorn angebrachte Steuer wird der Gang geradeaus geregelt. Ein Nachteil des Ankerwagens besteht darin, daß es schwer ist, ihn so festzulegen, daß er bei größeren Widerständen hält. Man hat deshalb auch besondere Anker vorgeschlagen, die selbsttätig um so fester in den Boden eingedrückt werden, je größer der Seilzug wird.
Trotzdem das Einmaschinensystem in der Anschaffung erheblich billiger ist als ein Zweimaschinensystem gleicher Leistung, hat letzteres doch weit allgemeinere Verbreitung gefunden, hauptsächlich wegen der größeren Sicherheit des Betriebes und der Einfachheit der Aufstellung.
b) Dampfpflüge nach dem Zweimaschinensystem Bei diesen wird das Ackergerät zwischen zwei mit je einer Windetrommel ausgerüsteten Lokomotiven abwechselnd hin und her gezogen (Fig. 4). Die beiden Motoren nehmen an den Längsseiten des zu pflügenden Feldes einander gegenüber Aufstellung, sie ziehen durch abwechslungsweises Aufrollen des Drahtseils den Pflug gegen sich heran und werden bei jedem Umwenden des Pfluges um die doppelte Arbeitsbreite desselben vorwärts bewegt. Der Seilzug geht direkt auf das Arbeitsgerät; die Reibungsverluste über Eck- und Ankerwagenrollen fallen weg. Um die Einführung dieses Systems hat sich besonders die Firma John Fowler in Leeds (deutsche Filiale in Magdeburg), gestützt auf die Erfahrungen von Eyth, dem eigentlichen Begründer der modernen Dampfpflüge, große Verdienste erworben. Heute gibt es eine Reihe deutscher Fabrikanten, die mit den englischen erfolgreich die Konkurrenz aufgenommen haben, so Ventzki in Graudenz, Heucke in Hausneindorf, Kemna in Breslau und Rud. Sack in Leipzig-Plagwitz. Der Vorteil der Dampfpflüge gegenüber den Gespannpflügen ist besonders in der besseren Durcharbeitung des Bodens zu sehen. Infolge der großen Geschwindigkeit (die etwa 400 m lange Strecke wird durchschnittlich in 2 Minuten zurückgelegt) findet eine sehr gute Krümelung des aufgeworfenen Bodens statt. Ferner kann man den Boden auf erheblich größere Tiefen bearbeiten, was unter Umständen von großem Vorteil sein kann (s. Bodenphysik, Bd. 2, S. 115, und [10]), und man kann mit dem Stürzen der Stoppel im Herbst bereits beginnen, wenn die Gespanne noch zu den Erntearbeiten gebraucht werden. Die Kosten des Dampfpflügens mit dem Zweimaschinensystem berechnen sich etwa wie folgt, wobei die Löhne u.s.w. je nach der Gegend nicht unbedeutend von den untenstehenden Ansätzen abweichen:
Hiervon sind zu rechnen Zins 5%, Unterhaltung 2%, Amortisation höchstens 7%, im ganzen 14% = 7420 ℳ. Verteilen sich diese z.B. auf 100 Arbeitstage, so sind pro Tag zu rechnen für obige Porten 74 ℳ. 20 . Hierzu kommen die Betriebskosten pro Tag:
[313] Es würden sich demnach die Kosten eines Arbeitstages berechnen mit 138 ℳ. 60 . Nimmt man nun nachstehende Leistungen und Flächen an, so berechnen sich die Kosten der Bearbeitung pro Hektar:
Sehr wertvolle, ins einzelne gehende Anhaltspunkte gibt [2], Hiernach betrugen z. B, die Kosten der Dampfkultur auf den Gütern der Zuckerfabrik Dioszeg im Mittel von 9 Jahren:
Amtsrat Rimpau, Schlaustedt, erhielt im Mittel von 20 Jahren den Boden durch den Dampfpflug von Fowler auf 3540 cm um 39 ℳ. 36 . pro Hektar gepflügt, bei einer Tagesleistung von 7,5 ha; die Kosten waren um 11 ℳ. 04 . kleiner als beim vierspännigen Pflügen auf dieselbe Tiefe mit Ochsen [3]. Diese Resultate beziehen sich auf einen Fowlerschen Apparat älterer Konstruktion mit einfachem Zylinder; der neuere mit Compoundmaschinen liefert bei einem Viertel größerer Leistungsfähigkeit dieselbe Arbeit pro Hektar um 28 ℳ. 56 .
Im großen ganzen darf man rechnen, daß Dampfpflüge eine achtzehnjährige Dauer haben; das Drahtseil jedoch hält nur 23 Jahre aus. Es ist übrigens nicht richtig, bei der Kostenberechnung nur die Anschaffungs- und Betriebskosten zu berücksichtigen und mit denjenigen des Gespannpflügens zu vergleichen [10]. Nachgewiesenermaßen hat die Dampfbodenkultur, wo sie überhaupt am Platz war, nennenswerte Steigerungen der Ernteerträge zur Folge gehabt und den Boden in einen Kulturzustand gebracht, wie es durch Gespannpflüge nicht hätte erreicht werden können. Auch bei den elektrisch betriebenen Maschinenpflügen unterscheidet man das Einmaschinensystem mit dem Ankerwagen und das Zweimaschinensystem. Hier hat, im Gegensatz zu den Dampfpflügen, das Einmaschinensystem eine verhältnismäßig größere Verbreitung gefunden als das Zweimaschinensystem, da bei diesem die Zuleitung des Stromes zu den beiden durch das Feld getrennt voneinander aufgestellten Maschinen größere Schwierigkeiten bereitet als bei dem Einmaschinensystem. Die Verwendung der Elektrizität als Triebkraft ist beim Maschinenpflügen aber an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, die ihre allgemeinere Einführung vorläufig ausschließen. Die Kosten des elektrischen Pflügens gestatten nämlich nur dort einen noch rentabeln Betrieb, wo Elektrizität durch den direkten Anschluß an ein großes Netz, billige Wasserkraft u.s.w. sehr billig zur Verfügung steht. Diese Voraussetzungen treffen auf dem platten Lande aber verhältnismäßig selten zu. Auch in Fällen, wo auf Gütern elektrische Anlagen zur Beleuchtung und zum Betriebe von Dreschmaschinen, Schrotmühlen, der Molkerei u.s.w. angewendet werden, kann die Elektrizität mit Vorteil nicht auch zum Pflügen benutzt werden, weil dann die Anlage im Verhältnis zu den sonstigen Anforderungen zu groß und bei der verhältnismäßig kurzen Pflügzeit (etwa 100 Tage) im Jahr nicht ordentlich ausgenutzt werden könnte. Die z.B. von der Deutzer Gasmotorenfabrik in Cöln-Deutz zum Maschinenpflügen vorgeschlagenen Explosionsmotore (Spiritusmaschinen) haben schließlich gegenüber den Dampfpflügen den Nachteil, daß sie sich den wechselnden und eventuell unerwartet auftretenden hohen Kraftanforderungen nicht gut anpassen können.
Als Arbeitsgeräte werden zum Pflügen fast ausschließlich die sogenannten Kipppflüge verwendet, Ackergeräte, die an einem Drahtseil über das Feld hin und her gezogen werden. Auf einem Mittelgestell, dessen Räder der Furchentiefe entsprechend eingestellt werden können, ruht[314] kippbar ein Doppelrahmen (Fig. 5), dessen eine Hälfte rechts- und dessen andre Hälfte linkswendende Pflugkörper trägt Beim Hin- und Herziehen über das Feld arbeitet abwechselnd die eine und die andre Seite; zur Steuerung dienen die von den Sitzen aus zu bedienenden Handräder. Um das Ausheben der im Boden befindlichen Pflugseite beim Umkehren der Fahrtrichtung am Ende des Feldes zu erleichtern und dem Pfluge einen ruhigen Gang zu geben, verwendet man die sogenannte Antibalanceeinrichtung: der Pflugrahmen ist auf dem Mittelgestell pendelnd so aufgehängt, daß das letztere durch den Seilzug aus der Mittellage nach vorn hin vorgezogen wird, wodurch die arbeitende Seite ein Uebergewicht gegenüber der ausgehobenen Seite erhält (Fig. 6). Nach Aufhören des Seilzuges hat das Mittelgestell dann das Bestreben, in die Mittellage zurückzupendeln, so daß der Pflug beim Anziehen des andern Seiles selbsttätig gekippt wird. Von sonstigen Arbeitsgeräten kommen die Eggen, Walzen und Kultivatoren in Betracht. Die letzteren werden gewöhnlich als sogenannte Umwendekultivatoren ausgebildet, deren 513 Schare den Boden durchwühlen und sehr energisch lockern (Fig. 7). Auch verwendet man an Stelle der starren Grubberfüße neuerdings mit Vorteil die bewährten Federzähne. Wenn am Ende des Feldes der Seilzug in der umgekehrten Richtung wirkt, wird das vordere Steuerrad mit herumgenommen, und das Gerät wendet um eines der Hinterräder um.
Literatur: [1] Fritz, Handb. der landwirtschaftl. Maschinen, Berlin 1880. [2] Cserháti, Die Ergebnisse der Tiefkultur in Ungarn, Wien 1892. [3] Jahrbuch der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft 1892, S. 13. [4] Braungart, Die Ackerbaugeräte u.s.w., Heidelberg 1881. [5] Boysen und Wüst, Bericht über die Dampfpflugkonkurrenz in Banteln, Berlin 1882. [6] Fischer, Hugo, Die Konstruktion des Dampfpfluges, Sonderabdrücke aus dem Civilingenieur, Bd. 28 und 29, Leipzig 1882/83. [7] Pyro, J., Labourage à vapeur, Brüssel 1880. [8] Perels, Die Anwendung der Dampfkraft in der Landwirtschaft, Halle 1872. [9] Arbeiten der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, Heft 85, Untersuchung elektrischer Pfluganlagen von W. Schiller, Berlin 1903. [10] Wrobel, Landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, 1907.
Wrobel.
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