[521] Rauchschäden. Entstehung und Wirkung von Abgasen und Flugstaub auf Boden und Pflanzen.
Als Rauchschäden pflegen wir die Begnadigungen unserer Nutzpflanzen durch Rauch, d.h. durch die aus Feuerungsanlagen und gewerblichen Betrieben jeder Art entweichenden gasförmigen und festen Abgänge zu bezeichnen. Man unterscheidet dabei akute und chronische Schäden. Die ersteren können bei Pflanzen jeder Art auftreten; sie werden durch eine unmittelbare Wirkung meist konzentrierter Rauchgase verursacht und sind gewöhnlich durch starke Aetzwirkungen auf den Blättern gekennzeichnet. Die Einwirkungen können zu einer Abtötung des pflanzlichen Lebens führen, besonders wenn sie sich schnell wiederholen. Chronische Schäden treten da auf, wo mehr oder weniger verdünnte Rauchgase fortdauernd einwirken; man wird sie daher meistens bei Gewächsen von längerer Lebensdauer, kaum bei einjährigen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen beobachten, auch bei Nadelhölzern mehr als bei Laubhölzern. Diese chronischen Schädigungen haben eine Zuwachsverminderung zur Folge und können ebenfalls zum Tode der Pflanzen führen. Ihre Wirkung kann anfangs unbeobachtet bleiben, weil sie nicht immer sogleich durch äußere Merkmale kenntlich wird; daher bezeichnet man sie auch öfters als unsichtbare Schäden. Sie äußert sich aber schließlich in einer mehr oder weniger stark auftretenden fahlgrünen Verfärbung der Blätter und Nadeln, besonders an den Rändern, die nach und nach in rostgelb und rostbraun übergeht, ferner in Wipfeldürre und dünne Benadelung bei Nadelhölzern. Diese äußeren Merkmale sind oft recht verschiedenartig und unregelmäßig, sodaß sie nicht immer ein untrügliches Merkmal für Rauchbeschädigung bieten. Sie können auch durch Bodenverhältnisse (Ernährungsstörungen, Wasser), Frost, Pilzkrankheiten und anderes mehr hervorgerufen werden, worauf bei der Beurteilung von Rauchschäden besonders zu achten ist.
Die Ursache der Rauchbeschädigungen ist meistens in den gasförmigen sauren Bestandteilen des Rauches zu suchen, weniger in den als dem Auge sichtbar am meisten hervortretenden festen Ruß- oder Flugstaubteilchen. Dabei ist es vor allem die schweflige Säure, die als Bestandteile der Rauchgase schädlich wirkt, besonders in weiterer Entfernung von der Rauchquelle, während die bald nach dem Austritt in die Luft niedergehenden hygrophilen Körper, wie Schwefelsäure, Fluorwasserstoff, Fluorsilicium, Salzsäure, Chlor, hauptsächlich in der Nahe der Rauchquelle ihre schädliche Wirkung ausüben. Luftfeuchtigkeit, Windstärke und Windrichtung, Geländegestaltung und sonstige örtlichen Verhältnisse sind aber hier von so bestimmendem Einfluß, daß allgemeine Regeln sich für die Ausdehnung der Schädlichkeitsgrenzen im einzelnen nicht aufstellen lassen.
Schweflige Säure entsteht überall da, wo schwefelhaltige Stoffe erhitzt werden, also in erster Linie auch bei der Verbrennung von Steinkohlen, die stets mehr oder weniger Schwefel enthalten, der bei der Verbrennung als schweflige Säure entweicht, ferner beim Rösten von Schwefelerzen, wie Pyrit, Zinkblende, Kupferkies, Bleiglanz u.s.w., also in Schwefelsäurefabriken, Zinkhütten, chemischen Fabriken, Superphosphatfabriken, Sodafabriken, Metallgießereien, Glashütten, Gipsbrennereien, auf brennenden Schlackenhalden, in Ziegeleien, Kokereien u.s.f. An allen diesen Stellen kann bei Gegenwart von Wasser oder Wasserdampf auch die Bildung von Schwefelsäure vor sich gehen. Chlor und Salzsäure haben wir in den Abgasen von chemischen Fabriken, bei der Herstellung von Glaubersalz, Chlorkalkfabrikation, Reinigung von Platinerzen, Verhüttung von Nickel- und Kobalterzen, in den Abgasen von Glashütten, Düngerfabriken, Tonwarenfabriken, Ziegeleien. Fluorhaltige Rauchgase entweichen aus Superphosphatfabriken, Glashütten, Ziegeleien, Tonwarenfabriken, überhaupt aus allen Betrieben,- in denen fluorhaltiges Rohmaterial verarbeitet wird. Essigsäure dämpfe können bei der Bleiweißfabrikation entweichen. Stickstoffsäuren sind da zu fürchten, wo Salpetersäure zur Oxydation oder zum Nitrieren verwendet wird; sie sind beobachtet worden in Rauchgasen von chemischen Fabriken, Schwefelsäurefabriken, Metallbeizereien u.s.f. Ammoniakgas kann in den Abgasen von Leuchtgasfabriken, Sodafabriken vorkommen. Schwefelwasserstoff ist bei der Verarbeitung von Sodarückständen, bei Leuchtgasfabriken, Kokereien, Teerschwelereien beobachtet worden. Teerdämpfe treten in der Nähe von Kokereien, Holzimprägnieranstalten, Kohlenstiftefabriken auf. Der schädliche Bestandteil der Teerdämpfe soll nach Ewert das Anthracen sein und nicht in den leichtflüchtigen und niedrigsiedenden Verbindungen gesucht werden müssen.[521] Die Einwirkung der Teerdämpfe auf die Pflanzen äußert sich etwas anders, wie oben für die sauren Rauchgase angegeben wurde; sie ist äußerlich durch einen eigentümlichen Glanz auf der Lichtseite der Blätter, der auch als Lackglanz bezeichnet werden kann, kenntlich. Diese Erscheinung ist aber nur sekundär; wesentlich für die Erkrankung ist nach Ewert die Schädigung der dem Lichte zugekehrten Oberseite der Blätter und anderer zarter Pflanzenteile. Der Glanz zeigt sich besonders auf jüngeren, weniger auf älteren Blättern. Daneben treten noch Blattrollungen, zuweilen auch Blattkräuselungen auf und besonders an älteren Blättern Verfärbungen, wie sie nach der Einwirkung saurer Rauchgase beobachtet werden.
Die Widerstandsfähigkeit der Pflanzenarten gegen die Rauchgase ist sehr verschieden, selbst Individuen derselben Pflanzenart verhalten sich verschieden und spielt dabei die Entwicklung der Pflanzen eine große Rolle; stark wachsende Pflanzen werden mehr geschädigt. Man hat für die Einwirkung der sauren Rauchgase die Pflanzen nach ihrer Widerstandskraft gegen die sauren Rauchgase geordnet; diese Resistenzreihe hat aber nur einen sehr bedingten Wert und setzt uns nicht darüber hinweg, in jedem einzelnen Falle unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse (Boden, Höhenlage, Niederschläge u.s.w.) hierüber erneut Prüfungen vorzunehmen. Die schädliche Einwirkung der Rauchgase auf die Pflanzen tritt nur da ein, wo diese Gase die Blattorgane der Pflanzen treffen. Mit der Schädigung der Pflanzen durch die sauren Gase ist stets eine Erhöhung des Gehaltes der Pflanzen an dem betreffenden Bestandteil verbunden, z.B. bei der Einwirkung von schwefliger Säure eine solche an Schwefelsäure, und spielen bei dieser Aufnahme die Spaltöffnungen eine besondere Rolle. Von großer Bedeutung für die Schädigung der Pflanzen durch Rauchgase ist auch die Belichtung der Pflanzen bei der Einwirkung; die Schädigung ist unter dem Einflusse des Lichtes besonders stark. Wislicenus hat gefunden, daß bei heller, unmittelbarer Sonnenbestrahlung schweflige Säure die Pflanzen in kurzer Zeit bis zur völligen Abtötung schädigen kann; 1/100000 schwefliger Säure tötet bei hellem Licht fast alle Pflanzen in wenigen Minuten, 1/25000 dieser Säure selbst bei diffuser, mäßiger Beleuchtung jede Pflanze. Im Sommer sind die Schädigungen stärker als im Winter.
Selbst bei starker und wiederholter Einwirkung der sauren Rauchgase auf den Boden, sei es unmittelbar oder durch Vermittlung der atmosphärischen Niederschläge, findet im allgemeinen nicht eine solche Veränderung in der Zusammensetzung und Beschaffenheit des Bodens statt, daß dadurch das Pflanzenwachstum nachteilig beeinflußt wird, es sei denn, daß durch die sauren Rauchgase unlösliche und daher unschädliche Bodenbestandteile gelöst und so in eine schädigend wirkende Form übergeführt werden, wie ich es für Kupferverbindungen durch die Einwirkung von schwefliger Säure nachgewiesen habe. A. Wieler glaubt dagegen durch seine Versuche den Nachweis geführt zu haben, daß durch die Einwirkung saurer Rauchgase in dem Boden schließlich eine Anreicherung mit freier Humussäure eintritt, die »auch seine biologischen, also die mikroskopische Bodenflora und die Bodenfauna« ändert. Wenn die Einwirkung diesen Grad erreicht, wird man wohl mit einer nachteiligen Beeinflussung des Wachstums rechnen müssen; es wird aber nur in besonderen Ausnahmefällen dahin kommen. In der Regel sind in dem Boden genügende Mengen umsetzungsfähiger Basen vorhanden, um den Eintritt einer sauren Beschaffenheit des Bodens durch die Einwirkung saurer Rauchgase zu verhindern. Deshalb ist auch die Gefahr, daß die Säuren auf die Wurzeln der Pflanzen nachteilig wirken und dadurch das Pflanzenwachstum geschädigt wird, nicht groß. In der Regel wird es sich bei der nachteiligen Wirkung der Rauchgase auf die Pflanzen um eine Einwirkung auf die oberirdischen Blattorgane der Pflanzen handeln.
Die Aufnahme der Rauchgasbestandteile durch die Pflanzen ermöglicht uns den Nachweis der Einwirkung der Rauchgase, indem wir aus einer Zunahme des betreffenden Bestandteiles in den von dem Rauch getroffenen Pflanzen gegenüber den vom Rauch unbeeinflußt gewachsenen Pflanzen auf diese Beeinflussung des Wachstums der Pflanzen durch Rauchgase schließen können. Wesentlich ist, daß diese letzteren, nicht vom Rauch beeinflußten Pflanzenproben richtig entnommen werden. Dazu ist nötig, daß die Standortsverhältnisse genau berücksichtigt werden und auch die Bodenbeschaffenheit beachtet wird, damit sichergestellt ist, daß nicht etwaige Veränderungen in der Zusammensetzung der Pflanzen auf Verschiedenheiten in der Bodenzusammensetzung zurückzuführen sind. Außer diesen Pflanzenuntersuchungen spielen heute auch Luftuntersuchungen bei dem Nachweis von Rauchgaswirkungen eine besondere Rolle und haben dafür sicherlich auch Bedeutung und Wert. Hierbei sei besonders auf den Rauchluftanalysator von Gerlach hingewiesen. Die mikroskopische Blattuntersuchung zum Nachweis der Einwirkung saurer Rauchgase hat bisher versagt und scheint auch weiterhin wenig Erfolg zu versprechen. Ob sie bei dem Nachweis teerhaltiger Rauchgase zu besseren Ergebnissen führt, müssen weitere Erfahrungen lehren.
Die Einwirkung der festen Rauchbestandteile, der Ruß- und Flugstaubteilchen, auf Boden und Pflanzen ist vielfach unrichtig ein- und die nachteilige Beeinflussung des Pflanzenwachstums überschätzt worden. Als pflanzenschädlich sind nur die Flugstaubbestandteile anzusprechen, die wasserlöslich sind. Daraus folgt, daß die Zusammensetzung und damit auch die Art und Herkunft des Flugstaubes einen Schluß auf die schädliche Beschaffenheit des Flugstaubes zulassen. Die Zusammensetzung des Flugstaubes ist je nach dem verwendeten Brennmaterial oder je nach der Art des Betriebes, aus dem der Flugstaub stammt, verschieden. Aus den Brennmaterialien kommen als feste Flugstaubbestandteile feinverteilter Kohlenstaub (Ruß), der sich bei unvollkommener Verbrennung abscheidet und Ascheteilchen, zu denen noch Erzteilchen, welche von den Verbrennungsgasen mechanisch mit fortgeführt werden, oder andere aus den Betrieben in Gas- oder Dampfform entweichende Stoffe treten, die sich bei der Kondensation niederschlagen. Versuche, die ich mit Flugstaub verschiedenster Art ausgeführt habe, zeigten die wechselnde Zusammensetzung des Flugstaubes selbst bei gleichartigem Brennmaterial und gleicher Betriebsart, so daß in jedem Falle die Feststellung der Zusammensetzung des [522] Flugstaubes notwendig ist. Zu den schädigend wirkenden Bestandteilen sind in erster Linie Chloride (Chlornatrium), Sulfide (Natrium- und Calciumsulfid) und vielleicht auch Sulfate (Natriumsulfat) zu rechnen. Bei der schädigenden Wirkung ist zu unterscheiden, ob der Flugstaub zunächst in den Boden gelangt und so nur mittelbar durch seine Zersetzungsstoffe den Pflanzen gefährlich wird oder ob die Pflanzen unmittelbar damit bestaubt werden. Im ersteren Falle hat sich besonders Natriumsulfid als schädlich für das Pflanzenwachstum gezeigt, weniger, aber immerhin auch deutlich erkennbar Calciumsulfid. Diese nachteilige Wirkung der Sulfide wird um so größer sein, je ungünstiger die Bodenbeschaffenheit ist bezw. je mehr hierdurch die Bildung von Schwefelwasserstoff aus den Sulfiden gefördert wird; die große Schädlichkeit des Schwefelstoffs für das Pflanzenwachstum ist Zweifellos. Auch Natriumsulfat ist bei größeren Mengen im Boden den Pflanzen nicht immer zuträglich. Durch die Bestäubung der Pflanzen mit Flugstaub wird die Blattsubstanz je nach der Art, d.h. nach der Löslichkeit der Flugstaubbestandteile mehr oder weniger zerstört. Die mikroskopische Untersuchung der Blätter läßt die zerstörende Einwirkung der Flugstaubbestandteile zwar erkennen, gibt uns aber keine typischen anatomischen Merkmale, die zur Feststellung der Schädigung durch eine bestimmte Flugstaubart dienen können. In erster Linie gibt auch hier die chemische Untersuchung erkrankter Pflanzen Anhaltspunkte für die Art der schädigenden Einwirkung.
Ich bemerke ausdrücklich, daß es sich hier nur um die Einwirkung des Flugstaubes auf das Gedeihen und die Zusammensetzung der Pflanzen handelt, daß dagegen die Beeinträchtigung der Brauchbarkeit der vom Flugstaub befallenen Pflanzen für besondere Nutzungszwecke, z.B. für die Verfütterung, außer Frage bleibt: in letzterer Hinsicht wird die Art des Flugstaubes und die Stärke des Befalles der Pflanzen durch denselben von entscheidender Bedeutung sein; es ist sehr wohl denkbar, daß hier ein geringer Befall, der das Pflanzenwachstum nicht oder nur in so unerheblichem Maße beeinflußt, daß der Nachweis schwierig ist, doch schon als nachteilig anzusehen ist.
Literatur: E. Haselhoff und Lindau, Die Beschädigung der Vegetation durch Rauch, Berlin 1902. H. Laymann, Die Verunreinigung der Luft durch gewerbliche Betriebe, Jena 1903. A. Wieler, Untersuchungen über die Einwirkung schwefliger Säure auf die Pflanzen, Berlin 1905. H. Wislicenus, Sammlung von Abhandlungen über Abgase und Rauchschäden, Berlin 1908 1916; ferner Landwirtsch. Jahrbücher, Berlin. Landwirtsch. Versuchsstationen, ebend. Jahresberichte der Vereinigung für angewandte Botanik, ebend.
E. Haselhoff.
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