Rosenöl

[508] Rosenöl stammt zum großen Teil aus Bulgarien und wird aus den Blüten einer Form der Rosa centifolia (»Rose von Kasanlik«) durch Destillation mit Wasser gewonnen. Die geringen Mengen Rosenöl, welche in Persien, Indien und Südfrankreich gewonnen werden, kommen für den Weltmarkt nicht in Betracht. In Tunis, wo man aus der dort besonders stark duftenden Rosa canina Rosenwasser und sehr schönes Rosenöl gewann, hat man die Rosen Destillation ganz eingeteilt. Schimmel & Co. haben jetzt große Rosenpflanzungen in der Nähe von Miltitz bei Leipzig und gewinnen ein Rosenöl, das dem bulgarischen im Geruch bei weitem überlegen ist.

Der in Bulgarien gebräuchliche Destillierapparat ist sehr einfach. Auf einem aus Steinen gemauerten Herde, der mit Holz geheizt wird, steht eine kupferne Blase (Lambic) von 1101 [508] Inhalt. Sie ist 1,1 m hoch, läuft nach oben konisch zu und ist mit Handhaben versehen, an denen sie vom Herde gehoben werden kann. Ihr Durchmesser beträgt in der Mitte 0,8 m, am Hälse 0,25 m. Der Helm, der 0,3 m hoch ist und die Form eines Pilzes hat, paßt genau in den Hals der Blase. Die Fugen werden mit Lehm und Zeugstreifen verdichtet. Am Helm befindet sich ein rohrförmiger Fortsatz, der in einem Winkel von 45° gegen den Erdboden geneigt und mit dem eigentlichen Kühlrohr verbunden ist. Dieses ist ganz gerade, daumendick, 0,25 m lang und geht durch ein mit Wasser gefülltes Faß. Das Kühlwasser wird durch eine hölzerne Rinne zugeleitet. Von diesen Blasen sind gewöhnlich eine große Anzahl unter einem Schuppen zusammen aufgestellt. In jeden dieser Apparate füllt man 10 kg frisch gepflückte Rosen und 75 l Wasser und destilliert, bis zwei Flaschen Wasser von 5 l Inhalt übergegangen sind. Das in der Blase zurückgebliebene Wasser wird zur nächsten Destillation verwendet, ein Verfahren, das wegen der großen Menge der sich mit der Zeit ansammelnden Salze und Extraktivstoffe unrationell ist. Ist genügend destilliertes Rosenwasser vorhanden, so werden 40 l davon in eine Blase gefüllt, von denen die bei der nunmehrigen Destillation zuerst übergehenden 5 l aufgefangen werden. Dieses zweite Destillat ist eine anfangs weiße, trübe Flüssigkeit, die sich beim Abkühlen klärt, indem sich die öligen Bestandteile an der Oberfläche ansammeln. Zum Abheben des oben schwimmenden Oels bedienen sich die Bulgaren eines kleinen trichterförmigen Instruments aus Zinn, das einen langen Stiel und unten eine sehr seine Oeffnung hat, durch die wohl das Wasser, nicht aber das halb erstarrte Oel durchläuft. Auf diese Weise werden Oel und Wasser getrennt. Aus 3000 kg Blüten sollen in Bulgarien 1 kg Oel gewonnen werden, was sehr unwahrscheinlich ist; nach Schimmel & Co. gehören 5000–6000 kg Blüten zu 1 kg Oel. Das gewonnene Oel (bulgarisch Güljag) kommt in etwa 3 kg Oel enthaltenden Flaschen aus verzinntem Kupferblech (Estagnons) verpackt als bulgarisches Rosenöl in den Handel. Die Bezeichnung »türkisch« ist nicht mehr richtig, da in der Türkei kein Rosenöl gewonnen wird. – Das bulgarische Oel ist hellgelb, manchmal mit einem Stich ins Grüne. Bei 21–25° C. von der Konsistenz des fetten Mandelöls hat es einen starken, betäubenden Geruch nach frischen Rosen und einen etwas scharfen, balsamischen Geschmack. Bei ca. 18–21° C. scheiden sich aus dem Oele spießige oder lamellenförmige, glänzende, irisierende Kristalle ab, die sich im oberen Teile des Oels ansammeln. Bei stärkerer Abkühlung erstarrt das Oel zu einer durchscheinenden, weichen Masse, die schon durch die Wärme der Hand wieder verflüchtigt werden kann. Das spez. Gew. beträgt 0,855–0,870 bei 20° C, der Drehungswinkel = –4°, die Verseifungszahl 10–17, der Stearoptengehalt 10–15%. Wegen seines Gehaltes an schwerlöslichen Paraffinen gibt Rosenöl selbst mit sehr großen Mengen 90 prozentigen Alkohols nur trübe Mischungen, aus denen sich das Stearopten allmählich ausscheidet. Der flüssige Anteil, das Elaeopten, löst sich in 70 prozentigem Alkohol klar auf. Rosenöl reagiert schwach sauer, die Säurezahl beträgt 0,5–3. – Das Rosenöl von Schimmel & Co. ist wegen seines größeren Reichtums an Stearopten bei gewöhnlicher Temperatur eine grünliche, von Kristallen durchsetzte weiche Masse. Der Geruch ist viel stärker als beim bulgarischen Oel, das spez. Gew. 0,845–0,855 bei 30° C, der Drehungswinkel = +1° bis –1°, der Stearoptengehalt 26–34%. – Der Hauptbestandteil des Rosenöls ist Geraniol C10H18O. auch enthält es Citronellol C10H20O. Das Stearopten besteht aus Kohlenwasserstoffen der Paraffinreihe CnH2n. Da weder Geraniol noch Citronellol noch deren Ester allein oder zusammen den charakteristischen honigartigen Geruch des Rosenöls besitzen, so muß man annehmen, daß noch andre bis jetzt nicht ermittelte Körper im Verein mit den bekannten das Rosenaroma hervorbringen. – Rosenöl wird sehr viel und sehr stark verfälscht; es sollen sogar Oele vorkommen, die keine 10% echtes Rosenöl enthalten. Das Hauptverfälschungsmittel ist Palmarosaöl, das von den Bulgaren durch Behandeln mit Zitronensaft und Bleichen an der Sonne besonders dazu präpariert wird, eine Verfälschung, die, wenn sie sich in gewissen Grenzen hält, zu erkennen alle Untersuchungsmethoden versagen. Man beurteilt im übrigen die Echtheit des Rosenöls gewöhnlich nach seinem Geruch, seiner Gefrierfähigkeit und der Art seiner Kristallisation. Die Beurteilung nach dem Geruch ist die zuverlässigste, erfordert aber viel Uebung und vor allem zuverlässig reine Standardmuster zur Vergleichung. Die Gefrierfähigkeit des Rosenöls unter gewissen Temperaturen ist auch ein Erfordernis des echten Rosenöls; doch ist diese Eigenschaft sehr schwankend, so daß sich eine feste Norm, bei welcher Temperatur reines Rosenöl erstarren soll, nicht aufstellen läßt. Die Güte des Rosenöls steigt keineswegs mit seiner größeren Gefrierfähigkeit, da nur der flüssige, sauerstoffhaltige Teil des Rosenöls Geruch hat. Zur Feststellung grober Verfälschungen sind das spezifische Gewicht, das Drehungsvermögen, der Erstarrungspunkt, der Stearoptengehalt, die Verseifungszahl und eventuell auch der Gehalt an alkoholischen Bestandteilen zu bestimmen.


Literatur: Gildemeister und Hoffmann, Die ätherischen Oele, Berlin 1899.

Deite.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 508-509.
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