[557] Salizylsäure, o-Oxybenzoesäure, Syn.: Acidum salicylicum, Acidum spiricum,
eine durch ihre stark antiseptischen Eigenschaften und als Konservierungsmittel bekannte organische Säure, die aus heißem Wasser in langen, säuerlichsüß schmeckenden Nadeln kristallisiert und bei 156,5157° schmilzt.
Natürlich findet sie sich sowohl in freiem Zustande in Spiräaarten als auch namentlich als Methylester im Wintergreenöl, dem ätherischen Oel von Gaultheria procumbens. Die Salizylsäure[557] ist eine einbasische Säure; durch Alkalikarbonate wird nur der Wasserstoff der Karboxylgruppe ersetzt, durch Aetzalkalien auch der der Hydroxylgruppe unter Bildung von basischen Salzen, aus welchen durch Kohlendioxyd wieder die neutralen Salze entstehen. Die wässerige Lösung der Säure und der löslichen Salze wird durch Eisenchlorid violett gefärbt. Die übrigen Reaktionen der Säure interessieren hier weiter nicht. Von ihren zahlreichen Darstellungsmethoden seien nur die beiden technisch wichtigen Verfahren von Kolbe und von R. Schmitt kurz angeführt. Nach Kolbes Vorschrift wird Phenol mit der zur Bildung von Phenolnatrium erforderlichen Menge Natronlauge in einer eisernen Retorte im Oel- oder Luftbade zur Trockene verdampft und der Rückstand durch vorsichtiges Erhitzen auf 180° völlig entwässert. Dann wird, während die Temperatur langsam auf 220250° steigt, Kohlendioxyd eingeleitet. Hierbei bildet sich aus 2 Molekülen Phenolnatrium 1 Molekül basisch-salizylsaures Natrium, während 1 Molekül regeneriertes Phenol überdestilliert gemäß folgender Gleichung:
Das entstandene salizylsaure Natrium wird in Wasser gelöst, die Salizylsäure aus der Lösung mittels Salzsäure gefällt, ausgewaschen und weiter gereinigt. Nach dem Verfahren von Schmitt wird das Natriumphenolat durch Einpressen von Kohlendioxyd unter Druck in Autoklaven zunächst in phenolkohlensaures Natrium C6H5 · O · CO2 Na umgewandelt. Dieses lagert sich dann beim Erhitzen auf 120130° unter Druck in salizylsaures Natrium um:
Die zweite Methode hat demnach vor der ersten den Vorzug, daß sie eine völlige Umwandlung des angewandten Phenols in Salizylsäure erzielt. Unter den geschilderten Bedingungen entsteht nur Salizylsäure, und es wird keine der isomeren Oxybenzoesäuren gebildet. Im Gegenteil lagert sich p-oxybenzoesaures Natrium beim Erhitzen auf 280° in basisch-salizylsaures Natrium um, indem Phenol und Kohlendioxyd dabei entstehen; ebenso gibt salizylsaures Natrium beim Erhitzen auf 220° das basische Salz unter Bildung von Phenol und Kohlendioxyd. Es findet also die Gleichung statt:
so daß oberhalb 200° nur das basisch-salizylsaure Salz beständig ist. Das Kaliumsalz verhält sich genau umgekehrt: aus- Phenolkalium und Kohlendioxyd entsteht beim Erhitzen auf 150° basisch salizylsaures Kalium, neben basischem p-oxybenzoesauerm Kalium, dessen Menge mit steigender Temperatur wächst, so daß bei 220° nur ausschließlich dieses Salz entsteht. Ebenso geht salizylsaures Kalium beim Erhitzen auf 220° in basisch-p-oxybenzoesaures Kalium über. Diese Verhältnisse erfordern bei der Darstellung der Salizylsäure weitgehende Berücksichtigung, und es muß daher auf Innehaltung der richtigen Temperatur großes Gewicht gelegt werden. Von den Abkömmlingen der Salizylsäure ist hier nur noch der Phenylester, das Salol (s.d.), zu erwähnen. Bei vorsichtigem Erhitzen sublimiert Salizylsäure. Mit Wasserdämpfen ist sie flüchtig. In Alkohol (1 : 2), Aether (1 : 2), in Chloroform, Schwefelkohlenstoff und Aceton, auch in, Glyzerin und Fetten sowie ätherischen Oelen ist sie leicht löslich. Außer zur Konservierung findet die Salizylsäure zu arzneilichen Zwecken sowie zur Herstellung von Verbandmaterialien Verwendung.
Literatur: Fischer, F., Handbuch der ehem. Technologie, Leipzig 1893, S. 730; Beilstein, Handbuch der organ. Chemie, 3. Aufl., Hamburg 1896, Bd. 2, S. 1488 ff.; Schmidt, Pharm. Chemie, Braunschweig 1901.
Bujard.