Siedetemperaturen

[106] Siedetemperaturen, korrespondierende. Dühring veröffentlichte 1878 als Gesetz der korrespondierenden Siedetemperaturen: »Von den Siedepunkten beliebiger Substanzen, wie sie für irgend einen für alle gemeinsamen Druck als Ausgangspunkt gegeben sein mögen, sind bis zu den Siedepunkten für irgend einen andern gemeinsamen Druck die Temperaturabstände sich gleichbleibende Vielfache voneinander« [3], S. 73. Bezeichnen also für die Substanzen A und B s1, t1 die Siedetemperaturen (s. Sieden) beim Drucke p1 und s, t diejenigen beim Drucke p, so soll sein:

(tt1)/(ss1) = n, t = t1 + n(ss1), d t /d s = n,

1.


worin der spezifische Faktor n konstant. Vgl. Zustände, übereinstimmende.

Durch vorstehende Beziehung wurden ältere Regeln insofern verallgemeinert, als Dalton n = 1 annahm [1], S. 13, und Groshans dem spezifischen Faktor in 1. den speziellen Wert beilegte [2], S. 113:

n = (a + t1)/(a + s1) = T1/S1,

worin l/a der Ausdehnungskoeffizient der Gase (Bd. 1, S. 397; Bd. 2, S. 243; Bd. 4, S. 312), wie dies mitunter zulässig m [2], [7], [13]. Dühring fand auf Grund von Versuchsresultaten für über 40 untersuchte Substanzen bezogen auf A = Wasser die Werte von n zwischen 0,522 und 2,292, [3], S. 82, beispielsweise:


Siedetemperaturen

Hiernach wäre zufolge 1. für Quecksilber allgemein:

t = 357,25 + 2 (s – 100),

man könnte nach einer Tabelle der Siedepunkte s des Wassers (z.B. nach Bd. 2, S. 540) sofort eine entsprechende Tabelle für Quecksilber oder eine andre Substanz von bekanntem n und t1 bei beliebigem p1 herstellen. Analoges gilt bezüglich der wichtigen Größen d p/d t und d p/p d t (vgl. Bd. 2, S. 542), da nach 1.:


Siedetemperaturen

Es ist jedoch noch nicht allgemein festgestellt, für welche Stoffarten und innerhalb welcher Grenzen die Beziehung 1. mit genügender Genauigkeit gilt (vgl. z.B. [5], [9]–[11], [12], S. 754, [14], S. 938). Immerhin wird sie in manchen Fällen für technische Zwecke brauchbare Näherungswerte oder Schätzungswerte liefern.

Ramsay und Young haben eine etwas andre Regel als Dühring gegeben [6], XX, S. 33. Wenn den Substanzen A, B beim Drucke p1 die absoluten Siedetemperaturen S1, T1 beim Drucke p die absoluten Siedetemperaturen S, T entsprechen, so soll gelten:


Siedetemperaturen

worin m eine im allgemeinen sehr kleine Konstante (z.B. für Alkohol in bezug auf Wasser m = 0,0009). Für m = 0 folgt:


Siedetemperaturen

das ist die Beziehung von Groshans (s. oben). Auch das Gültigkeitsgebiet von 3. ist noch nicht genügend abgegrenzt (vgl. z.B. [6], [9], [10], [12], S. 756, [14], S. 948).

Anstatt der Ausdrücke 1., 3. kann man auch setzen:

nach Dühring


Siedetemperaturen

nach Ramsay und Young


Siedetemperaturen

worin c, C Konstante.


Literatur: [1] Dalton, Versuche über die Expansivkraft der Dämpfe von Wasser und andern Flüssigkeiten, sowohl im luftleeren Raum als in der Luft, Gilberts Annalen 1803, XV, S. 1. (nach Mem. of the lit. and phil. Soc. of Manchester 1801, V, S. 550). – [2] Groshans, Bemerkungen über die entsprechenden Temperaturen, die Sied- und Gefrierpunkte der Körper, Poggend. Ann. 1849, LXXVIII, S. 112. – [3] Dühring, Neue Grundgesetze zur rationellen Physik und Chemie, I, Leipzig 1878, S. 70; II, Leipzig 1885, S. 24, 107, 111. – [4] Mondésir, Comparaison entre les courbes des tensions des vapeurs saturées, Compt. rend. etc. 1880, XC, S. 360, 528 (vgl. 1881, XCI, S. 980, und Wiedemanns Annalen 1880, XI, S. 163). – [5] Rellstab, Gesetz der Dampfspannung verschiedener Flüssigkeiten, Wochenschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1882, S. 4. – [6] Ramsay und Young, Some thermodynamical relations, Philosophical Magazine etc. 1885, XX, S. 515; 1886, XXI, S. 33, 135; 1886, XXII, S. 32. – [7] Clausius, Die mechanische Wärmetheorie, I, Braunschweig 1887, S. 386; (s.a. Poggend. Ann. 1851, LXXXII, S. 274). – [8] Colot, Sur les tensions des vapeurs saturées des différents liquides à la même pression, Compt. rend. 1892, CXIV,[106] S. 653 (vgl. 1893, CXVII, S. 715, und 1894, CXVIII, S. 58). – [9] Young, On the boiling points of different liquids at equal pressures, Philosophical Magazine 1892, XXXIV, S. 510. – [10] Dühring, Verteidigung der ursprünglichen Fassung des Gesetzes der korrespondierenden Siedetemperaturen gegenüber Hrn. Young, Wiedemanns Annalen 1894, LII, S. 556. – [11] Kahlbaum und Wirkner, Zur Prüfung von Hrn. Dührings Gesetz der korrespondierenden Siedetemperaturen, Chemische Berichte 1894, XXVII, S. 1894 (vgl. S. 3028, 3374). – [12] Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik, II, Die Lehre von der Wärme, Leipzig 1896, S. 748. – [13] Groshans, Ueber korrespondierende Temperaturen (bei gleichen Dampfdrücken), Wiedemanns Annalen 1897, LX, S. 169; LXI, S. 142. – [14] Winkelmann, Handbuch der Physik, III 2 Wärme, Leipzig 1906, S. 946. – [15] Weyrauch, Grundriß der Wärmetheorie, II, Stuttgart 1907, S. 14. – S.a. Zustände, übereinstimmende.

Weyrauch.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 106-107.
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