Souplieren

[152] Souplieren (Geschmeidigmachen) der Rohseide vor dem Färben steht in einem gewissen Gegensatz zum Entschälen oder Abkochen der Rohseide. Durch das Entschälen des Seidengarnes, das für die Kette gewöhnlicher, wohl auch für den Schuß hochfeiner Gewebe bestimmt ist, soll ihm bis auf einen kleinen Rest sämtlicher Seidenleim (Sericin) entzogen werden. Durch das Souplieren aber, das von Pons in St. Chamond im Jahre 1820 zum erstenmal ausgeführt wurde, soll nur ein Teil des Seidenbaues oder Leims von der Rohseide abgezogen werden, so daß die Soupleseide, was den Glanz und das weiche Anfühlen der Faser betrifft, zwischen gekochter und roher Seide in der Mitte steht.

Beim Entschälen verlieren die japanische und chinesische Seide 18–22% und die europäische 25–30% ihres Gewichts; beim Souplieren aber gehen nur 5–10% des Gewichts verloren, während gleichzeitig (vermutlich durch das Aufquellen des Sericins) die Faser an Dicke zu-, an Länge aber und Fertigkeit gegenüber der Rohseide abnimmt. Von der abgekochten oder Cuiteseide unterscheidet sich die Souple- oder Micuiteseide überdies dadurch, daß letztere mehr metallische Beschwerung aufzunehmen imstande ist als erstere.

Das Souplieren zerfällt in das Entfetten und in das eigentliche Souplieren; zwischen die zwei Operationen wird bei gelber, für das Färben von hellen Nuancen bestimmter Seide noch das Bleichen und Schwefeln eingeschoben. Das Entfetten ist nichts andres als ein sehr vorsichtiges Abkochen, d.h. das rohe Garn wird 1–2 Stunden in einer 25–30° C. warmen[152] Seifenlösung umgezogen, die 10% (vom Seidengewicht) Seife gelöst enthält. Indem der Faden hier einen geringen Teil seines Sericins verliert, quillt er auf und wird für die nachfolgenden Operationen empfänglich gemacht. Die eventuell eingeschobene Bleiche besteht im vorsichtigen Behandeln des nach dem Entfetten abgerungenen Seidengarns mit 2,7° Bé starkem, also sehr schwachem Königswasser (5 Teile Salzsäure 20° Bé und 1 Teil Salpetersäure 34° Bé vermischt, 4–5 Tage bei 25–30° C. stehen gelassen, dann erst mit dem losgehen Volumen Wasser verdünnt). Das Garn verweilt in der 20–25° C. warmen Säure 10–15 Minuten, bis es eine grünlichgraue, später wieder verschwindende Färbung zeigt, wohingegen ein längerer Aufenthalt die Seide bleibend gelb färben würde. Statt des Königswassers kann auch eine mit Untersalpetersäuredämpfen gesättigte Schwefelsäure zum Bleichen genommen werden. Nach dem Bleichen wird sofort in Wasser gewaschen und mehrmals 6 Stunden lang in geschlossener Kammer geschwefelt, wobei man auf 10 kg Seide ungefähr 1/2 kg Schwefel verbrennt. Durch das Schwefeln ist die Seide hart und spröde geworden und wird nun, ohne vorheriges Waschen, direkt aus der Schwefelkammer kommend, dem eigentlichen Souplieren unterzogen, d.h. sie wird unter Berücksichtigung ihrer Sorte und späteren Bestimmung durchschnittlich 11/2 Stunden lang in einer zwischen 90 und 100° C. gehaltenen Weinsteinlösung (3–4 g per Liter) umgezogen, die man auch schon mit Erfolg durch eine schwache heiße Natriumbisulfatlösung und versuchsweise durch verdünnte heiße Schwefel- oder Salzsäure oder durch kochendes Wasser ersetzt hat, ohne daß man sich bisher über die chemische Wirkung der einen wie der andern Flüssigkeit genaue Rechenschaft zu geben vermochte. Man weiß nur, daß die souplierte Seide, nachdem sie schließlich in lauwarmem Wasser gewaschen worden ist, warme saure Bäder besser verträgt als alkalische oder seifenhaltige Farbbäder, deren Temperatur deshalb nicht über 60° C. gehen darf, wenn nicht das Garn durch erheblichen Sericinverlust verdorben werden soll. Anderseits hat die Faser in der sauern Flüssigkeit eine größere Aufnahmefähigkeit für Beizen und Farblösungen erhalten. Die physikalische Wirkung der für die Faser nicht ungefährlichen Operation des Säuerns erkennt man an dem Glanz, der Weichheit und Elastizität des nunmehr aufgelaufenen und mehr breiten als runden Fadens, der sich sogar als weniger zäh wie eine vollkommen entschälte Seide erweist. Für ein Verfahren, ganz- oder halbseidene Stückware vor dem Färben zu souplieren, hat C.A. Köttgen in Crefeld im Jahre 1892 ein Patent erhalten (D.R.P. Nr. 67254). Er verwendet wie bei den Garnsträhnen kochend heiße, schwach angesäuerte Bäder, wobei der Stoff nur ca. 5% an Gewicht verliert und der zuvor steife, rohe oder teilweise entbastete Seidenfaden im Gewebe geschmeidig wird, an Umfang zunimmt und im Aussehen dem vollständig entbasteten Faden möglichst nahe kommt. Wie in der Garnstrangfärberei die souplierten Seiden nach der Färbung gerieben oder chevilliert werden (s. Appretur), so erteilt Köttgen auch der im Stück souplierten Seidenware nach dem Färben durch Scheuern größere Geschmeidigkeit und größeren Glanz.


Literatur: Knecht, Rawson und Löwenthal, Handbuch der Färberei, Berlin 1900/01; Herzfeld-Schneider, Das Färben und Bleichen, Berlin 1905, 2. Teil.

(Kielmeyer) R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 152-153.
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