Alberōui

[265] Alberōui, Giulio, Kardinal und span. Staatsminister unter Philipp V. von Spanien, geb. 21. Mai 1664 in Fiorenzuola, gest. 16. Juni 1752, Sohn eines Weingärtners, wurde zuerst in der Schule der Barnabitermönche zu Piacenza, dann durch den päpstlichen Vizelegaten von Ravenna in Rom zum Geistlichen erzogen. Der gewandte und feingebildete junge Abbé kam dann durch Empfehlung in die Umgebung des Herzogs von Parma, der ihn bald zu allerlei diplomatischen Geschäften brauchte und endlich zum Geschäftsträger in Madrid ernannte. In dieser Eigenschaft gelang es ihm 1714, die Vermählung Philipps V. mit Elisabeth Farnese (s. Elisabeth), der Nichte des Herzogs von Parma, zu stande zu bringen. Die Folge dieser Heirat war der Sturz der bisher am spanischen Hof allmächtigen Prinzessin Orsini und Alberonis Erhebung zum Ratgeber der Königin, die ihn 1717 zum Minister machte, nachdem er vom Papst zum Kardinal ernannt worden war. Von jetzt an regierte A. im Einverständnis mit der Königin unumschränkt. In seinem kleinen, durch ungeheure Fettleibigkeit entstellten Körper lebte ein eiserner Wille, ein schmiegsamer Geist und eine unermüdliche Arbeitskraft. Er ordnete die Finanzen, brachte das Heer auf 100,000 Mann, die Kriegsflotte auf 70 Linienschiffe, ließ aus dem Ausland geschickte Werkmeister und Handwerker als Lehrer für die Spanier kommen, errichtete Fabriken und verbesserte die Wasserstraßen, gründete Seemannsschulen und Magazine und reinigte die Justizpflege von ihren schreiendsten Übelständen. Als ihn die Königin Elisabeth, die ihren von der spanischen Thronfolge ausgeschlossenen Kindern auswärtige Throne verschaffen wollte, zu einer abenteuerlichen Politik zwang (es galt, Mailand, Neapel, Sizilien und Sardinien für das spanische Königshaus zurückzuerobern), rüstete A. eine mächtige Flotte und ein starkes Heer und ließ 1717 Sardinien, 1718 auch Sizilien besetzen. Gegen diese Übergriffe Spaniens wurde aber die Quadrupelallianz zwischen England, Frankreich, Österreich und Holland geschlossen. Spaniens Seemacht wurde (22. Aug. 1718) beim Kap Passaro von der englischen Flotte unter Byng fast gänzlich vernichtet. Auch Frankreich erklärte bald darauf (1719) den Krieg und sandte ein Heer über die Pyrenäen, während die Österreicher in Sizilien Fortschritte machten und die Engländer in Galicien landeten. A. wurde auf Andringen der Verbündeten am 5. Dez. 1719 aller Aniter enthoben und angewiesen, binnen 8 Tagen Madrid, binnen 3 Wochen Spanien zu verlassen. Er begab sich nach Italien, wurde aber vom Papst Clemens XI. mit einem Prozeß bedroht und hielt sich deshalb zunächst in einem Kloster bei Bologna verborgen. Nach dem Tode Clemens' XI. (1721) nahm er seinen Sitz im Konklave ein und beteiligte sich an der Wahl des neuen Papstes, Innocenz XIII., der ihm seine Gunst zuwendete. Clemens XII. ernannte ihn 1734 zum Legaten von Ravenna und Benedikt XIV. zum Legaten von Bologna. Nach dreijähriger Verwaltung dieser Provinz zog sich A. nach Piacenza zurück. Sein riesiges Vermögen fiel größtenteils an Philipp V. von Spanien. Vgl. »A. Lettres intimes de J. M. A. adressées an comte J. Rocca« (hrsg. von E. Bourgeois, Par. 1893); Rousset, Histoire du cardinal A. (Haag 1719); Bersani, Storia del cardinale Giulio A. (Piacenza 1862); Professione, Giulio A. dal 1708 al 1714 (Padua 1890); Derselbe. Il ministero in Spagna e il processo del cardinale Giulio A. (Turin 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 265.
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